EKD-Denkschrift kritisiert Ungleichheit in der Arbeitswelt

Gerhard Wegner, Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, zur neuen EKD-Denkschrift

28. April 2015

Gerhard Wegner, Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)
Foto: epd-bild/Andreas Schoelzel

Frankfurt a.M. (epd). Politik und Kirche müssen nach Ansicht des hannoverschen Sozialexperten Gerhard Wegner stärker gegen Fehlentwicklungen in der Arbeitswelt vorgehen. Gegen die Armutsbedrohung und das Problem der Niedriglohnpolitik werde nicht genügend getan, sagte der Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Die EKD stellte in Frankfurt am Main ihre neue Denkschrift mit dem Titel "Solidarität und Selbstbestimmung im Wandel der Arbeitswelt" vor.

Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik habe es eine so große Ungleichheit in der Arbeitswelt gegeben, sagte Wegner, der an der Denkschrift mitgewirkt hat. Zwar sei auch die Zahl der Beschäftigten so hoch wie nie, doch entwickele sich gleichzeitig ein größer werdender Niedriglohnsektor mit zum Teil prekären Arbeitsbedingungen. "Das halten wir für eine Fehlentwicklung, da muss es dringend zu Korrekturen kommen", forderte der Wissenschaftler.

Lebenszyklische Arbeitszeiten

Eine wichtige Forderung der Denkschrift sei eine strengere Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen, unterstrich Wegner: "Dort ist es in der Vergangenheit zu Exzessen gekommen." Es müsse der Grundsatz gelten, "gleicher Lohn für gleiche Arbeit". Menschen, die in solchen Arbeitsverhältnissen beschäftigt seien, dürften nicht schlechter als die Festangestellten verdienen.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei ein wichtiger Aspekt in der neuen Denkschrift, sagte Wegner. Die EKD rege lebenszyklische Arbeitszeiten an. Eltern müsse es möglich sein, in der Lebensmitte weniger zu arbeiten, um mehr Zeit für die Kinder zu haben. Dafür sollten sie in späteren Jahren länger arbeiten können.

"Gemeinsame Interessen von Kirche und Gewerkschaften"

Ein besonderes Augenmerk lege die Denkschrift auf die Rolle der Gewerkschaften. "Wir betonen an vielen Stellen die gemeinsamen Interessen von Kirche und Gewerkschaften. Das ist ein Kennzeichen dieser Denkschrift", hob Wegner hervor.

"Wir brauchen starke Gewerkschaften und starke Arbeitgeber, die gut im Interesse der Menschen kooperieren", unterstrich Wegner. Noch vor zehn Jahren sei die Sozialpartnerschaft von der Kapitalseite in weiten Teilen geradezu aufgekündigt worden. Heute sei die Sozialpartnerschaft wieder ein am Konsens orientiertes Erfolgsmodell. Das sei von größter Bedeutung und werde von der Kirche begrüßt.

Jörg Nielsen (epd)


Die EKD-Denkschrift "Solidarität und Selbstbestimmung im Wandel der Arbeitswelt", 144 Seiten, erscheint im Gütersloher Verlagshaus.