Kuba: Das Wort Gottes neu lesen – mit Wertschätzung für Frauen

Projekt des Monats März der Internetplattform "Kirche im Aufbruch“

4. März 2016

Junge Frau in Kuba
Junge Frau in Kuba. (Foto: epd-Bild/Klaus Honigmann)

"Nehmt Kinder auf und ihr nehmt mich auf“ lautet der deutsche Titel des Weltgebetstags 2016 von Frauen aus Kuba (zentraler Lesungstext: Mk 10, 13-16). Im Gottesdienst geht es um die gesellschaftliche Situation der Kinder, um deren Rolle in Familie und Gemeinschaften. Die Lebenswelt der Kinder ist eng mit den aktuellen Herausforderungen der kubanischen Gesellschaft verknüpft. Diese ist seit einigen Jahren in einem Wandlungsprozess.

Da sind zum einen die Auswirkungen der im Jahr 2008 begonnenen Wirtschaftsreformen. Diese zielen zwar darauf ab, den Mangel an Gütern in praktisch allen Lebensbereichen zu beseitigen. Sie stellen aber auch das jahrzehntelang gültige Ideal der sozialen Gleichheit in Frage.

Kaum ein kubanischer Mann beteiligt sich an Haushalt und Kindererziehung

Zum andern herrschen in den Köpfen vieler Kubanerinnen und Kubaner noch klassische Rollenbilder. Da hilft es wenig, dass Frauen und Männer seit langem rechtlich gleichgestellt sind. Kaum ein kubanischer Mann beteiligt sich an Haushalt und Kindererziehung. Auch die Betreuung und Pflege der älteren und alten Menschen ist fest in Frauenhand. Zudem wächst aufgrund der Einschnitte im Sozialsystem die Doppel- und Dreifachbelastung der oft Vollzeit berufstätigen Frauen. Gleich zwei Versprechen der kubanischen Gesellschaftsordnung stehen damit derzeit auf dem Prüfstand: die soziale Gerechtigkeit und die Geschlechtergerechtigkeit.

Trotz ihres Engagements sind Frauen bis heute kaum in kirchlichen Führungspositionen zu finden. Gründe dafür sind in biblisch begründeten patriarchalen Kirchenstrukturen zu suchen, welche Frauen diskriminieren und ausgrenzen. Das "Christliche Zentrum für Soziale Dienste und Ausbildung B.G.Lavastida“ (CCSCBGL) will da Abhilfe schaffen und Frauen für kirchliche Führungsämter fit machen. Das Weltgebetstagskomitee unterstützt das Zentrum dabei.

Einfluss konservativer Kirchenführer

Dass das leichter gesagt ist als getan, weiß das CCSCBGL aus jahrelangen Erfahrungen in der Bildungsarbeit nur zu gut: Der legendäre kubanische Machismo, eine über Jahrzehnte eingeübte Passivität und der Einfluss konservativer Kirchenführer haben kritisches Denken und Eigeninitiative verkümmern lassen.

Nun hat das CCSCBGL in vier Kirchengemeinden in Santiago de Cuba und Bayamo ein mehrjähriges Training für Frauen begonnen. Ausgewählt wurden dabei bewusst Gemeinden, deren Leitungen für ihre extrem konservative Haltung in theologischen und sozialen Fragen bekannt sind. Konsequent haben sie sich bisher dem Thema Geschlechtergerechtigkeit gegenüber verschlossen. Genau dort setzt das CCSCBGL mit seiner geschlechtersensiblen Bildungsarbeit an. Von Hermeneutik über kirchliche Soziallehre bis zur Liturgie-Gestaltung steht so einiges auf dem Programm.

Eigenständiger Umgang mit der Bibel stärkt das Selbstvertrauen

In den Fortbildungszyklen arbeiten die Frauen in einem ersten Schritt heraus, wo kirchliche Traditionen auch heutzutage noch Frauen unterdrücken und Ungerechtigkeit festschreiben. In einem zweiten Schritt interpretieren sie das Wort Gottes neu – aus einer Perspektive heraus, die Frauen wertschätzt.

Im Nachdenken über ihre Glaubenspraxis lernen die Frauen auch, ihre eigenen Vorstellungen von Frau-Sein und eine Geschlechterordnung zu hinterfragen, die für Frauen nur eine untergeordnete Stellung in Kirche und Gesellschaft bereithält. Und sie erleben christliche Verkündigung als Botschaft von Befreiung und sozialer Gerechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit eingeschlossen.  

Der eigenständige Umgang mit der Bibel stärkt das Vertrauen in ihre Analysefähigkeit und Urteilskraft. Diese Fähigkeiten helfen den Frauen dabei, leitende Funktionen in Pastoral- und Sozialarbeit kompetent auszufüllen. Ein wichtiger Schritt in Richtung gleichberechtigter Teilhabe von Frauen und Männern an Gemeindeleben und kirchlichen Ämtern ist getan!

Sebastian Scharfe (EKD)


Der Weltgebetstag der Frauen 2016 wird am 4. März weltweit gefeiert mit einem Gottesdienst, den kubanische Frauen vorbereitet haben. Auch in vielen Gemeinden in ganz Deutschland organisieren und gestalten Frauen in ökumenischen Gruppen den Weltgebetstag. Der Großteil der Kollekten der Weltgebetstagsgottesdienste in Deutschland kommt Frauen- und Mädchenprojekten auf der ganzen Welt zugute.

Auf Kuba unterstützt der Weltgebetstag mehrere Partnerorganisationen und ihre Projekte. Der Kubanische Kirchenrat (CIC) bildet seit Jahren Frauen zu Gender-Promoterinnen aus. Sie klären andere über Selbstbestimmung, Teilhabe und wirtschaftliche Unabhängigkeit auf. Das "Christliche Zentrum für Soziale Dienste und Ausbildung B.G.Lavastida“ (CCSCBGL) will Frauen für kirchliche Führungsämter fit machen. Auf Kuba haben Menschen die höchste Lebenserwartung in ganz Lateinamerika. Caritas Cubana unterstützt rund 700 ältere Menschen, die sich mit Änderungsschneiderei, Kunsthandwerk und Gemüsezucht ein zusätzliches Einkommen schaffen.