Trauer und Entsetzen über den Terroranschlag in Istanbul

Kirchen und Gemeinden in Deutschland und der Türkei gedenken der Opfer

13. Januar 2016

Kerze in der evangelischen Kirche St. Lorenz in Nürnberg
(Foto: epd-Bild/Norbert Neetz)

Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben sich bestürzt über den Terroranschlag in Istanbul geäußert und den Angehörigen der deutschen Opfer ihre Anteilnahme bekundet. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erklärte am 12. Januar, erneut seien unschuldige Menschen Opfer perfider Terroristen geworden. Auch der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, zeigte sich erschüttert. Sein Mitgefühl gehöre den Angehörigen, für die Verstorbenen werde er beten. "Ich bete auch darum, dass die Geißel des Terrors endlich aus unserer Wirklichkeit verschwindet", erklärte Marx.

"Gemeinsam gegen menschenverachtenden Terrorismus vorgehen"

Bedford-Strohm sagte, er sei entsetzt über die Tat. "Was in Istanbul passiert ist, unterstreicht, wie dringlich es ist, dass jetzt alle Länder gemeinsam gegen solchen menschenverachtenden Terrorismus vorgehen", betonte der bayeriche Landesbischof Bedford-Strohm, der an der Spitze der EKD die deutsche Protestanten repräsentiert.

Bei dem Selbstmordanschlag zwischen Blauer Moschee und Hagia Sophia wurden am 12. Januar zehn Menschen getötet, darunter mindestens achte Deutsche. Der Anschlag, für den die türkische Regierung die Terrororganisation "Islamischer Staat" verantwortlich machte, galt einer Touristengruppe.

Die westfälische Präses Annette Kurschus versicherte in einem Schreiben der evangelischen Pfarrerin in Istanbul, Ursula August, und der evangelischen Gemeinde ihre Solidarität für die Betreuung von Angehörigen der Opfer. "In den nächsten Tagen werden Sie viel Kraft brauchen, Angehörige, die aus Deutschland anreisen, zu betreuen und die Verletzten in den Krankenhäusern zu besuchen", schrieb Kurschus, die auch stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende ist.

Gedenkminuten in der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen

Nach dem Terroranschlag in Istanbul trauern die deutschsprachigen Kirchengemeinden am Bosporus um die Opfer. Mit Gottesdiensten werde der Opfer des Anschlags gedacht, sagte August dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch in der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen, die am Sonntag beginnt, seien Gedenkminuten geplant.

Evangelische und katholische Kirchengemeinden in Istanbul haben dem Auswärtigen Amt nach Angaben von August Kontaktadressen und Ansprechpartner genannt, die für Hilfen und Seelsorge zur Verfügung stehen. Die westfälische Pfarrerin Ursula August arbeitet seit 2011 im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in der in der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Istanbul. Vorher war sie Pfarrerin in Marl.

Zur Evangelischen Gemeinde deutscher Sprache in der Türkei zählen rund 350 Familien. Gegründet wurde sie im Jahr 1843 durch Kaufleute. Die Kreuzkirche in Aynali Cesme, das zum Stadtbezirk Beyoglu auf der europäischen Seite Istanbuls gehört, wurde 1861 über einer Schule eingeweiht. Eine Filialkirche steht in der türkischen Hauptstadt Ankara.

"Festhalten an einer offenen, demokratischen Gesellschaft"

Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, warnte vor politischem und religiösem Fundamentalismus. Verbrecherische Anschläge wie in Istanbul, Paris, Beirut und anderen Städten erwüchsen aus einer Überzeugung, die nur eine einzige Meinung kenne und akzeptiere, sagte der Beauftragte der EKD und leitende Theologe der Bremischen Evangelischen Kirche dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Demgegenüber müssen wir festhalten an einer offenen, demokratischen Gesellschaft." Auch der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, sagte, die Terroristen wollten Angst in den Alltag bringen und damit Hass und Zwietracht säen.

Sie müsse von der Einhaltung der Menschenrechte und einem politischen und religiösen Pluralismus geprägt sein, sagte Brahms. Der Anschlag in Istanbul zeige, wie verletzlich diese Gesellschaften seien, ermahne aber auch dazu, dem Terrorismus den Boden zu entziehen und die Ursachen zu bekämpfen: "Das kann langfristig nur auf diplomatischem und politischem Weg gelingen."

Verbundenheit mit Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten umso stärker leben

Die Nachricht habe ihn erschrocken und getroffen, sagte der Kirchenpräsident der Evangelisch-reformierten Kirche, Martin Heimbucher, und verurteilte die Tat. "In Gedanken und im Gebet bin ich bei den Menschen, die in der lebendigen und wunderschönen Stadt am Bosporus getötet, verletzt oder traumatisiert wurden." Diese Ereignisse machten deutlich, dass Terrorismus nicht vor nationalen Grenzen halt mache, sagte Heimbucher. "Wenn wir jetzt unsere vielfache Verbundenheit mit den Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten umso stärker leben und pflegen, dann ist das die wirksamste Antwort, die wir alle auf einen solchen Anschlag geben können." Gefordert seien nun Mitgefühl und die Sorge um die Zusammengehörigkeit in Europa und über Europa hinaus. "Wir besiegen den Terror nicht mit militärischen und polizeilichen Mitteln allein - so unausweichlich der Einsatz dieser Mittel auch scheint."

Warnung vor islamfeindlichen Reaktionen

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, warnte vor islamfeindlichen Reaktionen. "Wir müssen sehr darauf achten, dass durch solche Gewalttaten nicht der gesellschaftliche Zusammenhalt in unserem Land Schaden nimmt", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Bad Neuenahr. "Die Religionen stehen in dieser Frage Seite an Seite und treten in ihrer großen Mehrheit für ein friedliches Zusammenleben ein."

Auch die in Deutschland lebenden Muslime seien "zum allergrößten Teil friedliebende Menschen, die sich von solchen Anschlägen distanzieren", betonte der 57-jährige Theologe. "Sie können nichts dafür, dass die Terrorgruppe IS das Wort 'Islam' in ihrem Namen trägt." Rekowski verurteilte den Anschlag eines mutmaßlichen IS-Terroristen als furchtbare und menschenverachtende Tat, die Tod und größtmögliche Zerstörung zum Ziel gehabt habe, um die Bevölkerung zu verunsichern. "Den Opfern und ihren Familien gelten unser Mitgefühl und unsere Gebete", betonte der leitende Theologe der zweitgrößten deutschen Landeskirche.

epd/ekd.de