Im Anfang

Die Bibel berichtet immer wieder vom Beginnen – in verschiedensten Formen

02. Januar 2016

 Die Erschaffung Evas auf einem Bild aus der Kirche in Grumbach (Sachsen)
Gott macht Eva aus einer Rippe Adams – Bild aus der Kirche in Grumbach (Sachsen). (Foto: epd-Bild/Rainer Oettel)

„Alles muss klein beginnen“, heißt es in einem Kirchentagslied. In der Bibel beginnt‘s ziemlich wuchtig: mit der Erschaffung der Welt. Von vielen Anfänge verschiedener Art erzählt das Buch der Bücher – und jedem Anfang „wohnt ein Zauber inne“ (Hermann Hesse).

Am Anfang der Welt

Was für ein grandioser Einstieg in das Buch der Bücher! Nicht ein märchenhaft eingeleiteter Rückblick à la „Es war einmal...“, sondern ein fulminantes Bekenntnis dazu, dass niemand anderes als Gott Schöpfer der Welt ist. Am Anfang erschafft er „Himmel und Erde“ (1. Mose 1), dann geht’s Tag auf Tag. Gott erschafft in den ersten sieben Tagen alles, was auf der Erde ist, und „sah, dass es gut war“. Mit der Zeit entpuppte sich die Schöpfung jedoch als ziemlich störanfällig, denn die Letztgeschaffenen – die Menschen – verheilten sich nicht wie gewünscht. Zur Strafe müssen sie einen neuen Anfang machen, außerhalb des Garten Edens. Der weise Jesus Sirach erzählt die Schöpfungsgeschichte nach und behauptet, Gott habe seinen Geschöpfen von ihrem „Ursprung an ihre Bestimmung“ gegeben und „für immer geordnet, was sie tun“ (Kapitel 16,25).

Der Anfang vor dem Anfang

Eigentlich gibt’s vor einem Anfang nichts, oder? Wer so fragt, unterschätzt die Spitzfindigkeit von Theologen. Sie fragen zu Recht: Wenn Gott die Welt erschaffen hat, gab es ihn vor dem Anfang der Welt. Aber wann war dann der Anfang Gottes? Wieso gibt es ihn, wie ist er entstanden? Er kann nicht entstanden sein, antworten die Gelehrten, denn er ist ja der Schöpfer, er war vor allen Zeiten und Anfängen da. Die christliche Theologe erweitert den Gedanken: Wenn Christus nicht nur Mensch, sondern auch wahrer Gott ist – dann muss auch er vor dem Anfang der Welt schon existiert haben. „Präexistenz“ lautet das Fachwort für diese Unglaublichkeit. Am Beginn des Johannes-Evangeliums wird diese Theorie beschrieben: „Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“, heißt es da. Wobei der Begriff „Wort“ (griechisch: „logos“) ein Synonym für Christus ist (vgl. auch Jesus Sirach 24, 12-14).

Der Anfang von Multikulti

Warum gibt es verschiedene Völker und Sprachen? Im ersten Buch der Bibel findet sich auch dafür eine erklärende Geschichte. Die Menschen von Babel wollten eine neue Stadt bauen, dazu einen gigantischen Turm, dessen Spitze bis in den Himmel reicht. Gott schaute sich das Treiben auf der Baustelle an und dachte nach: Würde den Menschen dieses Vorhaben gelingen, wäre das der Anfang vom Ende: Die Menschen könnten übermütig, gar größenwahnsinnig werden. Was tun? Statt den Bau zu zerstören, „verwirrte“ Gott die Sprache der Menschen, so dass sie sich nicht mehr verstanden, und zerstreute sie in viele Länder, „dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen“. Auf diese Weise entstanden die Kulturen dieser Welt.

Der Anfang der Weisheit

Auch die Weisheit nimmt für sich in Anspruch, schon vor dem Anfang der Welt existiert zu haben. „Der Herr hat mich schon gehabt im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginn her“, sagt sie, „ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war.“ Die Weisheit bezeichnet sich sogar als „Liebling“ Gottes, „ich war seine Lust täglich“. Für Menschen gibt es eine unerlässliche Voraussetzung, um in den Genuss der Weisheit zu kommen: Sie müssen Gott fürchten. "Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang."

Der Anfang aller Laster

Was steht am Anfang aller Laster? Müßiggang, sagt der Volksmund. Der „Sündenfall“, sagt die Bibel: Jene Situation, in der eine Schlange Eva erfolgreich dazu aufforderte, gegen Gottes Gebot zu verstoßen. „Die Sünde nahm ihren Anfang bei einer Frau“, erklärt Jesus Sirach (25,32), „und um ihretwillen müssen wir alle sterben“. Aus diesen Gedanken hat sich eine Jahrtausende währende unselige Skepsis gegenüber der weiblichen Urteilsfähigkeit entwickelt, an deren Ende Eva zur „Mutter der Sünde“ stilisiert wurde. In der restlichen Bibel spielt diese theologische Abwertung der Frau keine große Rolle. Da wird eher der Glaube an falsche Götter zur Wurzel des Verderbens: „Den namenlosen Götzen zu dienen, das ist Anfang, Ursache und Ende alles Bösen.“ (Weisheit 14,12. 27)

Der Anfang vom Ende

Einmal erklärt Jesus seinen Jüngern, welche Zeichen das Ende der Welt einläuten. „Es wird sich ein Volk gegen das andere erheben und ein Königreich gegen das andere“, sagt er und prophezeit Erdbeben und Hungersnöte, Ungerechtigkeit und „falsche Propheten“. Genug Stoff für heutige Untergangsprediger, um Naturkatastrophen und Kriege als Zeichen der Endzeit zu deuten.

Das „A und O“

Das Neue Testament ist in griechischer Sprache verfasst – und in dieser beginnt das Alphabet mit A(lpha) und endet mit O(mega). Dem Seher Johannes nach bezeichnet Gott selbst sich so, um zu zeigen: Er umfasst Anfang bis Ende der Schöpfung, das Erste bis zum Letzten ... einfach alles! Nicht nur das: Gott „sieht alles vom Anfang der Welt bis ans Ende der Welt“.

Uwe Birnstein (aus: evangelisch.de)


Zum Weiterlesen:
Hans Küng, Der Anfang aller Dinge: Naturwissenschaft und Religion, München 2008