Zuflucht für Flüchtlinge im alten Pfarrhaus

Evangelische Kirchengemeinde in Bergisch-Gladbach nimmt bosnische Familie auf

18. August 2015

Flüchtlingsfamilie aus Bosnien im Pfarrgarten Bergisch Gladbach
Vater Ilanovic (Name geändert) mit seinen fünf Kindern im Garten des alten Pfarrhauses der evangelischen Gemeinde Bergisch Gladbach. (Foto: epd-bild/Jörn Neumann)

Bergisch Gladbach (epd). Sie haben den Weg nach Deutschland geschafft. Seit Dezember wohnt Familie Ilanovic (alle Namen der Familie geändert) aus Bosnien in Bergisch Gladbach. Die Eltern Ana und Harun haben mit fünf Kindern Glück gehabt: Denn sie wohnen nicht in einer großen städtischen Unterkunft wie dem umgebauten einstigen Verlagshaus mit 130 weiteren Flüchtlingen. Sie haben in der evangelischen Kirchengemeinde eine Wohnung an der Gnadenkirche gefunden und warten dort auf die Entscheidung über ihren Antrag auf Asyl.

Im Erdgeschoss des alten Pfarrhauses bewohnt die Familie zwei Zimmer und teilt sich Dusche und Kochnische mit einem weiteren Flüchtlingspaar. Pfarrer Thomas Werner hat dafür sein Büro in den ersten Stock verlegt. "Wir sind als Gemeinde auf die Stadt zugegangen und haben die ganzen 330 Quadratmeter des ansonsten leerstehenden Pfarrhauses angeboten", sagt er. Dass nun doch nur das Erdgeschoss bewohnt wird, liegt an den Brandschutzauflagen.

Die Stimmung in Gemeinde und Nachbarschaft ist positiv

Der Pfarrer kritisiert die Zurückhaltung in anderen Gemeinden: "Im Raum der Kirche gäbe es noch viel mehr Möglichkeiten für die Flüchtlingsunterbringung", sagt Werner. Doch oft würden Konflikte befürchtet. Dabei sei die Stimmung in seiner Gemeinde und in der Nachbarschaft positiv, sagt Werner. Ehrenamtliches Engagement und Spenden kämen in großen Mengen. Er begrüßt diese Hilfe – so wie der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski. "Indem wir Männern, Frauen und Kinder, die auf der Flucht sind, bei uns Raum geben, erfüllen wir, was Gott uns nach biblischer Überlieferung als Auftrag gegeben hat", betont Rekowski.

Im alten Pfarrhaus ist Familie Ilanovic nicht sich selbst überlassen. Sozialarbeiter Szymon Bartoszewicz, seit Ende 2013 auch Flüchtlingsbeauftragter der Gemeinde, ist ihr Ansprechpartner. Ana Ilanovic ist in ärztlicher Behandlung und besucht einen Sprachkurs. Die Jüngste kann einen Kindergarten besuchen. Die anderen vier Kinder gehen zur Schule. Die fast 15-jährige Cyntia etwa spricht nach nur knapp einem Jahr gut Deutsch. Ihr 16-jähriger Bruder Marko besucht ein Berufskolleg. Ihre guten Zeugnisse zeigen, wie wichtig den Teenagern, die in Bosnien keine Schule mehr besuchten, das Lernen ist.

"Wir sind mit dem Jobcenter im Gespräch"

Für Flüchtlinge aus Balkanländern stehen die Chancen schlecht, in Deutschland Asyl zu erhalten. Doch Mutter Ana hofft. "Wir wollen nicht nach Bosnien zurück", sagt sie. In Deutschland könnten ihre Kinder zur Schule gehen und vor allem sicher leben. In Abwesenheit ihres arbeitenden Ehemanns seien sie und ihre Kinder dort mehrfach massiv bedroht und brutal überfallen worden. Das Wort Mafia fällt. Zwei der Kinder zeigen Narben von schweren Brand- und Stichverletzungen.

Und Ana Ilanovic, der ein ärztliches Gutachten unter anderem depressive Phasen und posttraumatische Belastungsstörungen aufgrund von Gewalterfahrungen bescheinigt, sorgt sich um ihr ältestes, sechstes Kind. Die 18-jährige Tochter ist in Bosnien spurlos verschwunden.

Pfarrer Werner schwebt auch eine Form von beruflicher Integration vor. Zusammen mit den evangelischen Krankenhäusern in Bergisch Gladbach und Köln denkt er über Pflegepraktika nach – Stichwort Pflegenotstand. "Wir sind mit dem Jobcenter im Gespräch", sagt er.

Zugleich appelliert Sozialarbeiter Bartoszewicz, der sich in Bergisch Gladbach nicht nur für die Familie im Pfarrhaus, sondern auch für weitere der insgesamt rund 770 Flüchtlinge einsetzt, an Politik und Gesellschaft, Not nicht nur bei Flüchtlingen wahrzunehmen. "Viele Sozialhilfe- und Hartz-IV-Bezieher fühlen sich abgehängt, wenn sich Wohltaten und Engagement nur an Flüchtlinge richten." Integration könne nur gelingen, wenn alle Bedürftigen mitgenommen werden, mahnt er. "Sonst knallt es in der Gesellschaft", warnt der Sozialarbeiter.

Gabriele Fritz (epd)/ekd.de