Seelenheil in Uniform

Die Heilsarmee engagiert sich seit 150 Jahren für Notleidende

2. Juli 2015

Pappbecher für warme Getränke von der Heilsarmee
(Foto: epd-bild/Rolf Zöllner)

"Natürlich hat sich die Welt in den letzten 150 Jahren verändert", sagt Oberst Patrick Naud, der Leiter der Heilsarmee in Deutschland, Litauen und Polen. "Aber das Herz der Menschen, das hat sich nicht verändert." Die Grundprobleme seien noch immer dieselben, urteilt der gebürtige Franzose: "Es geht noch immer um die Entfernung von Gott, um Einsamkeit und um soziale Ungerechtigkeit."

Die Ursprünge der Heilsarmee gehen auf den Methodistenprediger William Booth (1829-1912) zurück, der vor 150 Jahren beschloss, sich im bitterarmen East End von London für die Menschen zu engagieren. Die Organisation sieht den 2. Juli 1865 als Beginn der Bewegung und feiert das Jubiläum dieses Jahr mit einem Kongress vom 1. bis 5. Juli in London.

Booth rief eine "Christliche Erweckungsgesellschaft" ins Leben. Eigentlich ging es ihm nur darum, eine Gemeinde für einfache Arbeiter, Obdachlose und Menschen in Not zu gründen, die in den etablierten Kirchen nur bedingt willkommen waren. "Aber er war Pragmatiker", sagt Majorin Christine Schollmeier vom Historischen Archiv der Heilsarmee: "Er erkannte schnell, dass das allein nicht funktionierte, sondern dass er auch ihre Lebensbedingungen verbessern musste." Und so richtete Booth bald erste Notunterkünfte ein und stellte Suppenküchen auf.

Zusammen mit seiner Frau Catherine rekrutierte er eine ganze "Freiwilligenarmee", die ihn in der schnell wachsenden Zahl von Missionsstationen und sozialen Einrichtungen unterstützte. 1878 benannte er seine Erweckungsgesellschaft schließlich in "Heilsarmee" um.

Die Uniform schafft Standesunterschiede ab – und Vertrauen

Bis heute orientiert sich die Heilsarmee an militärischen Strukturen, so gibt es eine Uniform und militärische Ränge: Einfache Mitglieder sind "Heilsarmeesoldaten" oder "Salutisten". Darüber kommen die Offiziere, bei denen es sich um ordinierte Geistliche handelt und die eine zweijährige theologische und praktische Ausbildung durchlaufen haben. Von ihnen gibt es weltweit 26.000. An oberster Stelle steht der "General". Der bislang 20. General und damit Leiter der internationalen Heilsarmee ist seit 2013 André Cox, der schweizerisch-britischer Herkunft ist.

Eine Uniform einzuführen, habe damals viele Vorteile gebracht, sagt der evangelische Theologe Uwe Heimowski, der ein Buch über die Heilsarmee geschrieben und selbst fünf Jahre in Heilsarmee-Einrichtungen gearbeitet hat: "Im viktorianischen London zementierte die Kleidung den gesellschaftlichen Stand. Durch die Uniform wurden die Standesunterschiede abgeschafft, und gleichzeitig war man nach außen hin erkennbar."

Auch wenn etwa die Deutschen aufgrund ihrer Kriegserfahrungen eine deutliche Abneigung gegen Uniformen hätten, sagt Majorin Christine Schollmeier, so sei eine Uniform trotzdem oft von Vorteil. "Eine Uniform schafft auch Vertrauen. Wenn ein Heilsarmeesoldat etwa ein Bordell betritt, dann wissen die Frauen dort sofort: 'Das ist kein Freier'", glaubt die Majorin.

Das alte Motto "Suppe, Seife, Seelenheil" gilt

Wie vor 150 Jahren kümmert sich die Heilsarmee noch immer um Menschen in Not: Weltweit unterhält die Freikirche mit ihren 1,7 Millionen Mitgliedern fast 450 Obdachloseneinrichtungen, rund 300 Sucht-Therapie-Programme, 1.350 Kindergärten und Tagesstätten, Kinderheime und Heime für Straßenkinder sowie Mutter-Kind-Häuser. Zudem betreibt die Heilsarmee fast 700 Schulen, an denen 19.500 Lehrer unterrichten.

In Deutschland kümmert sich die Heilsarmee unter anderen um Prostituierte, Obdachlose und Flüchtlinge, sagt Deutschlandchef Patrick Naud. Für die Zukunft strebt er "noch mehr Offenheit" und eine noch engere Zusammenarbeit mit Städten und anderen sozialen Trägern an. Und er wünscht sich, dass "wir in Deutschland mehr auch als Kirche wahrgenommen werden und nicht vor allem für unser soziales Engagement".

Das uralte Motto der Heilsarmee, "Suppe, Seife, Seelenheil", hat für ihn auch weiterhin Bestand: Es gehe darum, die elementaren Grundbedürfnisse eines Menschen zu sichern, Ordnung in sein Leben zu bringen und ihn wieder in die Gesellschaft zu integrieren. "Und wenn dann eine Person auch noch Interesse am 'Seelenheil' hat, ist das natürlich großartig." Aber das werde niemandem aufgedrängt.

Barbara Driessen (epd)