"Das Wort Krieg sollte man in der gegenwärtigen Situation nicht gebrauchen"

Der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm mahnt zur Besonnenheit nach den Anschlägen von Paris

16. November 2015

EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm. (Foto: epd-Bild/Christian Ditsch)

Köln (epd). Die Terroranschläge von Paris dürfen nach Ansicht der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nicht für einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik instrumentalisiert werden. "Paris ändert nicht alles", sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm im NDR Info-Radio. Die Flüchtlinge aus Syrien oder dem Irak seien genau vor diesen Schrecken geflohen. Deswegen könne die Konsequenz aus den Anschlägen nicht sein, ihnen gegenüber härter zu begegnen. Die Kirchen werben laut Bedford-Strohm mit Nachdruck dafür, dass der Mensch in der Diskussion im Mittelpunkt stehe. Empathie müsse der Grundton aller Debatten sein. Das sei mit dem christlichen Glauben untrennbar verknüpft.

Nach den Terroranschlägen in der französischen Hauptstadt mit mehr als 130 Toten war in Deutschland eine Debatte über den Kurs in der Flüchtlingspolitik entbrannt. Unter anderem hatte Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) verlangt, die Zeit unkontrollierter Zuwanderung könne so nicht weitergehen. "Paris ändert alles", sagte er.

"Worte können vergiften"

Am Wochenende nach den Anschlägen hatte der EKD-Ratsvorsitzende die Politik zur Besonnenheit aufgerufen. "Das Wort Krieg sollte man in der gegenwärtigen Situation nicht gebrauchen" , sagte der Theologe am Abend des 14. November in einer ARD-Sondersendung von "Hart aber fair": "Worte können vergiften." Wer über das Thema rede, habe eine große Verantwortung, sagte Bedford-Strohm. Am 14. Novemberg hatte der französische Staatspräsident Francois Hollande erklärt, sein Land stehe im Krieg. Papst Franziskus hatte gesagt, "eine Art dritter Weltkrieg" sei im Gang.

Zugleich warnte Bedford-Strohm vor einer militärischen Eskalation: "Wir müssen aufpassen, dass wir die Möglichkeiten militärischer Gewalt nicht überschätzen." Wichtig sei eine erfolgreiche Diplomatie, um die Unterstützung der Terrororganisation "Islamischer Staat" und Waffenlieferungen zu stoppen. Er hoffe auf einen Erfolg der Syrien-Gespräche in Wien. Der "Islamische Staat" hatte sich im Internet zu den Anschlägen von Paris mit fast 130 Toten bekannt.

Aufruf zu interreligiöser Verständigung

Dem Radiosender Antenne Bayern sagte der Ratsvorsitzende am 15. November: "Wer immer diese Terroristen waren, sie wollen Angst verbreiten und Hass säen, aber das wird ihnen nicht gelingen." Der bayerische Landesbischof rief zu interreligiöser Verständigung auf, um den Fanatikern den Boden zu entziehen. Dann werde der Wille zum friedlichen Zusammenleben stärker sein als alle Versuche, Hass und Gewalt zu säen.

Der Publizist Michel Friedman forderte ebenfalls in der ARD-Sendung "Hart aber fair", die Unterstützer des IS-Terrors in den Blick zu nehmen. Deutschland müsse sein Verhalten gegenüber Katar, Saudi-Arabien und Iran überdenken, sagte der frühere stellvertretende Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Gegenüber dem IS-Terror erwarte er von der Politik eine harten Linie: "Wenn wir jetzt nachgeben, heißt das, dass man mit einem Minimum an Gewalt ein Maximum erreichen kann." Was in Paris passiert sei, hätte auch in Berlin passieren können.

Die deutsch-syrische Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor warnte vor Pauschalurteilen gegen islamische Gläubige. "Auch Muslime stehen in der Gesellschaft für Freiheit." Den Tätern von Paris sei es egal gewesen, welchen Glauben ihre Opfer hätten. Der ARD-Terrorexperte Holger Schmidt sagte, für die Terroristen des IS sei jeder ein Ungläubiger, der ihre Ideologie nicht teile.

epd/ekd.de