Museum für den "Urkantor" der evangelischen Kirche geplant

Torgau will bis 2017 eine Dauerausstellung zu Johann Walter einrichten

26. August 2015

urkantor
Martin Luthers Lied "'Ein feste Burg ist unser Gott" in einer eigenhändigen Niederschrift von Johann Walter. (Bild: epd-bild/akg-images).

Torgau (epd). Torgau rühmt sich gern als ein Zentrum der Reformation – schließlich war Schloss Hartenfels als Sitz der Kurfürsten Ende des 16. Jahrhunderts Drehkreuz für die politische Verbreitung der Lehren Martin Luthers (1483-1546). Doch die nordsächsische Stadt prägte die Reformation in ihren frühen Jahren auch kulturell: Hier wirkte Johann Walter, der als "Urkantor" der evangelischen Kirche gilt und bereits 1525 mit Luther gemeinsam eine neue Ordnung des Gottesdienstes entwickelte. Ihm will die Stadt nun ein Museum widmen.

Es soll die erste Dauerausstellung werden, die sich ausführlich mit dem Komponisten und Musiker Johann Walter beschäftigt. Pünktlich zum 500. Jubiläum der Reformation im Jahr 2017 soll es nach Willen der Stadt öffnen. Erste inhaltliche Konzeptionen wurden bereits angestoßen, auch die Sanierung des für das Museum vorgesehenen Hauses schreite gut voran, sagt der städtische Kulturreferent Michael Reiniger, bei dem die Pläne zusammenlaufen.

Das Evangelium musikalisch verbreiten

Untergebracht wird das Museum in einem ehemaligen Wohnhaus des Theologen und Sekretärs Georg Spalatin (1484-1546), der aufgrund seiner guten Verbindung zwischen Luther und den sächsischen Kurfürsten auch als "Steuermann der Reformation" bezeichnet wird. Auch sein Wirken bekommt einen Platz in dem historischen Priesterhaus.

Johann Walter wurde 1496 im thüringischen Kahla geboren und gelangte 1520 als Sänger in die kursächsische Hofkantorei von Friedrich dem Weisen nach Torgau. 1524 erschien erstmals sein "Geistliches Gesangbüchlein". "Walter hatte einen großen Einfluss auf die deutsche Messe", sagt Reiniger. Mit ihm zusammen habe Luther seine Vorstellung umgesetzt, dass das Evangelium auch im gemeinsamen Musizieren verbreitet werden soll.

Walter brachte Laien und Kirchenmusiker zusammen

Die Besonderheit in Walters Wirken liegt in der Leitung der von ihm um 1527 gegründeten Stadtkantorei – der ersten überhaupt. Bürger sangen gemeinsam mit Chorschülern, die "Trennung zwischen Laien und Kirchenangehörigen" sei damit aufgebrochen worden, meint Reiniger. Höhepunkt für die Kantorei war wohl 1544 die Einweihung der neuen Schlosskirche, des ersten evangelischen Kirchenbaus. Dabei kam eine eigens dafür komponierte Motette Walters zur Aufführung.

Doch der Schwerpunkt in Walters Vokalwerken lag zunächst nicht auf kunstvoll ausgearbeiteten Motetten oder Messen. Vielmehr schuf er zahlreiche einfache Sätze, in denen die Melodie zumeist von vier gleichberechtigten Stimmen geführt wurde. Luther wollte, dass die Gemeinde den Gottesdienst in Text, Liturgie und Musik verstehen kann. Gemeinsam mit Walter entstanden so volkstümliche Melodien mit geistlichen Texten, die einfach und eingängig waren.

Die Musik Walters soll natürlich auch in dem neuen Museum einen zentralen Platz einnehmen. An Audiostationen werden sich Besucher die Werke anhören und sich vielleicht auch selbst an Kompositionen versuchen können, erklärt Museologin Stefanie Molnar. Eine moderne Ausstellung soll es werden, die gleichermaßen Schulklassen wie Musikkenner anspricht. Fest eingeplant sei schon ein Einführungsfilm, der die hinter Walters Werken stehende Musiktheorie erkläre.

Porträt des Urkantors weiter verschollen

Bei den Exponaten wird die Stadt in großer Zahl auf Reproduktionen zurückgreifen müssen, Originale aus Archiven wird es nur wenige geben. Und auch auf ein besonderes Stück muss wohl verzichtet werden: Viele Jahrhunderte beherbergte Torgau ein Porträt Walters. Doch das Bild ist spätestens seit Mitte des 20. Jahrhunderts verschollen, vermutlich wurde es aus einer Schule gestohlen.

"Alle Welt sucht nach diesem Bild", sagt die Musikhistorikerin Christa Maria Richter. Es wird vermutet, dass das Bild aus der Cranach-Werkstatt stammt und damit von großem Wert ist. Hinweise gibt es auch auf die Gestaltung, so Richter. Dargestellt werde ein Mann mit Schriftrolle, dem die Sehschwäche - wie Walter sie hatte - anzusehen war. Doch ob das Bild im Ausland ist, oder irgendwo in einem Torgauer Wohnzimmer hängt, kann niemand sagen. So wird der "Urkantor" den Menschen vorerst wohl weiter nicht durch sein Bild, sondern nur durch seine Musik in den Köpfen bleiben.

Luise Poschmann (epd)