Annette Kurschus: Militärgewalt ist keine Lösung gegen Terror

Die stellvertretende Ratsvorsitzende der EKD warnt vor einer Spirale der Gewalt

19. November 2015

Stellvertretende Ratsvorsitzende der EKD, Annette Kurschus
Die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Annette Kurschus. (Foto: epd-Bild/Gerd-Matthias Hoeffchen)

Bielefeld (epd). Die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, warnt vor militärischen Reaktionen auf die Anschläge von Paris. Eine Spirale der Gewalt helfe nicht, zu einer Lösung zu kommen, sagte Kurschus dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Bielefeld. Mehr Gewalt werde auch mehr Gewalt erzeugen. Sie befürworte aber alle Maßnahmen, die dem Schutz der Bevölkerung dienen.

Für den Erhalt einer offenen und freien Gesellschaft

Trotz der Terrordrohungen der islamistischen IS-Miliz wirbt Kurschus für den Erhalt einer offenen und freien Gesellschaft. Das mache zwar angreifbar und verletzlich, sagte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen. Dieses Wagnis sei ihr aber lieber, "als dass wir eine überwachte Gesellschaft werden".

Die 52-jährige Theologin wandte sich gegen eine Begrenzung der Flüchtlingsaufnahme. "Bei welcher Zahl sollten wir einen Stopp machen?", sagte sie. Die Flüchtlinge dürften zudem nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden.

Durch die anhaltende Flüchtlingszuwanderung wird sich die deutsche Gesellschaft nach Einschätzung der Präses verändern: "Wir werden eine stärker gemischte Gesellschaft werden, in der Fremde selbstverständlich dazugehören", sagte sie.

"Unsere Kirche wird vielleicht kleiner, aber selbstgewisser"

Auch der Islam werde "in Deutschland ein Zuhause finden, weil ganz einfach viele Muslime hier leben". Es liege womöglich auch eine Chance in dem Umstand, dass das Christentum auch in Deutschland eine von mehreren Religionen sei: "Unsere Kirche wird vielleicht kleiner, aber selbstgewisser."

Für unaufgebbar hält Kurschus bei allen Veränderungen die im Grundgesetz verankerte Unantastbarkeit der Würde jedes Menschen. "Ein hohes Gut unseres christlichen Abendlandes ist auch die Mündigkeit jedes Menschen, das Recht auf Bildung", betonte die stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende. "Jeder soll sich eine eigene Meinung bilden und Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen können."

Ingo Lehnick und Holger Spierig (epd)

19. November 2015