"Luther" aus 3.000 Kehlen

Komponist Dieter Falk spricht über sein Pop-Oratorium, das am Reformationstag Premiere hat

18. September 2015

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Sängerinnen und Sänger aus ganz Deutschland stehen in Dortmund auf der Bühne. (Bild: Stiftung Creative Kirche)

Das Pop-Oratorium "Luther" wird am Reformationstag 2015 uraufgeführt. Worum geht es?

Dieter Falk: Wir erzählen die Geschichte von Martin Luther, der 1521 vor dem Reichstag von Worms aufgefordert wurde, seine kirchenkritischen Aussagen zu widerrufen. Im Mittelpunkt stehen Luthers Ringen um die biblische Wahrheit und sein Kampf gegen Obrigkeit und Kirche. Es ist eine Geschichte über Reformation und Politik wie auch über Martin Luthers Gedankenwelt. Wenn ich die Geschichte mit einer Überschrift versehen müsste, würde ich den Titel eines der zentralen Lieder aus dem Stück nehmen: "Selber denken". Der Einzelne unterstellte sich nicht mehr einer fragwürdig gewordenen Tradition und Autorität, sondern lehnte sich auf und formulierte seine Vorstellungen selbst.  Hätte Johannes Gutenberg zuvor nicht den Buchdruck erfunden, hätte Luther wohl nicht die Bedeutung erlangt, die er heute hat. Er ist einer, der die Medien und die Welt verändert hat. Nur durch den Buchdruck sind seine Gedanken multipliziert worden. Deswegen heißt ein Lied auch "Multiplikation". Die Möglichkeit, dass seine Schriften tausendfach verbreitet werden konnten, ließen ihn zum Volkshelden werden, der er gar nicht sein wollte.

Was macht das Projekt aus?

Falk: Am Reformationstag 2015 bringen wir auf der Bühne der Westfalenhalle in Dortmund 3000 Menschen in einem Riesen-Chor zusammen. Sie mussten wir für die Person Martin Luther gewinnen, der aber auch seine Ecken und Kanten hatte - vor allem in späteren Lebensjahren mit seinen antisemitischen Äußerungen. Die Menschen haben uns für die Teilnahme am Pop-Oratorium regelrecht die Bude eingerannt. Neben vielen Einzelsängern nehmen evangelische Chöre, aber auch Schul- und Jugendchöre oder Männergesangsvereine teil. Ein Viertel der Sängerinnen und Sänger ist katholisch. Das zwölfköpfige Solisten-Ensemble wird von diesem starken Chor, Band und Sinfonie-Orchester unterstützt. So entsteht ein großes Konzert mit Tanz und Bühnengeschehen. In Dortmund also ist am 31. Oktober 2015 der Kick-off für die Tournee, die im Jubiläumsjahr 2017 ab Januar in neun große Hallen von München über Hannover bis Hamburg kommen wird. Die Sängerinnen und Sänger kommen jeweils aus der entsprechenden Region. Das große Finale findet am 29. Oktober 2017, am Samstag vor dem Reformationstag im Jubiläumsjahr, in Berlin statt.

Wer kann mitmachen?

Falk: Jeder kann mitmachen! Wir haben 800 Einzelsängerinnen und Sänger, die nicht in Chören singen. Viele haben zuvor noch nie eine Note gelesen. Deswegen gibt es Hörvorlagen für alle Stimmen, damit nach Gehör geübt werden kann. Viele hören die Lieder im Auto hoch und runter. Luthers Anliegen, nämlich seine Botschaft und auch Musik unters Volk zu bringen, passt super mit unserem großen Chor zusammen. Er wollte, dass wieder Musik in die Kirchen kommt und zwar in deutscher Sprache. Der Reformator war einer der ersten, der Pop in die Kirche gebracht hat: Denn Volkslieder sind populäre Lieder und populäre Lieder sind Pop-Songs. Wenn er zu seiner Zeit Volkslieder als Material, etwa für "Ein feste Burg" oder "Vom Himmel hoch", genutzt hat, ist das nichts anderes, als was wir auch heute tun. Wir machen Pop-Musik von Rock, Jazz, Klassik bis Gospel. Wer bei uns mitmachen will, kann sich dafür anmelden. Das geschieht in Zusammenarbeit mit der jeweiligen Landeskirche.

Spielt  Kirchenmusik eine Rolle?

Falk: Ja klar. Wir haben Choräle von ihm übernommen. "Ein feste Burg" ist dabei. Nur heißt der Titel bei uns anders: "Luthers Hammerschläge". Auch wird es Originaltexte von ihm geben und eine musikalische Adaption seiner der Überlieferung nach von ihm geschriebenen Melodien.

Wie viel Zeit sollte ein Chor für das Üben einplanen?

Falk: Die Chorteile sind eingängig und nicht so schwer. Ein Chor schafft das parallel in einem halben Jahr Probezeit, neben seinem normalen Programm von Konzerten, Aufführungen und Gottesdiensten.

Was sind die Höhepunkte und die Herausforderungen?

Falk: Im Zentrum stehen das gemeinschaftliche Erlebnis während des Pop-Oratoriums und natürlich die Frage "Wer ist Martin Luther?" Musikalische Höhepunkte sind für mich "Selber Denken", "Luthers Hammerschläge", "Hier steh ich Amen" und sicher auch das Lied "Wir sind Gottes Kinder". Die eigentliche Herausforderung ist aber vor allem eine technische und organisatorische. Gerade schreibe ich Noten für das Orchester und für die Band. Die Solisten üben gerade. Mein jüngerer Sohn, der 18-jährige Paul, spielt den Kaiser Karl, der zu seiner Zeit auch jung war. Der übt auch.

Wozu will das Pop-Oratorium ermutigen?

Falk: Luthers "Selber denken" brachte umfangreiche Veränderungen in der Gesellschaft, in Ehe und Familie, in Bildung, Wissenschaft, Kunst und Musik. Zu sagen, ich bin meinem Gewissen verantwortlich und nicht dem des Fürsten oder des Papstes oder des Kaisers, das ist mutig, davor habe ich Respekt. Eine Botschaft ist sicherlich  auch politisch zu sehen: Wenn sich Protestanten und Katholiken zusammen auf die Bühne stellen und singen "Wir sind Gottes Kinder, keiner ist allein", dann bezieht sich das auch auf die  aktuelle Flüchtlingsdebatte. Das aber wussten wir noch nicht, als wir das Stück geschrieben haben.

evangelisch.de (Fragen: Markus Bechtold)


Dieter Falk, geboren 1959, ist Komponist, Keyboarder, Arrangeur und Musikproduzent, unter anderem für Marshall & Alexander, Patricia Kaas, Nazareth oder Nana Mouskouri. Er wurde fünfmal für den Echo-Schallplattenpreis als Produzent nominiert. Zusammen mit Michael Kunze verfasste er die Pop-Oratorien "Die 10 Gebote" (2010) und "Moses" (2012). Seit mehreren Jahren tritt er auch zusammen mit seinen zwei Söhnen auf. Die CD "Falk&Sons celebrate Bach" wurde 2012 mit dem Jazz-Award ausgezeichnet.