Jesus, Gottes Sohn – was soll das bedeuten?

Es gibt so viele Titel für Jesus von Nazareth. Die schönsten bringen sein inniges Verhältnis zu Gott zum Ausdruck

26. Dezember 2015

jesus figuren
Kleine Jesusfiguren in einem Laden in Bethlehem. (Foto: epd-bild/Debbie Hill)

Einmal im Ohr, will es so schnell nicht wieder raus: "Stille Nacht, ­heilige Nacht" – ein sehr altes Weihnachtslied und weltweit verbreitet. Weihnachten ohne "Stille Nacht", das können sich viele gar nicht vorstellen. Dabei geht der Text ziemlich eindeutig mit theologischen Aussagen um und versieht den Säugling in der ­Krippe mit einer besonderen Verwandtschaft. In der dritten Stophe heißt es nämlich: "Stille Nacht, heilige Nacht, Gottes Sohn, oh wie lacht Lieb aus deinem göttlichen Mund..."

Die Vorstellung, der Titel vom Gottessohn ist sehr bedeutsam für den christlichen Glauben, doch nicht in jeder der biblischen Weihnachtsgeschichten hat sie ein gleich großes  Gewicht. Der Evangelist Matthäus zum Beispiel wählt lieber die Formulierung, Maria habe das Kind vom Heiligen Geist empfangen.

Der Himmel spricht

Es war nach der Taufe des erwachsenen Jesus im Jordan, dass eine Stimme aus dem Himmel rief: "Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen" (Markus 1,11). Genau diese Himmelsstimme, in der ­Religionsgeschichte kein ungewöhnliches Phänomen, war möglicherweise der Ursprung aller ähnlichen Erzählungen über Jesus als Sohn Gottes. Es geht hier um eine liebevolle Zuwendung Gottes.

Die Bezeichnung wurde schließlich ein zentrales Bekenntnis im Urchristentum. Und bis heute wird Jesus Christus so genannt. Beim Segen sprechen Christen die Worte: "Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes", und im Apostolischen Glaubensbekenntnis: "Ich glaube an Gott (...) Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn."

Ein besonderes Vertrauensverhältnis

Gottessöhne gab es auch in anderen ­antiken Kulturen. Schon bei Homer ist von den "Söhnen des Zeus" die Rede ("Odyssee" 11,568), Zeus ist der "Vater der Menschen und Götter" (Ilias 1,544). Alexander der Große gilt als Sohn des Ammon. In der römischen Kaiserzeit breitete sich die Vorstellung von den Gottessöhnen über den ganzen Kulturkreis aus. Römische Kaiser schmückten sich mit dem Titel "Divi filius" – Sohn des Göttlichen, Ärzte nannten sich Söhne des Gottes Asklepius. All dies sollte ihre überirdischen Kräfte beziehungsweise ihren Herrschaftsanspruch betonen.

Das christliche Bekenntnis zum Sohn Gottes unterscheidet sich davon deutlich: Es unterstreicht keinen weltlichen Herrschaftsanspruch, sondern dass sich Gott aus Liebe für das Wohl der Menschen einsetzt. Wichtiger als Jesu Ankunft sind seine Kreuzigung und Auferstehung. Erst von hier aus fällt der Blick zurück auf seine Geburt, und erst vor diesem Hintergrund bekommt der Titel "Sohn Gottes" seine ­eigentliche Bedeutung. Er deutet auf ein besonderes Vertrauensverhältnis, eine besondere Nähe zwischen "Vater" und "Sohn". Da spielen geradezu fami­liäre Vorstellungen mit hinein, wie sie auch im Gebet Jesu an seinen "Abba", seinen Vater, deutlich werden. Ein solch inniges Verhältnis zu Gott legte Jesus auch seinen Anhängern nahe. Deshalb lehrte er sie das Vaterunser, das Gebet, das er, der fromme Jude, selber sprach.

Neben diesen familiären Vorstellungen  gab und gibt es viele andere. Im hellenistischen Christentum, dem des griechisch sprechenden Weltreichs, galt Jesus auch als "Abbild" des unsichtbaren Gottes. Der Apos­tel Johannes spricht von einem schon immer existenten, Fleisch gewordenen  "Wort" (Logos). Bei Paulus, dem Autor zahlreicher Briefe, überwiegt das Jesus-Attribut "Herr", ohne dass er dem Titel "Sohn Gottes" seine Bedeutung absprechen würde.  

Jede Zeit findet und formuliert neue Sprachbilder für die Nähe Gottes zu den Menschen. Der Glaube der Menschen entwickelt sich weiter. Der evangelische Theo­loge Wolfgang Huber zum Beispiel prägte – in Anlehnung an Joseph Ratzinger – den Satz: "Jesus bringt den Menschen Gott." Von einer physischen Abstammung Jesu ist hier nicht die Rede. Es ist eine in ihrer Offenheit wunderbare Formulierung, offen für eine Vielzahl neuer Formulierungen, offen für die unterschiedlichsten Anknüpfungspunkte im Leben Jesu.

Eduard Kopp (aus: chrismon)