"Geschlechterbewusste Theologie steckt noch in den Kinderschuhen“

Interview zum neuen EKD-weiten "Fernstudium Theologie geschlechterbewusst"

17. März 2015

Eine Frau steht in bunten Schuhen auf einem Bücherstapel
Foto: epd-Bild/Pierre Pavot

"Fernstudium Theologie geschlechterbewusst – kontextuell neu denken" heißt der neue EKD-weite Fernstudiengang, der am 24. März 2014 mit einem Studientag der Öffentlichkeit präsentiert wird. Das Fernstudium wurde von den Evangelischen Frauen in Deutschland e.V. (EFiD) in Kooperation mit dem Studienzentrum der EKD für Genderfragen in Kirche und Theologie und der Evangelischen Arbeitsstelle Fernstudium des Comenius-Institutes entwickelt. Es ist eine Neubearbeitung und Weiterentwicklung des Fernstudiums Feministische Theologie und ein Meilenstein für eine zukunftsfähige Theologie.

Wie ist das Fernstudium entstanden?

Eske Wollrad, Geschäftsführerin der Evangelischen Frauen in Deutschland e.V. (EFiD): Als vor 15 Jahren das Fernstudium feministische Theologie entwickelt wurde, war es ein innovatives Projekt. Feministisch-theologische Inhalte, die bis dahin vor allem in wissenschaftlichen Zusammenhängen erarbeitet wurden, wurden so aufgearbeitet, dass sie Menschen mit unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen in einem Fernkurs zugänglich gemacht werden konnten. Diese Pionierinnenarbeit leisteten damals Hildburg Wegener, Evangelische Frauenarbeit in Deutschland, Herta Leistner, Frauenstudien- und –bildungszentrum der EKD, und Gesine Hefft, Bildungswerk Berlin, Brandenburg, Schlesische Oberlausitz.

Was war der Anlass, das Fernstudium Feministische Theologie zu überarbeiten?

Katharina Friebe, theologische Referentin der EFiD und Projektleiterin der Entwicklung des Fernstudiums "Theologie geschlechterbewusst – kontextuell neu denken": Feministische Theologien haben sich seit ihrem Entstehen dynamisch entwickelt. Das gilt ebenso für die geschlechterbewussten Theologien, wenn sie auch noch in den Kinderschuhen stecken. Die Neubearbeitung der Studienbriefe vollzieht nun die Entwicklung von den feministischen zu den geschlechterbewussten Theologien nach und setzt damit einen Meilenstein für eine zukunftsfähige Theologie und eine zukunftsfähige Kirche.

Was macht geschlechterbewusste Theologien aus?

Claudia Janssen, Studienleiterin am Studienzentrum der EKD für Genderfragen in Kirche und Theologie: Der Begriff geschlechterbewusste Theologie beschreibt einen Perspektivenwechsel, der sich gegenwärtig abzeichnet: Menschen aller Geschlechter treten in einen Dialog über ihre jeweiligen Zugänge zu Theologie und Kirche. Diese Entwicklung ist möglich geworden, weil sich feministische Theologien in den vergangenen 30 Jahren in vieler Hinsicht weiterentwickelt und ausdifferenziert haben. Theologische Geschlechterforschung zu biblischen, historischen oder theologischen Traditionen lassen sich inzwischen nicht immer eindeutig in feministischer Theologie oder theologischer Männerforschung verorten, denn sie setzen sich mit den aktuellen Debatten um Intersektionalität, Postmoderne, Differenz und Dekonstruktion von Geschlecht in den Gender Studies auseinander. Hinzu kommt auch, dass sich neue Konzepte emanzipatorischer Männerarbeit und theologischer Männlichkeitsforschung entwickeln. Die theologische Geschlechterforschung umfasst wissenschaftliche und praxisorientierte Prozesse, sie ist eine Bewegung innerhalb von Kirche und Theologie, die international, ökumenisch und geschlechterübergreifend arbeitet.

Was vermittelt das Fernstudium inhaltlich?

Katharina Friebe: Das Fernstudium ist in sieben Studienbriefe eingeteilt. Es werden Grundlagen der geschlechterbewussten Theologien und Methoden, sowie Ergebnisse geschlechterbewusster Bibelauslegungen vermittelt. Das Fernstudium bietet Einblicke in die Kirchengeschichte und zeichnet die Entwicklung geschlechterbewusster Ekklesiologien nach. Geschlechterbewusste Christologien sind genauso Inhalt wie kontextuelle Zugänge zu Gottesbildern. Es bietet Orientierung im weiten Feld der Spiritualität in Theorie und Praxis und führt darüber hinaus in die Grundlagen geschlechterbewusster Ethiken ein, die in gesellschaftlich relevanten Themenbereichen wie Bioethik, Care, Wirtschaft, Krieg und Frieden, Klimawandel und Konsum konkretisiert werden.

Wie werden die Inhalte des Fernstudiums vermittelt?

Katharina Friebe: Neben einführenden und interpretierenden Texten enthalten alle Studienbriefe zahlreiche Originaltexte. Eingefügt sind Bearbeitungsaufgaben, die die Studierenden darin unterstützen sollen, das Gelesene zu verstehen, einzuordnen und weiterzudenken. Die jeweiligen Themen werden unter aktuellen und erfahrungsnahen Fragestellungen so präsentiert, dass sie zunächst im Eigenstudium zu Hause bearbeitet, in Tutoriumsgruppen diskutiert und abschließend im Direktkurs vertieft und perspektivisch erweitert werden können.

Volker Elsenbast, Direktor des Comenius-Institutes: In die Erarbeitung der Studienbriefe sind neueste fernstudiendidaktische Erkenntnisse und Bildungstheorien eingeflossen, so dass es zu einem intensiven Dialog zwischen den Studierenden und den Autorinnen der Studienbriefe kommt. Wegen der dynamischen Entwicklung in der Theologie und um eine Verzahnung mit der Praxis zu erreichen, wurden die Studienmaterialien während der Neubearbeitung laufend von engagierten Absolventinnen und in mehreren ausgewählten Studienkursen erprobt. Rückmeldungen dieser Praxisgruppen konnten so direkt in den Diskurs und in die Revision einfließen.

An wen richtet sich das Fernstudium?

Claudia Janssen: Das "Fernstudium Theologie geschlechterbewusst" ist offen für alle Interessierten. Besonders angesprochen sind berufliche und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich Kirche, aber auch alle anderen Menschen, die mehr über Theologie erfahren wollen. Es gibt keine formalen Eingangs- oder Zulassungsvoraussetzungen.


Das "Fernstudium Theologie geschlechterbewusst – kontextuell neu denken" baut auf dem Material des Fernstudiums feministische Theologie auf, das seit 2004 mit großem Erfolg in fast allen deutschen evangelischen Landeskirchen sowie in Österreich und der Schweiz angeboten wurde. Es ermöglicht allen Interessierten außerhalb der Hochschulen die Auseinandersetzung mit geschlechterbewusster Theologie.

2009 wurde die Finanzierung einer Revision des Fernstudienmaterials von der EKD bewilligt mit dem Ziel, die Inhalte und didaktischen Ansätze nach zehn Jahren zu aktualisieren und damit das Fernstudium als erfolgreiches Angebot kirchlicher Frauen- und Erwachsenenbildungsarbeit weiterzuführen. Herausgegeben wird es vom Dachverband Evangelische Frauen in Deutschland e.V. (EFiD), dem Studienzentrum der EKD für Genderfragen in Kirche und Theologie und der Evangelischen Arbeitsstelle Fernstudium im Comenius Institut.

Der Studientag zur Präsentation des Fernstudiums “ Theologie geschlechterbewusst – kontextuell neu denken“ findet am  Dienstag, 24. März 2015, von 10.30 -17.00 Uhr in der Reformierten Kirche, Lavesallee 4, Hannover statt.

Weitere Informationen gibt es im Tagungsflyer zum herunterladen (PDF). Anmeldungen sind möglich bei: Evangelische Frauen in Deutschland e.V. (EFiD), Berliner Allee 9-11, 30175 Hannover, Tel. 0 511- 89 768 100 oder per E-Mail an: info@evangelischefrauen-deutschland.de.