Luther ohne Heiligenschein
Saniertes Lutherhaus in Eisenach eröffnet mit neuer Dauerausstellung
26. September 2015
Eisenach (epd). Das jüngste Exponat ist noch in Arbeit. Doch in der neuen Ausstellung des Eisenacher Lutherhauses, das nach zwei Jahren Umbau und Erweiterung am 26. September feierlich wiedereröffnet wird, ist die "Revision 2017" der Lutherbibel schon jetzt präsent: An einer Multimedia-Station gibt der Thüringer Altbischof Christoph Kähler geduldig Auskunft über die von ihm geleitete Überarbeitung des Bibeltextes, der Ende 2016 als Buch vorliegen soll und zum 500. Jubiläum der Reformation für die evangelischen Kirchen verbindlich wird.
"Luther und die Bibel" heißt die nunmehr vierte Dauerausstellung im Lutherhaus, das als Museum bereits seit 1956 in "Luthers lieber Stadt" an den Reformator erinnert. Dass der junge Martin Luther (1483-1546) einst als Lateinschüler tatsächlich in dem stattlichen Gebäude aus dem 14. Jahrhundert lebte, ist unter Fachleuten umstritten. "Zumindest aber gehörte es der wohlhabenden Patrizierfamilie Cotta, die sich um den Lateinschüler aus Eisleben kümmerte", sagt Museumsleiter und Kurator Jochen Birkenmeier.
Von Cranach bis Playmobil
Mit den Bauarbeiten der vergangenen Jahre ist in eines der ältesten Häuser Eisenachs und Thüringens moderne Museumsatmosphäre eingezogen. Der seitliche gläserne Anbau mit Ticketkasse, Museumsshop und viel Platz für Sonderausstellungen ermöglicht zudem in einem lichten Treppenhaus den barrierefreien Zugang in den historischen Fachwerkbau. Dort erschließt sich das Thema in großzügig bestückten Vitrinen.
Interessante Kleinigkeiten
Birkenmeier hat vor seinem Wechsel nach Eisenach in Eisleben die neue Ausstellung in Luthers Sterbehaus gestaltet. Das damalige Anliegen eines möglichst niederschwelligen Zugangs zum Thema bestimmt auch den neuen Rundgang am Eisenacher Lutherplatz. Dabei sind es oft Kleinigkeiten, die beinah beiläufig auf größere Zusammenhänge verweisen. Etwa die Gegenüberstellung von Abendmahlsgerät aus der Zeit vor und nach 1517: Mit der Reformation wurden die Abendmahlskelche größer, weil beim Abendmahl nach dem Brot der Wein auch für die Gemeinde reichen musste.
"Unser Museum soll wissenschaftlichen Kriterien ebenso gerecht werden wie den Besuchererwartungen an eine kulturgeschichtliche Ausstellung zur Reformationszeit und ihren Folgen", resümiert Birkenmeier. Bei der Darstellung zu Luthers Biografie und zum theologischen Hintergrund seiner Bibelübersetzung wird auch auf frühere Übertragungen verwiesen. Ein weiterer Aspekt ist die Wirkungsgeschichte der Lutherbibel in Musik, Sprache und Literatur.
Blick auf NS-Zeit
"Im 18. Jahrhundert wurde die Bibel zur Massenware", sagt Birkenmeier und verweist auf die 1710 in Halle gegründete Cansteinsche Bibelanstalt. Erstmals kommt im neuen Rundgang das antisemitische "Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben" in den Blick, das die systemnahen "Deutschen Christen" in der NS-Zeit in der Eisenacher Bornstraße etablierten. Die "entjudete Bibel" sei "ein krasses Beispiel für eine fehlgeleitete 'Revision' des Bibeltextes", betont Birkenmeier.
Für die vor zwei Jahren gegründete Stiftung Lutherhaus Eisenach als Trägerin ist das neue Museum ein wichtiger Meilenstein für das große Reformationsjubiläum in zwei Jahren. Um den bis zu 100.000 erwarteten Besuchern ein modernes Haus mit einer zeitgemäßen Präsentation bieten zu können, wurden rund vier Millionen Euro investiert. Dazu gehören auch die Ausgaben für moderne Sicherungstechnik, die Vorgänge wie den Diebstahl von Lutherschriften vor zwei Jahren künftig verhindern soll. Die drei gestohlenen Originaldrucke aus dem 16. Jahrhundert sind noch immer verschwunden – die Ermittlungen ohne Ergebnis eingestellt.
Thomas Bickelhaupt (epd)