Religiöser Interpret und theologischer Übersetzer

Der Hamburger Propst Claussen wird neuer Kulturbeauftragter der EKD

20. Januar 2016

Johann-Hinrich Claussen
Johann Hinrich Claussen, designierter Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland. (Foto: epd-Bild/Patrick Piel)

Hamburg (epd). Entspannt sitzt Johann Hinrich Claussen in seinem Hamburger Amtszimmer und lächelt fein. Nein, konkrete Pläne habe er noch nicht, das werde sich ergeben, sagt der 51-Jährige. Noch sei er Propst in Hamburg, sein Abschied werde erst am Sonntag gefeiert. Dann sei es immer noch eine Woche bis zum Dienstantritt als Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Berlin.

Deutschland zähle zu den reichsten Kulturlandschaften Europas und der Welt, sagt Claussen. Er habe keinerlei Sorge, dass ihm Themen oder Ideen ausgehen könnten. Zuerst werde er vermutlich Amtsvorgängerin Petra Bahr besuchen. Sie war 2006 die erste EKD-Kulturbeauftragte und hatte das Berliner Kulturbüro aufgebaut. Im September 2014 wechselte sie zur Konrad-Adenauer-Stiftung – seitdem ist die Leitung des EKD-Kulturbüros vakant.

Kulturelles Leben diesseits und jenseits der Kirchenmauern

Religiöse Themen würden in der Öffentlichkeit sehr oft sehr emotional verhandelt – Skandale, Tabu-Brüche, Dauerpolarisierungen im Meinungsstreit. "Doch es muss nicht immer provozierend sein", sagt Claussen. Auch der ganz normale Alltag sei von Religion durchdrungen. Er sehe eine seiner Hauptaufgaben darin, als religiöser Interpret und theologischer Übersetzer aufzutreten, Netzwerke zu knüpfen und Inspirationen zu suchen. 

"Ich muss nicht alles neu erfinden", sagt Claussen. Das kulturelle Leben diesseits und jenseits der Kirchenmauern in Stadt und Land sei reichhaltig und etabliert. Es gebe Andachten in Kunsthallen und Museen, langjährige und kreative Kooperationen zwischen Kirche und Film, große Ausstellungen und Symposien in evangelischen Akademien über Kunst und Musik, Literatur und Theater: "Das Feld ist reich bestellt."

Claussens Lebensweg verlief schon bisher ebenso bunt wie zielstrebig: 1964 in Hamburg geboren, studierte er evangelische Theologie in Tübingen, Hamburg und London. Vor seinem Vikariat ging er 1990 für ein Jahr als Landpfarrer nach Argentinien. Danach promovierte er in Hamburg über den Theologen Ernst Troeltsch und war ab 1996 für fünf Jahre Gemeindepastor in Reinbek bei Hamburg.

"Disziplin und Lust an der Arbeit"

Mit einem Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft nahm sich Claussen ab 2001 eine wissenschaftliche Auszeit und habilitierte sich an der Universität Hamburg über das Thema "Glück und Gegenglück". Ende 2003 kandidierte er für das Propstamt im damaligen Kirchenkreis Alt-Hamburg, 2004 wurde er dort von Bischöfin Maria Jepsen als Propst eingeführt.

Vier Jahre später wurde er auch Hauptpastor an der St. Nikolaikirche, parallel übernahm er Lehraufträge als Privatdozent im Fach Systematische Theologie an der Uni Hamburg. Seit 2011 ist der Theologe auch Präsident des bundesweiten Evangelischen Kirchbautages.

Wie schafft man es, angesichts dieser Aufgabenfülle sogar noch Bücher zu schreiben? "Mit Disziplin und Lust an der Arbeit und am Stoff", sagt Claussen – und man muss es ihm glauben. Die Bandbreite seiner Themen ist groß. Auf das Jugendbuch "Moritz und der liebe Gott" (2004) folgte ein Werk über moderne Lyrik und Religion ("Spiegelungen"). 2006 waren es "Die 101 wichtigsten Fragen – Christentum", das in dritter Auflage vorliegt.

Kolumnen und Beiträge in der "Süddeutschen" oder im "Spiegel"

"Ich glaube noch immer an das Gute am Buch", sagt Claussen. In kaum einem anderen Medium habe man soviel Platz, Gedanken wohlformuliert darzulegen – allenfalls noch im Radio, in den dritten Programmen und auf den Info-Kanälen. Doch natürlich nutzt Claussen auch andere Medien. Auf seine Kolumnen und Beiträge in der "Süddeutschen" oder im "Spiegel" will er auch als Kulturbeauftragter nicht verzichten.

2010 widmete sich der dreifache Familienvater dem Thema der Kirchenarchitektur und schrieb über "Gottes Häuser oder die Kunst, Kirchen zu bauen und zu verstehen". 2014 folgte unter dem Titel "Gottes Klänge" eine Geschichte der Kirchenmusik, die derzeit ins Chinesische übersetzt wird.

Claussen will nicht komplett nach Berlin umsiedeln, dafür sei sein Leben zu sehr in Hamburg verwurzelt, sagt er. Zwei seiner Kinder gehen hier noch zur Schule und stehen kurz vorm Abitur. Seine Frau arbeitet in Hamburg als Germanistin. Aus dem Pastorat in Harvestehude ist die Familie aber schon ausgezogen und wohnt jetzt im Stadtteil Hoheluft. Vorträge und Publikationen könne er genauso gut und in aller Ruhe in Hamburg schreiben, sagt Claussen: "Die ICE-Flotte der Bahn macht manches möglich."   

Klaus Merhof (epd)