Der Unbeugsame aus Prag

Vor 600 Jahren wurde Jan Hus auf dem Konstanzer Konzil verbrannt

5. Juli 2015

Jan Hus
Holzstich von 1856 "Hus auf dem Scheiterhaufen" nach Zeichnung von Wilhelm Camphausen. Bild: epd-bild/akg-images

Seine intensive Lektüre der Bibel machte ihn zu einem scharfen Kritiker der Kirche. Jan Hus (um 1370-1415) verlangte eine radikale Neuorientierung. Dafür bezahlte der böhmische Reformator mit dem Leben. Wenn am Bodensee derzeit an das berühmte Konzil von Konstanz (1414-1418) erinnert wird, das vor 600 Jahren stattfand, dann gehört auch die Erinnerung an die Verbrennung des Priesters aus Prag am 6. Juli 1415 dazu. Selbst ein König wurde im Skandalprozess gegen Hus wortbrüchig: Der deutsche König Sigismund sicherte Hus freies Geleit für Hin- und Rückreise und die Zeit des Aufenthalts zu.

Über die Kindheit von Jan Hus ist wenig bekannt. Er hatte wohl eine fromme Mutter, besuchte die Lateinschule und studierte dann in Prag unter anderem Theologie und Philosophie. Seine Begabung zum Predigen scheint außergewöhnlich gewesen zu sein. Zwei Jahre nach seiner Priesterweihe bekam er die Predigtstelle in der Bethlehemkapelle in der Prager Altstadt. Bis zu 3.000 Menschen hatten dort Platz, und Hus hielt 200 Predigten im Jahr.

Die Kirchenoberen verlieren ihren Einfluss

Dass viele Priester mit Konkubinen zusammenlebten, dass selbst Bettelorden große Besitztümer sammelten, dass man kirchliche Positionen wie ein Bischofsamt kaufen konnte – das alles brachte den Prager Prediger in Rage. Er kam zu der Überzeugung, dass es eine "sichtbare Kirche" gibt, die sich von der "unsichtbaren" Kirche Gottes mit ihren vorherbestimmten Mitgliedern unterscheidet. Während die sichtbare Kirche Bischöfe, Päpste und Reichtümer für sich reklamiert, genügt der unsichtbaren die Gemeinschaft mit Christus.

Seine Botschaft war für die Mächtigen in der Kirche unbequem, bedeutete sie doch das Ende der weltlichen Herrschaft der Priester und Bischöfe. Hus kam in Konflikt mit den Kirchenoberen, während ihm der böhmische Adel die Stange hielt. Als er sich über ein Predigtverbot hinwegsetzte, traf ihn der Kirchenbann – und er musste 1412 aus Prag fliehen. Im Schutz von Adelsburgen arbeitete er zwei Jahre lang seine Theologie aus, darunter seine berühmte Schrift "Von der Kirche". Dann kam der Ruf, sich vor dem in Konstanz versammelten Kirchenkonzil zu verantworten. Der deutsche König Sigismund sicherte ihm freies Geleit zu und stellte ihm einen Geleitbrief in Aussicht. Der Tscheche machte sich aber schon vorher auf den Weg. Obwohl er ein leidenschaftlicher Schachspieler war, dachte Hus nicht nur taktisch. Er wusste um Risiken bei dieser Reise, vertraute aber auch den Worten von König Sigismund. Trotz seiner Exkommunizierung und des gegen ihn ausgesprochenen Großen Kirchenbanns wurde er auf seinem Weg nach Konstanz überall freundlich empfangen. Er erreichte Konstanz am 3. November 1414, einen Tag danach hob der Papst die Kirchenstrafen gegen ihn auf. Zunächst predigte Hus in einer Herberge in der St. Paulsgasse, der heutigen Hussenstraße.

Konzil konzentriert sich auf den Ketzer Hus

Drei Wochen nach seiner Ankunft wurde er verhaftet und an verschiedenen Orten in Konstanz gefangen gehalten. Das Konzil musste sich mit einer Vielzahl von Problemen der Kirche jener Zeit auseinandersetzen. Ein Ziel war es, von drei sich einander bekämpfenden Päpsten wieder zu einem gemeinsamen Papst zu kommen. Ausgerechnet in dieser Situation floh Johannes XXIII., der das Konzil einberufen hatte, aus der Stadt. Mit welcher Legitimation sollte das Konzil weiterarbeiten, wenn kein Papst mehr anwesend war? Indem man den Kampf gegen die Ketzer in den Mittelpunkt rückte. Das Opfer hieß Jan Hus.

Das Konzil verurteilte zunächst posthum die Thesen des englischen Theologen John Wycliff (um 1330-1384), der ebenfalls eine Rückbesinnung auf die Bibel gefordert und damit die Autorität der Kirche infrage gestellt hatte. Wenn Hus sich nicht von Wycliff distanzierte, würde er sich selbst in die Ketzerecke manövrieren und eine Verurteilung unausweichlich machen. Viele Indizien sprechen dafür, dass das Konzil viel lieber einen Widerruf des widerspenstigen Böhmen gehört hätte als das Knacken des Holzes auf dem Scheiterhaufen.

Verurteilung ohne einen Papst

Hus blieb unbeugsam und schrieb kurz vor seiner Hinrichtung: "Das aber erfüllt mich mit Freude, dass sie meine Bücher doch haben lesen müssen, worin ihre Bosheit geoffenbart wird. Ich weiß auch, dass sie meine Schriften fleißiger gelesen haben als die Heilige Schrift, weil sie in ihnen Irrlehren zu finden wünschten."

Am Vormittag des 6. Juli 1415 wurde Hus in feierlicher Vollversammlung des Konzils im Dom, dem späteren Konstanzer Münster, auf Grund seiner Lehre von der „Kirche als der unsichtbaren Gemeinde der Prädestinierten“ als Häretiker zum Feuertod verurteilt. Beteiligt waren dabei Repräsentanten der weltlichen Mächte, unter anderem König Sigismund. Die Kirche wurde vertreten von verschiedenen Bischöfen. Da Papst Gregor XII. zuvor abgedankt hatte und der Gegenpapst Johannes XXIII. kurz zuvor abgesetzt worden war, erfolgte die Verurteilung ohne päpstliche Beteiligung.

Luther nimmt Hus als Glaubensvorbild

Für die Vollstreckung des Urteils war die weltliche Macht zuständig: Jan Hus wurde noch am Nachmittag auf dem Brühl, zwischen Stadtmauer und Graben, zusammen mit seinen Schriften verbrannt. Seine Asche streuten die Henker in den Rhein.

Ein Jahr später erlitt Hieronymus von Prag, ein Mitstreiter von Jan Hus, dasselbe Schicksal. Für die Böhmen war klar: Auf diese Kirche und auch auf den deutschen König kann man sich nicht verlassen. 20 Jahre Hussitenkriege waren die Antwort, bei denen allein fünf deutsche Heere in die Flucht geschlagen wurden. Für Martin Luther (1483-1546) war Hus ebenso wie Wycliff ein Vorläufer und ein Vorbild im Glauben, das ihn beim Einsatz für die Reformation inspirierte: "Wir alle sind Hussiten", soll er über die Reformationsbewegung gesagt haben.

Marcus Mockler (epd)/Christof Vetter