Zuflucht zwischen Orgel und Altarraum

54 Flüchtlinge leben seit November in einer Oberhausener Kirche

22. Dezember 2015

Flüchtlingsfamilie in Kirche Oberhausen Schmargendorf
Die Flüchtlinge haben sich in der Kirche eingerichtet. (Foto: epd-Bild/Stefan Arend)

Jeden Tag bringt Thomas Drohtler eine Kiste mit Mandarinen in die evangelische Kirche in Oberhausen Schmachtendorf. Dort sind seit Anfang November 54 Flüchtlinge untergebracht. "Die Kinder kennen mich schon, die sagen: 'Da kommt der Opa mit den Mandarinen'", sagt Drohtler. Der Rentner ist einer von zahlreichen
Ehrenamtlichen, die die Flüchtlinge betreuen. Nicht nur um die Vitamine kümmert sich Drohtler, sondern er versucht auch, den Asylsuchenden Wohnungen zu vermitteln.

Gemeindepfarrer Thomas Lewin war überrascht, wie schnell sich Freiwillige fanden, die sich um die Flüchtlinge kümmern wollten. Darunter seien auch Leute, die in der Gemeinde vorher noch nicht in Erscheinung getreten seien. "Innerhalb von 48 Stunden, nachdem die Stadt die Betten aufgebaut hatte, bekamen wir 50 Wolldecken, und 40 Leute tauchten auf, um die Kirche wohnlich zu gestalten", berichtet Levin.

Manche Kritiker helfen inzwischen mit

Noch mehr überraschte die Gemeinde das medialen Interesse an der Flüchtlingsaufnahme. Der evangelische Kirchenkreis Oberhausen ist einer der wenigen seiner Art, der aus Geldmangel keinen Pressereferenten mehr beschäftigt. Eines hätte der Kirchenkreis aber in den vergangenen Wochen mit Sicherheit gebrauchen können: einen Ansprechpartner für die Medien. So müssen die Pfarrer sich selbst mit den zahlreichen journalistischen Anfragen beschäftigen.

Vereinzelt gab es in den Medien auch Berichte über Unfrieden in der Gemeinde im Zusammenhang mit den Flüchtlingen. Dem tritt Superintendent Joachim Deterding jedoch entschieden entgegen: "Es ist eher so, dass uns Leute, die die Aufnahme zuvor kritisch gesehen haben, inzwischen aktiv helfen", berichtet er. Allerdings seien auch
drei Gemeindemitglieder aus Ärger aus der Kirche ausgetreten.

Ärztliche Versorgung gesichert

Auch Berichten, dass die Unterbringungsbedingungen in der Kirche schlecht seien, widerspricht Deterding. "Ich wohne direkt neben der Kirche und habe nichts davon gemerkt, dass die Menschen sich unwohl fühlen", sagt der Superintendent und räumt zugleich ein: "Natürlich ist eine Kirche für so etwas auf Dauer nicht ausgelegt, aber das war ja klar."

Nur mit einer syrischen Familie habe es Probleme gegeben, berichtet der Theologe. Die Familie sei in Syrien offenbar sehr reich gewesen und habe viel Geld an Schlepper bezahlt. "Die Schlepper haben denen gesagt, sie würden in Deutschland eine Villa mit Pool bekommen. Da war natürlich klar, dass sie mit einer Kirche enttäuscht
würden." Inzwischen wurde die Familie aber in eine Wohnung vermittelt.

Mittlerweile wurde in der Kirche ein Heizsystem installiert, so dass das zu Beginn noch sehr kalte Gebäude nun beheizt ist. Auch die ärztliche Versorgung ist gewährleistet  und das besser als in vielen
anderen Flüchtlingsunterkünften: Ein Arzt aus der Gemeinde kümmert
sich ehrenamtlich um die Bewohner.

Kirche wird aufgegeben

Die Menschen haben sich in ihrer ungewöhnlichen Unterkunft zwischen Orgel und Altarraum inzwischen eingerichtet. Ein junger Mann bietet gleich Kaffee an und erzählt, dass er in Syrien als Grafiker gearbeitet hat und nun hofft, in Deutschland einen Job zu finden. Einzig die Essensversorgung durch einen Caterer findet er
gewöhnungsbedürftig. Täglich bringt das Deutsche Rote Kreuz fertig gekochte Speisen in die Kirche. Viele Flüchtlinge würden lieber selber kochen. "Das wird wohl auch gehen", sagt Pfarrer Levin. "Das Gesundheitsamt spricht sich nicht dagegen aus, es ist nur eine Frage der Technik." Auch da sind die Helfer dabei, eine Lösung zu finden.

Den Kindern fällt der Einstieg am leichtesten. Sie haben ihre Spielecke, und den zahlreichen Spielsachen nach zu urteilen haben sie die Kirche und den dazugehörigen Garten bereits als Abenteueroase für sich entdeckt. Auch Kinder aus der Gemeinde kümmern sich um ihre Altersgenossen. Andere Kinder und Jugendliche nehmen sie mit zur Schule oder zum Sport, und Konfirmanden kommen zum Spielen vorbei.

Langfristig will der finanzschwache Kirchenkreis Oberhausen die Schmachtendorfer Kirche aufgeben. Die Unterhaltung des denkmalgeschützten Gebäudes ist zu kostspielig. Als Notquartier für Flüchtlinge soll die Kirche noch bis spätestens Februar genutzt werden.

Carsten Grün (epd)