Von Sachsen nach Sizilien

Landesbischof Bohl geht in den Ruhestand, Carsten Rentzing übernimmt das Amt

29. August 2015

bohl rentzing
Sachsen hat einen neuen evangelischen Landesbischof: Carsten Rentzing (li.) folgt auf Jochen Bohl. (Foto: epd-bild/Matthias Rietschel)

Dresden (epd). "Ich sehe mich als reich beschenkten Menschen", sagt Sachsens scheidender Landesbischof Jochen Bohl. Sein Amt sei "mit einem ganz erstaunlichen Privileg verbunden, dass man nämlich sehr viele, sehr große festliche Gottesdienste feiern darf". Vor 41 Jahren ist der gebürtige Westfale in den kirchlichen Dienst getreten. 2004 wurde er Landesbischof in Sachsen. "Für mich geht eine lange intensive Zeit zu Ende", sagt Bohl. Am 29. August wird der 65-Jährige feierlich verabschiedet. Zugleich soll in der Dresdner Kreuzkirche Carsten Rentzing (47) als Nachfolger eingeführt werden.

Jochen Bohl wurde als siebter Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens seit der neuen Kirchenordnung von 1922 gewählt. In seine Amtszeit fallen mehrere Großereignisse - etwa die Weihe der Dresdner Frauenkirche nach dem Wiederaufbau 2005 oder vor vier Jahren der Deutsche Evangelische Kirchentag in der Landeshauptstadt. Diese fünf Tage 2011 seien "in vielerlei Hinsicht ein Glücksfall" gewesen, erinnert sich Bohl. "Es ist ein Fest des Glaubens geworden, wie wir es uns erhofft haben."

Wenn eine große Gemeinde zusammenkommt und gemeinsam singt, bekennt und musiziert: Das sei etwas Großartiges, sagt der Bischof, der zuvor viele Jahre Direktor der Diakonie Sachsen war. Seit 2009 gehört er dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an und ist seit 2010 dessen stellvertretender Vorsitzender – noch bis November.

Kirchenführung für Barack Obama

Gern erinnert sich Bohl an den Besuch des US-Präsidenten Barack Obama in der Frauenkirche. Er hatte Obama bei dessen Kurzbesuch in Dresden 2009 durch das prächtige Gotteshaus geführt. Es sei vor allem "eine menschlich angenehme Begegnung" gewesen. Der Präsident habe im persönlichen Umgang etwas herzlich Direktes gehabt.

Größten Mut musste der frühere Hobby-Fußballer fern der Heimat auf einer Dienstreise in Papua-Neuguinea aufbringen. Dort sollte der Bischof vor den Augen mehrerer tausend Menschen eine Schlucht auf einer Lianenbrücke überwinden. Eine Querung aus Schlingpflanzen – das sei schon sehr wacklig gewesen, erinnert sich Bohl.

Schrumpfende Kirchen als Herausforderung

Seine größte Herausforderung lag und liegt aber vor Ort: das Schrumpfen der Kirche. "Wir haben viele Menschen verloren", sagt Bohl. Dieser Prozess setze sich fort und sei eine schwierige Aufgabe für jeden in der Kirche – für die Gemeindeglieder, die Kirchenvorstände und die Pfarrer. In der Oberlausitz habe ein Mann zu ihm gesagt: "Wir haben hier seit 500 Jahren unseren Pfarrer, und jetzt kommen Sie und nehmen uns den weg." Das seien Erlebnisse, die unter die Haut gingen.

Emotional stark bewegt hat Bohl auch die anstrengende Debatte um die Öffnung sächsischer Pfarrhäuser für homosexuelle Paare. Zwischenzeitlich war die Diskussion zwischen konservativen und liberalen Gemeindemitgliedern verhärtet. Das Thema wurde auch kontrovers in der Landessynode diskutiert. Rückblickend sagt der Bischof: In der Breite sei etwas in Gang gekommen, man rede miteinander in Respekt und Aufrichtigkeit – das sei nicht immer so gewesen.

Jetzt wolle er erst einmal Abstand schaffen, sagt Bohl, auch räumlich, um in die neue Lebensphase einzutreten. Am ersten Tag seines Ruhestandes macht er sich zu Fuß auf den Weg in Richtung Sizilien. Wanderschuhe und Rucksack stehen bereit. Sein Vorbild ist Johann Gottfried Seume, der vor mehr als 200 Jahren vom sächsischen Grimma aus einen "Spaziergang nach Syrakus" machte und darüber ein Buch geschrieben hat. Ein Zeitlimit habe er sich nicht gesetzt. Bohl sagte nur: "Den Ruhestand empfinde ich als tiefen Einschnitt. Wenn ich wiederkomme, wird hoffentlich der Kopf frei sein."

Übergang von liberalem zum konservativem Bischof

Mit dem Übergang von Jochen Bohl zu Carsten Rentzing wird mehr als nur ein Generationswechsel vollzogen: Bohls Stellungnahmen zu kirchlichen und gesellschaftlichen Fragen waren von liberaler Haltung geprägt. Rentzing hat sich bisher deutlich im theologisch konservativen Spektrum positioniert, etwa im Streit um die Frage, ob schwule und lesbische Theologen gemeinsam mit ihren Partnern im Pfarrhaus leben dürfen. Nun rückt der Gemeindepfarrer aus dem Vogtland an die Spitze aller sächsischen Protestanten.

Am 31. Mai hat ihn die Synode, der er seit 2008 auch selbst angehört, zum Bischof gewählt. Das Ergebnis fiel erst im sechsten Wahlgang äußerst knapp mit 40 von 78 Stimmen. Der 47-jährige gilt als theologisch konservativ. Er wolle "Dinge, die wir von den Vorfahren ererbt haben, nicht so ohne weiteres über Bord werfen", sagte er. In Sachsen hat er sich als Vertreter der "Bekenntnisinitiative" in der kontrovers geführten Debatte deutlich gegen gleichgeschlechtliche Paare in Pfarrhäusern ausgesprochen, weil es seiner Ansicht nach der Bibel widerspreche. Nach seiner Wahl kündigte er an, auf innerkirchliche Kommunikation zu setzen. Er wolle auch für "die, die skeptisch sind", Bischof sein, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Ich vertrete nicht nur einen Teil der Kirche." Rentzing gehörte von 2009 bis zu seiner Amtseinführung auch der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an. Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

Katharina Rögner (epd)/ekd.de