Moderieren und Position beziehen

Von Heinemann bis Schwaetzer – die Präsides der EKD-Synode haben vielfältige Qualitäten bewiesen

5. November 2015

Präsidium der EKD-Synode nach der Wahl in Würzburg 2015
Präses Irmgard Schwaetzer (M.) mit ihren Stellvertretern Elke König (li.) und Klaus Eberl (re.) (Foto: epd-Bild/Hanno Gutmann)

Als ehemalige Bundesbauministerin kennt Irmgard Schwaetzer das politische Geschäft. Dazu gehört auch das Setzen von Statements. Im Vorfeld der Herbstsynode der EKD stellte sich die Präses hinter die Linie der Bundeskanzlerin in der Flüchtlingspolitik. Deutschland müsse die Grenzen offenhalten, sagte Schwaetzer, die für die FDP 22 Jahre lang im Bundestag saß. Sie drängte die Politik aber auch, endlich zu praktischen Lösungen zu kommen. Hier könne man momentan eher ernüchtert sein, so Schwaetzer.

Mit der politischen Einmischung steht Irmgard Schwaetzer in der Tradition ihrer Vorgänger. Schon der erste Präses der EKD-Synode, Gustav Heinemann, widersprach entschieden der Auffassung, dass Religion Privatsache sei. Kirche solle zu wichtigen politischen und gesellschaftlichen Fragen vom Evangelium her Stellung beziehen, ohne sich politisch von der einen oder anderen Seite vereinnahmen zu lassen.

Bewegter Werdegang

Der Jurist Heinemann, der ab 1933 Mitglied der Bekennenden Kirche war, gehörte nach Kriegsende zu den prägenden Figuren im Protestantismus und der Innenpolitik. Sein Werdegang war bewegt. Zunächst Christdemokrat, war Heinemann Innenminister der ersten Regierung Adenauer. Nach seinem Rücktritt aus Protest gegen die damalige Außen- und Verteidigungspolitik war er Mitbegründer der Gesamtdeutschen Volkspartei und stieß 1957 zur SPD. In der ersten Großen Koalition wurde er Bundesjustizminister und 1969 zum ersten sozialdemokratischen Bundespräsidenten gewählt. 1949 wurde er Präses der ersten EKD-Synode. Seine Wiederwahl 1955 scheiterte. Heinemann blieb aber bis 1967 Mitglied des Rates der EKD.

Auch Jürgen Schmude war Bundesminister der SPD, ehe er 1985 zum Präses gewählt wurde. 18 Jahre lang leitete er das Gremium – ein unangefochtener Rekord. Er moderierte das Kirchenparlament souverän, mit sprödem Humor und einem Schuss Ironie, an manchen Zerreißproben und Untiefen vorbei. Natürlich beherrschte er die Kunst der Taktik, Machtspiele aber waren ihm eher fremd. Schmudes Leitungsstil in der Synode verglich der ehemalige hessen-nassauische Kirchenpräsident Peter Steinacker mit einem afrikanischen Hirten: "Europäische Hirten gehen ihren Tieren voran. Afrikanische laufen der Herde hinterher – die Tiere wissen schon, wo der Hirte hinwill."

Engagiert bei der Wiedervereinigung

„Schmude ist ein schmaler, hochgewachsener Mann, der durch seine liebenswürdige Korrektheit Vertrauen einflößt", notierte die DDR-Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley. Im Prozess der Wiedervereinigung der EKD nach 1990 nahm Schmude eine Schlüsselrolle ein. Ganz unspektakulär und abseits öffentlichkeitswirksamer Auftritte engagiert er sich mit seiner Frau für kirchliche Partnerschaften zwischen Ost und West.

Lange war das herausgehobene Präsesamt an der Spitze der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) eine Männer- und Juristendomäne. Zwischen Heinemann und Schmude amtierten der Freiburger Nationalökonomen Constantin von Dietze (1955-61), der Richter und Ministerialrat Hans Puttfarcken aus Düsseldorf (1961-70), der Tübinger Rechtswissenschaftler Ludwig Raiser (1970-73) und Cornelius von Heyl (1973-85) aus Worms, ebenfalls Jurist.

2003 rückte mit Barbara Rinke erstmals eine Frau an die Spitze der EKD-Synode. Die Ostdeutsche setzte sich im zweiten Wahlgang gegen den CDU-Bundestagsabgeordneten und heutigen Minister Hermann Gröhe durch. Die sozialdemokratische Kommunalpolitikerin, die auch Präsidentin des Stuttgarter Kirchentages 1999 war, leitete das Kirchenparlament sechs Jahre lang.

Ihr folgte die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt. Nach der Nominierung zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2013 ließ sie das kirchliche Leitungsamt ab November 2012 ruhen. Nach der Wahl verzichtete sie ganz und entschied sie sich für die Politik. Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, gehört als berufendes Mitglied auch der aktuellen Synode an.

Als im November 2013 bei der Wahl weder Günther Beckstein, stellvertretender Präses und früherer bayerischer Ministerpräsident, noch seine Gegenkandidatin Brigitte Boehme aus Bremen die nötige Mehrheit fanden, sprang Irmgard Schwaetzer ein und wurde für die verbleibende Legislatur der Synode zur Präses gewählt. Nach der Konstituierung der neuen Synode im Mai 2015 bestätigten die Delegierten sie im Amt. Damit ist Irmgard Schwaetzer das erste Mitglied des neuen Rates der EKD, das bereits feststeht. Die übrigen 14 werden von der Synode am 10. November gewählt.

Jörg Echtler (mit Material von epd