Protestanten und Muslime: Gemeinsamer Einsatz für Flüchtlinge

Vertreter der EKD und des Koordinationsrates der Muslime stellen Dialogratgeber vor

17. Juni 2015

Treffen EKD und KRM zum Dialogratgeber
Vertreterinnen und Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Koordinationsrates der Muslime am 16. Juni in München. (Foto: EKD)

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Verbände der Muslime in Deutschland rufen zu mehr Wertschätzung für Flüchtlinge auf. "Ihnen auf ihrer Flucht vor Hunger, Krieg und Vertreibung beizustehen, ist nicht nur ein humanes Gebot, sondern auch eine religiöse Verpflichtung", sagte der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, nach einem Spitzentreffen am 16. Juni in München. Jeder Flüchtling sei zuallererst ein Mensch, ergänzte die Sprecherin des Koordinationsrates der Muslime (KRM), Nurhan Soykan. Es müsse alles dafür getan werden, den Geflüchteten ein menschenwürdiges Leben zu sichern.

Bedford-Strohm und Soykan mahnten bei ihrem Treffen, das in diesem Jahr auf Einladung des Ratsvorsitzenden der EKD erfolgte, außerdem mehr Zusammenarbeit zwischen evangelischen und muslimischen Gemeinden in der Flüchtlingsarbeit an. Die Moscheegemeinden brächten viel Know-how mit, wie etwa Kenntnisse in Sprache und Kultur der Asylbewerber, betonte Bedford-Strohm. Auch Soykan sagte, dass die Gemeinden wichtige Voraussetzungen für die Betreuung von Asylbewerbern hätten. Häufig seien sie jedoch überfordert, weil die nötigen Strukturen - etwa ein Wohlfahrtssystem - fehlten. Bei Strukturfragen könne aber die Kirche helfen.

Hoher Stellenwert der Religionsfreiheit

Der bayerische Landesbischof und die Sprecherin des Koordinationsrates würdigten außerdem den hohen Stellenwert der Religionsfreiheit. Dazu gehöre auch, als Muslim oder Christ "erkennbar in der Öffentlichkeit auftreten zu dürfen". Bedford-Strohm rief die Christen dazu auf, sich für die Religionsfreiheit in Deutschland einzusetzen. Es müsse auch für Muslime möglich sein, geeignete Gotteshäuser für die Ausübung ihrer Religion zu bauen, sagte er mit Blick auf die Debatte um die vor wenigen Tagen in Pfaffenhofen eröffnete Moschee. Moscheegegner hatten Vertretern der Stadt sogar mit Mord gedroht.

Soykan warnte vor einer zunehmenden Alltags-Diskriminierung, wenn beispielsweise Musliminnen mit Kopftuch auf der Straße beschimpft würden. Dies könne dazu führen, dass sich junge Muslime von der deutschen Gesellschaft abwendeten und sich radikalisierten. "Dadurch verlieren wir viele engagierte Jugendliche", unterstrich Soykan.

Nach mehrjähriger Vorarbeit präsentierten die Repräsentanten von evangelischer Kirche und der Islamverbände zudem einen gemeinsamen Dialogratgeber. Dieser solle den christlich-islamischen Dialog in Alltag und Praxis unterstützen. Der Freiheit jedes Einzelnen, ob er eine Religion wählt und welche, "muss als Menschenrecht geachtet werden", heißt es in dem Papier. Das Prinzip, so zu handeln, wie man selbst behandelt werden möchte, finde sich sowohl in der christlichen als auch in der islamischen Überlieferung.  

"Leben in Vielfalt" ist von Gott gewollt

Das "Leben in Vielfalt" ist "nach christlicher wie islamischer Überzeugung von Gott gewollt", heißt es in der Einleitung zum Dialogratgeber. Weiter gehöre es "zur christlichen wie auch zur muslimischen Verantwortung in der Welt dazu, sich für das gemeinschaftliche Wohl und den Frieden einzusetzen". Dialog, der das Gegenüber wertschätzt, lasse Vertrauen wachsen. Ohne einen Dialog zwischen Religionsgemeinschaften könne "das friedliche Miteinander dauerhaft keine Gestalt annehmen".

Niemand dürfe pauschal verurteilt werden, heißt es in dem gemeinsamen 20-seitigen Dokument. Die Taten einzelner Menschen dürften nicht mit den Handlungen aller Menschen der entsprechenden Glaubensgemeinschaften gleichgesetzt werden, ebensowenig wie umgekehrt. "Eine besondere Vorsicht ist deshalb gegenüber allen Wahrnehmungsmustern geboten, die Menschen aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Herkunft bestimmte Haltungen, Verhaltensweisen oder Meinungen zuordnen bzw. unterstellen", heißt es in dem Ratgeber. "Der Dialog ist die beste Möglichkeit, um herauszufinden, wie sich mein Gegenüber selbst versteht, äußert und verhält."

Friedliches, wohlwollendes Zusammenleben zieht sich als roter Faden durch den ersten Teil des Dialogratgebers: "Die bewusste Ausgrenzung und Herabsetzung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe widerspricht dem christlichen und dem islamischen Menschenbild." Weiter heißt es im Kapitel "Herausforderndes": "Gewalt, Diskriminierung und Hass haben keinen Platz, wo Christen und Muslime einander im Dialog begegnen. Da sich aber sowohl auf Herausforderndes christlicher wie auf muslimischer Seite extremistische Strömungen und Gruppen ausdrücklich auf religiöse Traditionen und Argumente stützen, ist über die klare Ablehnung solcher Grundhaltungen hinaus auch eine Auseinandersetzung mit deren Argumenten notwendig."

Gemeinsam feiern, gemeinsam beten

Der Dialogratgeber gibt im zweiten Teil praktische Hinweise, wie die Begegnung und der Dialog zwischen Christen und Muslimen diese Ideale erreichen kann. Dazu gehören unter anderem Hinweise zum Besuch von Kirchen und Moscheen, zu gemeinsamen Festen ("eine gute Gelegenheit, mit den Bräuchen und Vorstellungen einer anderen Religion in Kontakt zu kommen") und zum gemeinsamen Beten ("Wenn es einen gemeinsamen Anlass zum Beten gibt, hat es sich bewährt, wenn nacheinander Menschen Gebete ihrer jeweiligen Glaubenstradition sprechen"). Auch die Unterschiede im Fastenverständnis und bei geschlechtspezifischen Fragen werden thematisiert.

Zum Abschluss erinnert der Ratgeber an das Prinzip, selbst so zu handeln, wie man behandelt werden möchte, und nicht mit zweierlei Maß zu messen. Dieses "Grundprinzip ethischen Verhaltens" finde sich sowohl in der christlichen als auch in der islamischen Überlieferung.

EKD und der Koordinationsrat der Muslime hatten sich 2012 zu einmal im Jahr stattfindenden Treffen auf Spitzenebene verabredet. Mitglieder im Koordinationsrat der Muslime sind die Türkisch-Islamische Union (DITIB), der Islamrat, der Zentralrat der Muslime in Deutschland und der Verband der Islamischen Kulturzentren.

mit Material von epd