„Reformation fördert Toleranz und Freiheit!“

Margot Käßmann unterwegs in Asien

22. Februar 2016

Margot Käßmann in Indien
Reformationsbotschafterin Margot Käßmann in Indien im Gespräch mit Studentinnen.

Im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bereist Reformationsbotschafterin Margot Käßmann derzeit sechs asiatische Länder: In Indien, Bangladesch, Thailand, Indonesien, Singapur und Hongkong wirbt sie für das Reformationsjubiläum. Auf ökumenischen Treffen mit Vertretern nationaler Kirchen und mit politisch Verantwortlichen erläutert sie den Beitrag der Reformation zu einer demokratischen und offenen Gesellschaft. Toleranz und Gewissensfreiheit seien Impulse, die global wichtig seien. Hier ihre Eindrücke aus Neu Delhi/Indien

Über Reformation und Bildung sprach Margot Käßmann vor etwa 120 Zuhörerinnen und Zuhörern in der deutschen Botschaft in Neu Delhi. Ihr Vortrag war Teil einer akademischen Vortragsreihe Science Circle Lecture, mit der die Botschaft und das Deutsche Haus für Forschung und Entwicklung Studierende und Akademiker aus Indien und Deutschland in einen Dialog bringen. Professorin Ummu Salma Bava stellte die Reformationsbotschafterin als eine Frau vor, die den Menschen die Augen für eine Vision des Wandels öffnet.

In ihrem Vortrag appellierte Margot Käßmann für einen gebildeten Glauben. Martin Luther habe sich dafür eingesetzt, dass jedes Mädchen und jeder Junge lesen und schreiben lernen soll, um selber die Bibel lesen zu können. Bildung wurde zum Anliegen der gesamten Reformationsbewegung. Jeder und jede sollte fähig sein, nachzudenken, zu reflektieren, zu verstehen und Fragen zu stellen. Bildung ist bis heute der Schlüssel für den Wandel zu einer friedlichen und gerechten Gesellschaft. Er stellt sich gegen Fundamentalismus, denn ein gebildeter Glaube ist offen und auf Dialog angelegt.

Mangelware Bildung

In Indien ist es nicht selbstverständlich, dass alle Kinder einen Zugang zu guter Bildung bekommen. Indische Familien tun zwar alles dafür, dass ihre Kinder eine gute Schulbildung bekommen, doch gute Schulen kosten auch viel Geld, so dass vor allem ärmere Familien sich eine zukunftseröffnende Ausbildung ihrer Kinder nicht leisten können.

In der Cathedral Church of Remption in Neu Delhi trafen Margot Käßmann und Claudia Ostarek einen Mitherausgeber des neuen „South Asian Bible Commentary“, Dr. Paul Swarup. Das Werk ist ein Gemeinschaftsprojekt verschiedener Theologen und Theologinnen. Der Kommentar wird von Pastoren und Pastorinnen für die Predigtvorbereitung benutzt, aber auch von interessierten Gemeindemitgliedern. Er erklärt aus Sicht südasiatischer Theologie die Bibel und gibt einen Überblick zu bestimmten Themen wie z.B. der Ehe in der Bibel. Ein Beitrag zu einem „gebildeten Glauben“ – eine Frucht der Reformation!

Trennung statt gemeinsamer Erlebnisse

Eine interessante Erfahrung auf der Asienreise ist, wie Aussagen in Vorträgen von Margot Käßmann in einem anderen Kontext provokativ wirken, obwohl sie aus westlicher Sicht nicht sehr spektakulär sind. So erzählte sie zum Thema interreligiöse Begegnung von einer gemeinsamen Mahlzeit zwischen Muslimen und Christen in Deutschland, an der sie teilgenommen hat. Es war nur eine kurze Erzählung, doch sie wurde nach dem Vortrag an den Tischen diskutiert. Für viele Menschen in Indien wäre so eine gemeinsame Mahlzeit unvorstellbar. Vor allem in ländlichen traditionell ausgerichteten Gesellschaften ist es nicht üblich, mit Angehörigen niedrigerer Kasten, anderer Religionen oder gar mit Dalits zusammen zu essen. Das kann man auch in größeren Firmen in den Pausen beobachten.

Bei einem Besuch in einer indischen Gemeinde in Delhi wurde erzählt, dass es selbstverständlich sei, dass alle zusammen zum Abendmahl gehen. Wie gut zu hören, dass in Kirchen manche Grenzen überwunden werden.

Claudia Ostarek