Mit Licht gemalt – Fenster zu Gott

Der Glasmaler Johannes Schreiter wird 85 Jahre alt

8. März 2015

Glasfenster, Schreiter
Foto: epd-bild/ Nicola O`Sullivan

Langen (epd). Die über neun Meter hohen Fenster der Sakramentskapelle im Mainzer Dom sind eine Einladung zu Gebet und Meditation. Mächtig bahnt sich auf ihnen das endlose Blau des Himmels den Weg. Das ewige Licht erreicht die Menschen aber nur durch das Leben und Sterben Christi, angedeutet mit einem glühenden Rubinrot. Die zwei Kirchenfenster stammen von Johannes Schreiter, dem wohl bedeutendsten Glasmaler der Gegenwart. Am 8. März feiert er im südhessischen Langen seinen 85. Geburtstag.

"Meiner Seele und meinem Geist geht es gut, nur das Gehäuse hat einige Baustellen", sagt der Maler, Zeichner und Grafiker mit heiterer Gelassenheit. Gleichwohl arbeitet er derzeit parallel an mehreren Glasfensterprojekten und an einem Buch mit seiner Ehefrau Barbara. Zu dem Gedichtband, der im Mai erscheinen soll, hat er Bleistiftzeichnungen beigesteuert.

"Den heißen Draht nutzen"

Die Glasfensterprojekte haben alle eine Vorgeschichte: So feilt er etwa an den Entwürfen für vier neue Fenster in der evangelischen Stadtkirche in Langen, für die er bereits 2001 Fenster gestaltete. Auch in der evangelischen St. Marienkirche in Osnabrück bekommt das 1992 vollendete Schreiter-Fenster demnächst ein Gegenstück.

"Wie dieser zweite Auftrag zustande kam, ist allerdings unglaublich", erzählt der Künstler. Er habe vor etwa zwei Jahren in einem Buch geblättert, in dem sein erstes Osnabrücker Fenster abgebildet war. Daraufhin habe er ein stilles Gebet gesprochen, "dass das Fenster ein Gegenüber bekommen möge", und nur zwei Tage später habe der Pfarrer der Mariengemeinde angerufen und ihn um ein solches gebeten. "Ich kann nur jedem empfehlen, diesen heißen Draht zu nutzen", sagt Schreiter und lacht.

Der Künstler hat den heißen Draht seit seiner "Umkehr zu Jesus Christus" im Jahr 1983 oft genutzt, wie er sagt. So auch fünf Jahre später: Nach einer Viruserkrankung, die er sich als Gastprofessor in Neuseeland zugezogen hatte, verlor er seine Stimme und musste in der Folge auch seine Professur an der Frankfurter Städelschule an den Nagel hängen. "Die Ärzte hatten mich bereits aufgegeben."

Strahlende Farben gewinnen die Oberhand

Doch dann begegnete er am Rande eines Bibelabends einem Christen aus der Schweiz. "Dieser 83 Jahre alte Mann erkannte meine Krankheit und segnete mich anschließend mit folgenden Worten: 'Ich sehe den Geist Gottes über dir, du bist geheilt'". Schreiter: "Nach einem ungewöhnlichen Brennen in den Bronchien konnte ich wieder sprechen und wenige Tage später wieder arbeiten. Härter und intensiver denn je."

Das "Heilungswunder" verändert nicht nur Schreiters Leben, sondern auch seine Kunst. Das Dunkle und das Düstere verlieren an Gewicht, helle, strahlende Farben gewinnen die Oberhand. Schreiter beginnt, sich "auf die Tatsächlichkeit des Heiligen zu konzentrieren", wie der Hallenser Kunsthistoriker Holger Brülls es beschreibt.

Johannes Schreiter wird 1930 in Annaberg-Buchholz im Erzgebirge geboren. Seine Liebe zum Malen entdeckt der Sohn eines Kaufmanns bereits als kleines Kind. Aber auch das Violinespielen und das Komponieren bereiten ihm Freude. "Ich wusste bis zum Abitur nicht, was das Richtige für mich war - die Malerei oder die Musik." Die Entscheidung wird ihm abgenommen. 1949, während seiner Flucht aus der DDR nach Greven im Münsterland, überfordert er so stark den linken Arm, dass an eine berufliche Zukunft als Geiger nicht mehr zu denken ist.

Im selben Jahr nimmt Schreiter in Münster ein Kunststudium auf, das er in West-Berlin und Mainz fortsetzt. 1960 erhält er vom Bistum Würzburg den Auftrag, die Kirchenfenster für St. Margareta in Bürgstadt bei Miltenberg am Main zu entwerfen. "Das war die Initialzündung für meine Karriere als Glasmaler", erinnert sich Schreiter. Im selben Jahr wird er Lehrbeauftragter an der Kunstschule Bremen. Von 1963 bis 1987 wirkt er als Professor für Malerei und Grafik an der Frankfurter Städelschule.

Befreite Bleiruten

Schon in den 1960er Jahren schreibt Schreiter neben Otto Piene und Yves Klein mit seinen sogenannten Brandcollagen Kunstgeschichte. Diese neue Technik des Sengens und Verbrennens von Papier beeinflusst auch sein glasbildnerisches Werk stark. Als ebenso revolutionär gilt seine Um-Interpretation der Bleiruten. Schreiter befreit die Metallstäbe, die die Glasstücke zusammenhalten, von ihrer rein technischen Funktion und nutzt sie als Mittel der Gestaltung.

In seinen Kirchenfenstern wendet er sich der Abstraktion zu, der Befreiung vom Überflüssigen. Er sucht die Stille, die Andacht. Seit den 1960er Jahren findet sich in nahezu jeder seiner Arbeiten die U-Form als Symbol für die geöffnete Hand wieder. Sorgfältig gestaltet er Linien, Ornamente, Rechtecke und Netze, die oft durch Quereinschüsse gebrochen sind, "so wie das kontemplative Betrachten ­eines Ozeans durch einen vorüberfliegenden Vogel".

S.D.G. – so signiert der Glaskünstler seit 1995 seine Entwürfe. "Soli Deo Gloria" – zur Ehre Gottes will er arbeiten, so lange er kann. "Das hält mich lebendig."

Dieter Schneberger (epd)