Zwischen Gott und Vader

Religion im Science-Fiction-Film gibt es häufiger als man denkt – ein Streifzug zum Auftakt der Berlinale

13. Februar 2016

Darth Vader und Alien im Filmmuseum Frankfurt
Darth Vader-Maske (re.) und Alienfigur im Deutschen Filmmuseum Frankfurt. (Foto:epd-Bild/Jochen Günther)

Das muss man erst mal bringen: Auf die Frage nach der Religion mit „Jedi“ zu antworten. Bei einer Volkszählung in Neuseeland taten das über 50 000 Leute – und der „Jediismus“ war plötzlich die zweitgrößte Religion des Landes. Für viele war das ein Gag. Aber nicht für alle. Einige Anhänger der Ordensritter aus dem Star-Wars-Universum verstehen sich nicht nur als einfache Fans, sondern tatsächlich als spirituelle Gemeinschaft.

Science-Fiction und Religion? Das schließt sich offenbar nicht aus. In der fernen Zukunft, in der Menschen und Außerirdische mit hochtechnisierten Raumschiffen durch die Galaxien düsen, gibt es auch Götter, Tempel, Glaubensrituale und fast mittelalterliche Vorstellungen von Himmel und Hölle. Wie man Religion genau definiert, darüber gibt es viele Abhandlungen und Diskussionen. Eine grundlegende Sache aber ist: Religiöse Menschen glauben, dass es noch etwas hinter den sichtbaren, beweisbaren Dingen gibt. Das muss kein bärtiger Mann im Himmel sein, es kann sich auch um eine Kraft oder eine Energie handeln, die auf unser Leben wirkt.

Die Macht und die Allmutter

Und da sind wir in der Tat schnell bei Star Wars. Dort gibt es die „Macht“: eine das Universum durchströmende Kraft, die allen Dingen innewohnt und alles zusammenhält. Die Jedi – speziell ausgebildete Männer und Frauen aller Nationalitäten und Spezies – haben ein besonderes Gefühl für diese Macht und besitzen dadurch übermenschliche Kräfte. Sie bewegen Gegenstände und können sowohl ihre Umwelt als auch die Gedanken anderer Menschen beeinflussen. Entscheidend ist aber, dass sie an die Macht glauben und ihr vertrauen. Die heißt im englischen Original übrigens „The Force“ – und manche Jediisten meinen, man hätte das treffender mit „Gott“ übersetzen sollen.

Die Macht ist übrigens kein Randphänomen. Der neue Star-Wars-Film „Das Erwachen der Macht“ hebt sie sogar auf den Titel. Auch in James Camerons 3-D-Erfolg „Avatar“ (2009) gibt es eine solche göttliche Kraft. Die blauen Na’vi auf dem Mond Pandora beten Eywa, die „Allmutter“, an. Ähnlich wie die Macht in Star Wars ist auch sie keine Figur, die man abbilden könnte.

Eywa ist so etwas wie ein allumfassendes Netzwerk. Sie verbindet alles Lebendige auf Pandora – Natur, Pflanzen, Na’vi – und hütet das Wissen von Lebenden und Toten. Sie hält Pandora im Gleichgewicht. Die Na’vi können über einen riesigen, heiligen Seelenbaum und eine Art Stecker am Ende ihrer Schweife mit den Erinnerungen ihrer Ahnen in Kontakt treten und auch ihre eigenen Erfahrungen sozusagen bei Eywa „hochladen“.

Götter im Wurmloch

Es deutet sich schon an: Zu einer Religion gehört meist mehr als nur der Glaube an einen Gott. Die meisten glauben nicht alleine, sondern in einer Gemeinschaft. Diese hat gewisse Regeln und Rituale und verehrt bestimmte Orte oder Dinge als heilig. All das findet man auch in der Science-Fiction-Welt. Die Bajoraner aus der Star-Trek-Serie „Deep Space Nine“ (1993 bis 1999) haben zum Beispiel ein ganzes religiöses System anzubieten: In ihrem Sonnensystem befindet sich ein stabiles Wurmloch, das unterschiedliche Ecken der Galaxie miteinander verbindet. Die Bajoraner betrachten es als „Himmlischen Tempel“ und die darin lebenden Wesen als Götter – sie nennen sie „Propheten“.

Als heilig, weil direkt von den Propheten stammend, gelten die rätselhaften „Drehkörper“: leuchtende, sanduhrförmige Gebilde, die von Energiefeldern umgeben sind. Die Drehkörper nennt man auf Bajor auch die „Tränen der Propheten“. Die tiefe Verbundenheit mit ihrem Glauben macht die Bajoraner zu einem starken Volk mit einer eigenen Identität. Als ihr Planet besetzt wird, harren sie Jahrzehnte im Untergrund aus und besiegen schließlich die Besatzer.

Der Glaube ist ihnen aber auch in Friedenszeiten wichtig. Er vermittelt Werte wie Toleranz und Offenheit und bringt sie dazu, über sich nachzudenken und nicht einfach dumpf von Tag zu Tag zu leben. Die Gläubigen auf Bajor sind zudem gut organisiert: Die Vedeks – das sind Mönche und Priester zugleich – bilden einen religiösen Rat, die Vedek-Versammlung. Dieser wählt das religiöse Oberhaupt, den sogenannten Kai.

Auf nach Walhalla

Was kommt nach dem Tod? Das ist eine wichtige Frage in vielen Religionen, die auch die Science-Fiction aufgreift. Die kriegerischen Klingonen etwa – ein weiteres außerirdisches Volk aus dem Star-Trek-Universum – haben eine recht klare Vorstellung, wie es weitergeht: Ein Krieger, der ehrenhaft im Kampf gestorben ist, kommt nach Sto’Vo’Kor, wo er ewig saufen, singen und weiterkämpfen kann. Bei einem unehrenhaften Tod geht es stattdessen nach Gre’thor, eine Lavainsel, umgeben von einem Ozean aus Blut – in die Hölle.

Wie in vielen realen Religionen gibt es bei den Klingonen auch ein Ritual, um den Übergang der Verstorbenen ins Jenseits zu erleichtern. Wenn ein Klingone stirbt, heulen alle Anwesenden laut, um das Jenseits zu warnen, dass ein neuer Krieger auf dem Weg ist.

Ähnlich ist es im aktuellen „Mad Max: Fury Road“, einem der besten Science-Fiction-Filme des Jahres 2015. Er spielt in einer postapokalyptischen, öden Welt, in der der kultisch verehrte Immortan Joe seine jungen Anhänger in blutige Kämpfe schickt. Diese sogenannten Warboys glauben an ein ewiges Leben im Kriegerparadies „Walhalla“. Da dieses vollverchromt sein soll, haben sie ein spezielles Übergangsritual: Kurz vor dem Tod sprühen sich alle Warboys Chrom ins Gesicht.

Bei „Mad Max: Fury Road“ zeigt sich zudem, wie sehr der Glaube an das Jenseits das Leben beeinflussen kann. Die Warboys schminken sich in schwarzer und weißer Farbe zu Skeletten und drücken damit aus: Wir leben, um zu sterben. Sie opfern sich im Kampf für Immortan Joe auf, im festen Glauben, dafür in Walhalla belohnt zu werden. Tragisch nur, dass dies ein Irrglaube ist. Denn ihr „Gott“ ist nicht der, für den sie ihn halten.

Falsche Götter

In Wahrheit ist General Immortan Joe ein brutaler Tyrann. Mitten in der ausgedörrten Landschaft sitzt er auf den Wasservorräten, gibt diese nach Gutdünken aus und hetzt die Warboys auf seine Gegner. So baut er seine Macht weiter aus und schickt die ihm vertrauenden Kämpfer in den Tod – ganz sicher aber nicht ins Kriegerparadies.

Es scheint, als wäre die Zeit nach einem apokalyptischen Ereignis wie einer Dürre oder einem Atomkrieg das richtige Setting für solch falsche Götter: Der britische Sci-Fi-Film „Zardoz“ etwa – ein echter Kultfilm aus dem Jahre 1974 – spielt ebenfalls auf einer verwüsteten Erde. Die Bevölkerung ernährt sich mehr schlecht als recht von der Landwirtschaft. Über ihr fliegt ein großer Steinkopf: Gott Zardoz. Zardoz spricht zu ihnen, nimmt die Ernten entgegen und verteilt Waffen an seine Kämpfer, die die Landarbeiter ordentlich knechten sollen.

Klar: Zardoz ist kein Gott. Sondern das Werkzeug einer Gruppe Reicher, die es sich an einem geheimen Ort gut gehen und die Armen für sich arbeiten lassen. Da muss dann erst Held Sean Connery kommen (als Zardoz-Kämpfer in roter Badehose), um Lunte zu riechen und dieses perfide System zu entlarven. In solchen Science-Fictions zeigt sich eine kritische Haltung gegenüber Religionen, die durchaus berechtigt ist: Wenn Religion missbraucht wird, um Menschen einzulullen und davon abzuhalten, gegen Ungerechtigkeiten aufzustehen, dann ist das schlimm.

Töten im Namen Gottes

Und noch schlimmer ist es, wenn Religion als Grund dazu dient zu morden. Töten im Namen Gottes – dieses aktuelle Thema zieht sich etwa durch die US-kanadische TV-Serie „Battlestar Galactica“, die von 2006 bis 2009 auch in Deutschland lief. Die Menschen, die auf zwölf Planeten leben, werden von Zylonen angegriffen – Robotern, die sie einst selbst erschufen. Die Zylonen zerstören die Planeten. Die überlebenden Menschen sind nun im Raumschiffkonvoi auf der Flucht und auf der Suche nach einem neuen Zuhause.

Interessant ist der Grund, warum die Zylonen die Menschheit töten wollen: Während die Menschen eine Religion mit mehreren Göttern haben, die aber meist keine große Rolle mehr spielen, sind die Zylonen streng gläubig. Sie halten die Menschen für unmoralische Sünder, die endlich Platz machen müssen für die, die der Liebe Gottes wirklich würdig seien: die Zylonen selbst. Dieser religiöse Gegensatz wird in den vier Staffeln der Serie immer wieder aufgegriffen.

Raum für Fragen

Religion und Science-Fiction sind eng miteinander verknüpft: Die unendlichen Weiten des Weltalls, die Gewalt über Zeit, Raum, Leben und Tod – das schafft Raum für Fragen, ob es da draußen nicht doch etwas gibt, das alles zusammenhält. Dem Chaos einen Sinn gibt und den eigenen Horizont weitet.

Zuweilen erfindet Science-Fiction auch keine neue Religion, sondern bezieht sich auf eine der irdischen. In „Signs“ (2002) etwa erlebt Hauptfigur Graham Hess eine Alien-Invasion. Hess war früher Pfarrer, hat aber seit dem Tod seiner Frau den (christlichen) Glauben verloren. Im Finale des Films verdichten sich die scheinbar sinnlosen letzten Worte seiner sterbenden Frau dann plötzlich zu einer göttlichen Vorsehung, die Hess und seiner Familie das Leben rettet. Das scheint Hess geläutert zu haben: In der letzten Szene sieht man, wie er wieder als Pfarrer arbeitet. Manchmal braucht es eben Aliens, um zu erkennen, was einen wirklich trägt.

Alexander Matzkeit (JS-Magazin)


Zum Ökumenischen Empfang anlässlich der Berlinale 2016 laden Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und Deutsche Bischofskonferenz (DBK) am Sonntag, 14. Februar, um 18 Uhr ins Haus der EKD am Berliner Gendarmenmarkt ein. Der katholische Erzbischof von Berlin, Heiner Koch, wird ein Grußwort sprechen. Hauptredner ist der designierte Kulturbeauftragte der EKD, Johann Hinrich Claussen. Die Präsidentin der Ökumenischen Jury, Marisa Winter, wird die Mitglieder der Jury vorstellen. Die Redaktion von epd Film bietet auch in diesem Jahr wieder einen Blog zur Berlinale an.