Klimawandel: "Es geht schon jetzt um Leben und Tod"

Appelle und Bilanzen zum Ende der UN- Klimakonferenz

10. Dezember 2015

Überschwemmungen in Indonesien
Der Klimawandel bewirkt einen Teufelskreis aus Dürre, Überschwemmungen und Bodenerosion. (Foto: Brot für die Welt)

Der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Baden, Jochen Cornelius-Bundschuh, hat eine erste Bilanz zum Klimagipfel in Paris gezogen. Es sei ein "entscheidender Schritt", dass zum ersten Mal über alle Gräben hinweg Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländer zusammenarbeiten, sagte der Landesbischof in Karlsruhe. Während der Klimawandel in Europa noch abstrakt diskutiert werde, sei er in den Ländern des globalen Südens schon Realität: "Bei ihnen geht es schon jetzt um Leben und Tod."

Schon heute seien die Fluchtbewegungen aufgrund von Klimawandel höher als wegen Bürgerkriegen, sagte Cornelius-Bundschuh, der mit einer Delegation der evangelischen und katholischen Kirchen in Baden-Württemberg und Elsass-Lothringen am 5. und 6. Dezember in Paris war. Dort sprach er unter anderem mit dem Leiter der deutschen Verhandlungskommission, Karsten Sach.

Nicht noch mehr Menschen zur Flucht zwingen

Eine stärkere Berücksichtigung grundlegender Menschenrechte bei den Vertragsverhandlungen zu einem neuen Klimaabkommen hat auch die Vizepräsidentin des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Leiterin der Hauptabteilung Ökumene und Auslandsarbeit, Bischöfin Petra Bosse-Huber, anlässlich des Internationalen Tages der Menschenrechte gefordert.

Die fundamentalen Rechte auf Nahrung, Wasser, Wohnung und Land würden durch die derzeitige Klimapolitik vor allem der Industriestaaten bedroht und in zahlreichen Fällen auch jetzt schon verletzt. "Angesichts der aktuellen Krisen in der Welt ist es ein Gebot der Vernunft, dafür zu sorgen, dass nicht noch mehr Menschen zur Flucht gezwungen werden", so Bischöfin Bosse-Huber.

Hoffnung auf ambitionierte Entscheidungen

Mit Blick auf den Abschluss der Verhandlungen in Paris sagte Cornelius-Bundschuh, dass das Erreichen einer möglichst geringen Gradzahl für die Erderwärmung zwar wichtig sei, längerfristig entscheidend sei jedoch die rechtlich bindende Etablierung eines Systems zur Messung und Kontrolle der Emissionen sowie eine konsequente Weiterarbeit. "Wir hoffen dass es zu ambitionierten Entscheidungen kommt und sich alle für das 1,5 Grad-Ziel einsetzen", sagte der evangelische Theologe. 

Dazu wolle die Kirche ihren Beitrag leisten. Die Kirchen hätten eine Vorbildfunktion und trügen mit dafür Verantwortung, dass die Menschen vor Ort umdenken. Wichtig sei es eine entsprechende Dynamik in Gang zu bringen, damit "allen deutlich wird, dass gegen den Klimawandel entschieden gehandelt werden muss", sagte er. Auch die Kirchen stellten sich der eigenen Verantwortung. Die badische Landeskirche will bis 2050 das Ziel erreichen eine "dekarbonisierte Kirche" zu sein.

In Indien würden extreme Wetterereignisse zunehmen, sagte der Umweltbeauftragte der Church of South India, Professor Mathew Koshy, der als einer der "Klimazeugen“ mit der Delegation nach Paris gereist war. Jedes Jahr erlebe Indien Hitzewellen, Kälteeinbrüche, extreme Niederschläge, Dürren und Wirbelstürme, die nicht nur Häuser sondern auch Leben zerstörten. Entschiedenes Handeln auf allen Ebenen sei nötig, forderte der Trinkwasserexperte. Verursacher des Klimawandels müssten ihren Lebenswandel ändern und für Schäden aufkommen, die den Entwicklungsländern dadurch entstanden sind. Zudem forderte er einen Schuldenerlass für arme Länder.

"Beim Klimawandel ist Indonesien Täter und Opfer zugleich"

Auf die ambivalente Rolle von Indonesien verwies der protestantische Pfarrer Diks Sasmanto Pasande aus Sulawesi, Indonesien: "Beim Klimawandel ist Indonesien Täter und Opfer zugleich". Allein auf Borneo würden jedes Jahr 1,3 Millionen Hektar Regenwald gerodet um dann Palmöl zu produzieren. Während in Europa viel über technische Gründe des Klimawandels geredet werde, beinhalte er für Indonesien viele soziale Probleme. Durch Enteignungen und Vertreibungen verlören Menschen ihre Lebensraum und ihre Selbstbestimmung. Korruption verhindere viele Maßnahmen gegen den Klimawandel.

Chile sei durch das Abschmelzen der Gletscher sowie zunehmender Dürre und Trockenheit stark von den Klimaveränderungen betroffen, sagte die chilenische Umweltwissenschaftlerin und evangelische Theologin, Marcia Palma. Dies seien jedoch lösbare Probleme. "Klimawandel hat keine Religion", sagte sie. Daher müssten alle gemeinsam ihre Stimme erheben und auch Taten folgen lassen.

Zur badischen Delegation in Paris gehörten neben dem Landesbischof auch Oberkirchenrat Matthias Kreplin, Akademiedirektorin Uta Engelmann, Umweltbeauftragter André Withöft-Mühlmann, Pfarrer Peter Scherhans vom Entwicklungsdienst , Hans-Joachim Zobel von der Organisation Klimapilgerweg, Annegret Brauch, theologische Mitarbeiterin des Bischofsbüros sowie die „Klimazeugen“ Mathew Koshy, Umweltbeauftragter der Church of Southindia, und Dr. Kiflemariam Gebrewold, seit neun Jahren im Auftrag von „Brot für die Welt“ in Addis Abeba, Äthiopien.

1.500 Kilometer Klimapilgern nach Paris

Ebenfalls zum Klimagipfel angereist waren die Teilnehmer des Pilgerwegs für Klimagerechtigkeit. Unter dem Motto "Geht doch!“ war die Bewegung im September in Flensburg gestartet und hat bis zum Start der UN-Klimakonferenz rund 1.500 Kilometer nach Paris zurückgelegt. Internationaler Start war bereits im Juni am Nordkap. Insgesamt waren knapp 7.000 Menschen auf dem Weg unterwegs – entweder für einen Tag, mehrere Tage oder Wochen bis hin zur ganzen Strecke über drei Monate.

Vor Beginn des Weltklimagipfels hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, anlässlich eines interreligiösen Gebets in Paris an die Kooperationsbereitschaft der Länder im Kampf gegen die Erderwärmung appelliert. "Während einige viele Ressourcen unserer Erde verbrauchen, gehen andere leer aus", sagte er am 28. November in der Basilika St. Denis in Paris. Dies sei eine klaffende "Wunde der Ungerechtigkeit". Bedford-Strohm wies dabei auch auf Zusammenhänge zwischen Klima-Politik und Fluchtbewegungen hin.

Den Weg fortsetzen – "allen Unverantwortlichen und Schwarzmalern zum Trotz“

Die Klimapilger waren in Paris am 27. November mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Kirche Les Billettes empfangen worden. In ihrer Predigt bezeichnete die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, den Klimawandel als nicht nur chemisch-physikalisches oder wirtschaftliches, sondern auch „ein zutiefst menschliches und darin ein zutiefst geistliches Problem“. Gier, Bequemlichkeit, Eigeninteresse, schwache Willenskraft und lähmende Angst vor Veränderung hätten bisher ein Umsteuern verhindert. Doch die bewegende Kraft Gottes, auf die Christen vertrauen, mache immer neu lebendig – „zu verrückter Hoffnung und tatkräftigem Vertrauen, zum mutigen Gebet, zu mutigen Taten und langen Wegen“. Die anwesenden Pilger und Aktivisten ermutigte Kurschus, die auch stellvertretende Vorsitzende des Rates der EKD ist, „allen Unverantwortlichen und Schwarzmalern und Angstmachern zum Trotz“ ihren Weg fortzusetzen.

epd/ekd.de