Bedford-Strohm: "Deutschland braucht einen Geist der Zuversicht"

Breite zivilgesellschaftliche "Allianz für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat" gegründet

11. Februar 2016

Allianz für Toleranz - Menschen stehen zusammen und halten eine Weltkugel
(Foto: ThinkStock/Ryan McVay)

Berlin (epd). Große Hilfsbereitschaft auf der einen Seite, Hassmails und Brandanschläge auf der anderen: Deutschland scheint in der Flüchtlingsdebatte gespalten. Das macht auch gesellschaftlichen Organisationen Sorgen. Als Zeichen für Humanität und gegen Fremdenhass stellten zehn der größten zivilgesellschaftlichen Akteure in Berlin eine "Allianz für Weltoffenheit" vor. Sie fordern Aufklärung statt Verunsicherung, Investitionen in Integration statt Beförderung von Ressentiments. Ihr Aufruf liest sich wie ein Gegenprogramm zur fremdenfeindlichen "Pegida"-Bewegung und eine demonstrative Unterstützung des "Wir schaffen das" von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), das in der Politik mehr und mehr infrage gestellt wird.

"Zusammenstehen und sich für die Schwächsten einsetzen"

Initiiert vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) haben sich Organisationen aus allen relevanten Gesellschaftsbereichen dem Aufruf angeschlossen. Teil der Allianz sind neben dem DGB evangelische und katholische Kirche, Zentralrat der Juden, Koordinationsrat der Muslime, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, Deutscher Kulturrat, Deutscher Naturschutzring und Deutscher Olympischer Sportbund.

Die "Allianz für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat" fordert in ihrem Aufruf, angesichts der Flucht von Millionen Menschen weiter humanitäre Verpflichtungen zu erfüllen, gleichzeitig aber auch die Integration und erstarkende rechte Strömungen im Blick zu behalten. "Gerade in schwierigen Zeiten muss die Gesellschaft zusammenstehen und sich für ihre Schwächsten einsetzen", erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm.

Für eine lösungsorientierte Debatte – ohne Parteitaktik

Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sagte, es gehe darum, "couragiert Haltung zu zeigen". Deutschland stehe vor großen Herausforderungen. Die Allianz sei überzeugt, diese auch meistern zu können, betonte er. Dazu fordert das Bündnis eine sachliche und lösungsorientierte Debatte, die nicht von Parteitaktik bestimmt wird. Parteien sind daher auch nicht in der Allianz vertreten.

Das Bündnis wendet sich gegen den erstarkenden rechten Rand in Deutschland. Es fordert, menschenfeindlichen Haltungen entgegenzutreten und rechtsextreme Angriffe auf Flüchtlinge und deren Unterkünfte strafrechtlich konsequent zu verfolgen. "Die Würde des Menschen ist unantastbar" steht programmatisch über dem Gründungsaufruf.

"Klare Kante" gegen Rechtsextreme

Hoffmanns Angaben zufolge plant die Allianz Veranstaltungen, will weitere Mitglieder hinzugewinnen, vor allem aber auch in die eigenen Organisationen hineinwirken. Gemeinsam würden die Organisationen 60 Millionen Mitglieder vertreten, sagte der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert. Das sei eine deutliche Mehrheit der Gesellschaft.

Die Organisationen wissen zugleich, dass auch in ihren Reihen Mitglieder sein können, die die Aufnahme von Flüchtlingen infrage stellen oder rechtsextreme Positionen vertreten. Man könne nur Teil der Lösung sein, wenn man wisse, "dass wir auch selbst Teil des Problems sind". Der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, rief zum konstruktiven Dialog mit besorgten Bürgern, gleichzeitig aber auch zu "klarer Kante" gegen Rechtsextreme auf. "Mehr als 500 Angriffe gegen Flüchtlinge und ihre Unterkünfte im letzten Jahr zeigen, dass noch nicht jeder in unserer Gesellschaft verstanden hat, dass die Würde jedes einzelnen Menschen unantastbar ist", sagte er.

Breite gesellschaftliche Allianzen

Für die "Allianz für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat" gibt es bundesweit kein Vorbild. Allerdings haben sich in unterschiedlichen Bundesländern bereits Ende 2015 ähnliche Initiativen gebildet, die sich für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen einsetzen. In Niedersachsen steht hinter dem Aufruf "Niedersachsen packt an" ein offenes Bündnis, das neben dem Land die Konföderation Evangelischer Kirchen in Niedersachsen, das katholische Bistum Hildesheim, die Unternehmerverbände und die Gewerkschaften umfasst.

In Brandenburg rief Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) eine "breite Allianz aus der Mitte unseres Landes" ins Leben, um die Integration von Flüchtlingen zu unterstützen. Den Gründungsaufruf für das "Bündnis für Brandenburg" haben Repräsentanten aus Verbänden, Kirchen, Gewerkschaften und Unternehmen unterzeichnet.

Von einem Bündnis aus Kirchen, Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, Integrationsbeiräten und Migrantenorganisationen wird die bundesweite Interkulturelle Woche getragen, die seit 1975 jährlich im September stattfindet. Das Eintreten für bessere politische und rechtliche Rahmenbedingungen des Zusammenlebens von Deutschen und Zugewanderten ist ein Ziel dieser Initiative, die von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie gestartet wurde und anfänglich "Woche des ausländischen Mitbürgers" hieß.

epd/ekd.de