Notfallseelsorge: Zuspruch der Zuwendung Gottes an den Menschen in Not

Ein ökumenisches Angebot der Kirchen

27. März 2015

Notfallseelsorgeri
Foto: epd-Bild/Simone Viere

Die Notfallseelsorge ist ein ökumenisches Angebot der Kirchen, das Menschen in akuten Krisen wie Unglückfällen beistehen soll. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit den Rettungs- und Hilfsdiensten. Bundesweit gibt es kirchlichen Angaben zufolge derzeit schätzungsweise 250 Seelsorgegruppen mit rund 3.000 Mitarbeitern, die Opfern und Einsatzkräften zur Seite stehen.

Nach dem Flugzeugabsturz in Frankreich waren am Dienstag auf dem Düsseldorfer Flughafen 15 Betreuerinnen und Betreuer von der Flughafen- und der Notfallseelsorge im Einsatz. Sie kümmerten sich dort in einer abgeschirmten Lounge um Menschen, die ihre Angehörigen und Freunde vom Flug der verunglückten Germanwings-Maschine aus Barcelona abholen wollten.

Unglück und Verzweiflung mit aushalten

Aufgabe der Seelsorger sei es zunächst gewesen, zuzuhören, zu begleiten und das Unglück mitauszuhalten, sagte der Pfarrer für Seelsorge und Notfallseelsorge der Evangelischen Kirche von Westfalen, Ralf Radix. Viele treibe die Frage um, warum das Unglück passiert sei. Im Hintergrund könne auch die Frage mitschwingen, warum Gott das zulasse. "Um all diese Verzweiflung mit diesen Menschen auszuhalten, dafür sind die Notfallseelsorger auch da", sagte der Theologe. Für die Betroffenen sei es oft wohltuend, wenn ein Außenstehender da sei und durch seine Anwesenheit Halt geben könne.

Die planvoll organisierte Seelsorge in Notfällen und im Rettungswesen ist ein relativ neues Gebiet kirchlicher Seelsorge. Neben Pfarrerinnen und Pfarrern engagieren sich viele Ehrenamtliche in diesem Bereich, die speziell für diese Aufgabe geschult wurden. Seit 1998 sind die Notfall-Beauftragten der evangelischen Landeskirchen in der Konferenz Evangelischer Notfallseelsorger organisiert; entsprechend gibt es die Konferenz der Diözesanbeauftragten für Notfallseelsorge auf katholischer Seite. Große Einsätze waren etwa die ICE-Katastrophe im niedersächsischen Eschede am 3. Juni 1998 oder auch der Tsunami 2004. Damals wurden deutsche Notfallseelsorger nach Thailand geschickt. 

Aufgaben und Selbstverständnis der Notfallseelsorge

Aufgaben und Selbstverständnis der Notfallseelsorge formulieren die sogenannten "Hamburger Thesen“ von 2007:

"Notfallseelsorge ist Zuspruch der Zuwendung Gottes an den Menschen in Not. Sie wird konkret in der Präsenz des Seelsorgers, der Seelsorgerin vor Ort und dem Angebot einer helfenden Begleitung in der Akutphase. Notfallseelsorge geschieht in der Zuwendung zu dem von Unheil betroffenen Menschen und im solidarischen Aushalten seines Leides. Sie nutzt die Grundlagen, Erkenntnisse und Methoden der Theologie und Pastoralpsychologie sowie der Humanwissenschaften.

Darüber hinaus eröffnet Notfallseelsorge einen Raum für Spiritualität. Im Angebot von Gebet, Ritus und Segen wird sowohl der Trauer als auch der Hoffnung Ausdruck verliehen und der Beginn von Heilung ermöglicht.

Die Notfallseelsorge bietet Schutzraum und Gestaltung für
- den Umgang mit dem Gefühl der Ohnmacht,
- das Fragen nach eigener und fremder Schuld,
- das Fragen nach dem Sinn des Ereignisses und des Lebens überhaupt,
- religiöse Fragestellungen in Grenzsituationen,
- den Umgang mit den Gefühlen bei Trauer und Abschied,
- die Bearbeitung traumatischer Erlebnisse,
- das kollektive Betroffensein bei und den kollektiven Umgang mit Notfällen insbesondere durch Traue- und Gedächtnisgottesdienste"

mit Material von epd