Starke Kirche in der Stadt

Pfarrkonferenz für Mitarbeitende aus den EKD-Partnerkirchen tagte in der Hafenstadt Hamburg

27. Juni 2015

Pfarrkonferenz 2015 in Hamburg
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Pfarrkonferenz für Mitarbeitende aus den EKD-Partnerkirchen in Hamburg. (Foto: Carlos Luiz Ulrich)

Was hat das Meer mit dem Thema "Kirche in der Stadt“ zu tun? Mehr als gedacht – zu diesem Ergebnis kamen sieben Pfarrerinnen und Pfarrer aus der brasilianischen Partnerkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei einer Konferenz, die in der Missionsakademie in Hamburg stattfand. Einmal pro Jahr lädt die EKD ein zur Pfarrkonferenz für Mitarbeitende aus ihren Partnerkirchen, die im Rahmen eines Austauschprogramms für mehrere Jahre in Deutschland arbeiten. Neben einem inhaltlichen Schwerpunkt, den die Gruppe selbst wählt, geht es um den Erfahrungsaustausch und das Kennenlernen der vielfältigen deutschen Realität.

Beim Besuch des "Maritimen Museums“ in Hamburg war der Museumsführer vor einem Gemälde stehengeblieben, das eine vom Sturm aufgewühlte See mit turmhohen Wellen zeigt. In einer solchen Situation gebe es nur ein sinnvolles Verhalten, erklärte der ehemalige Kapitän: Nicht gegen die Natur ankämpfen, sondern mit der Natur gehen. Dieses Verhalten ist den brasilianischen Pfarrerinnen und Pfarrern aus der Lebensweisheit der indigenen Völker Südamerikas vertraut.

Kirche profitiert von der Stärke der Stadt

Das Gemälde wurde im Laufe des weiteren Austauschs unter den Konferenzteilnehmern zum Bild dafür, dass auch die Stadt wie eine starke Strömung wirken kann: Wer dagegen anschwimmt, wird irgendwann kraftlos. Wem es gelingt, die Kraft zu nützen, der kommt zu neuen Ufern. So profitiert auch die Kirche von der Stärke der Stadt, wenn sie mit vielfältigen Akteuren der Gesellschaft in Dialog tritt und neue Beziehungen aufbaut. Beispiele für diese Dynamik konnte die Pfarrkonferenz eindrucksvoll beim Besuch von ganz unterschiedlichen Formen von "Kirche in der Stadt“ erleben: Beim Gespräch mit dem Hauptpastor der St. Petri-Kirche, die inmitten der pulsierenden Hamburger City ein gastfreundlicher Ort ist, beim Besuch des diakonischen "Projekts Rathauspassage“, wo qualifizierte Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose geschaffen werden und bei der Führung durch das Ökumenische Forum Hafencity, wo 19 unterschiedliche Kirchen gemeinsam Präsenz in einem neu entstehenden Stadtviertel zeigen.

Die Chancen, als Kirche in brasilianischen Metropolen von der Strömung der Stadt zu profitieren, sehen dagegen anders aus. Die Evangelische Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien verfügt nicht über vergleichbare finanzielle Ressourcen wie die Kirchen in Deutschland. Zudem sieht sie sich noch viel größeren Herausforderungen gegenüber: In den brasilianischen Megastädten gehört die Stadt nicht mehr den Menschen. Der öffentliche Raum ist privatisiert, und viele von denen, die mit großen Hoffnungen in die Städte ziehen, scheitern. Das religiöse Angebot ist unüberschaubar und die kleine lutherische Kirche wird von den Autoritäten der Stadt überhaupt nicht wahrgenommen.

Auch eine kleine Minderheit kann Salz der Erde sein

Dennoch stellt sie sich der Aufgabe, Kirche für die Stadt zu sein, knüpft im Rahmen ihrer Möglichkeiten Netzwerke und kümmert sich um die an und in der Stadt Gescheiterten. Nach der Devise, dass auch eine kleine Minderheit Salz der Erde sein kann, zeigt die Kirche auch heute noch den gleichen Mut wie ihre Gründerväter und -mütter, die vormals die deutsche Heimat zurückgelassen hatten, um nach Brasilien auszuwandern. Für viele von ihnen war der Ausgangspunkt für die Fahrt über den Atlantik der Hamburger Hafen. So war die Reise nach Hamburg zur Pfarrkonferenz für die brasilianischen Austauschpfarrerinnen und -pfarrer in gewisser Weise auch eine Begegnung mit den eigenen Wurzeln.

Friederike Deeg