Kino und Kirche - Bewegte Bilder und bewegende Bilder

Evangelische Filmarbeit auf der Berlinale

6. Februar 2015

Kinosaal

Ein Kinofilm soll nicht nüchtern informieren – ein Film erzählt Geschichten. Er blättert die unterschiedlichen Ebenen der Wirklichkeit auf, lädt dazu ein, eine Etappe in den Schuhen eines anderen zu gehen und dabei das eigene Leben aus einer neuen Perspektive wahrzunehmen. So bieten Filme eine Projektionsfläche – eine Leinwand – für den eigenen Lebensfilm. Und sie fordern zur Auseinandersetzung heraus, über die Grenzen sozialer Milieus, Länder, Kulturen und Konfessionen hinweg.

Mit diesem Potenzial ist Kino auch ein Thema für die Kirche. Unter dem Dach des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP) bündelt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) Kompetenzen und Einrichtungen ihrer filmkulturellen Arbeit und trägt damit bei zum cineastischen Diskurs. Aktuell ist die Kirche mit ihrer Filmarbeit auch vielfältig auf der Berlinale vertreten. Ganz nah dran in Berlin ist epd Film, die Filmzeitschrift des Evangelischen Pressedienstes, die mit ihrem Blog tägliche Berichte vom Festival liefert. Die Zeitschrift mit aktuellen Filmkritiken, News von Festivals und Fernsehtipps genießt einen exzellenten Ruf unter Filmexperten und dem anspruchsvollen Kinopublikum.

Blicke über die Leinwand hinaus

Bereits seit 1992 sind die internationalen Filmorganisationen der evangelischen und der katholischen Kirche – INTERFILM und SIGNIS – gemeinsam mit einer ökumenischen Jury auf der Berlinale vertreten. Die Jury vergibt ihren Hauptpreis für einen Film aus dem offiziellen Wettbewerb sowie je einen Preis für einen Erstlingsfilm aus der Sektion des Panorama und aus dem Programm des Internationalen Forums des Jungen Films. Zu einem Ökumenischen Empfang am 8. Februar laden EKD und die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) zusammen ein, auch die Preisgelder stiften DBK und EKD gemeinsam. Die EKD wird auf Empfang vertreten durch Landesbischof Ralf Meister. Gastredner ist Drehbuchautor Fred Breinersdorfer, der 2005 für seinen Film "Sophie Scholl – Die letzten Tage“ mit dem Silbernen Bären und dem Preis der Ökumenischen Jury ausgezeichnet wurde und dessen neuer Film "Elser“ im diesjährigen Wettbewerb außer Konkurrenz läuft.

Das internationale Netzwerk INTERFILM will Kirche und Kino, Kulturen und Religionen unter dem Motto "Blicke über die Leinwand hinaus“ zusammenführen. Das Netzwerk ist 1955 von Vertretern protestantischer Filmarbeit Deutschlands, Frankreichs, der Niederlande und der Schweiz gegründet worden und umfasst heute darüber hinaus auch anglikanische, orthodoxe und jüdische Fachleute aus vielen Ländern. INTERFILM setzt sich einerseits für das Verständnis der ästhetischen, spirituellen und sozialen Bedeutung des Kinos in der Kirche ein. Andersherum macht es sich stark für die Wahrnehmung von Kirche, Theologie und Religion in der Filmkultur. Dafür veranstaltet INTERFILM regelmäßig Seminare und Konferenzen – häufig in ökumenischer Partnerschaft.

Festivalbeiträge mit Unterstützung evangelischer Filmarbeit

Gleich drei Filme laufen auf der Berlinale, die mit einer Teilfinanzierung des Evangelischen Zentrums für entwicklungsbezogene Filmarbeit (EZEF) gedreht wurden. Der Spielfilm "Meurtre à Pacot" (Mord in Pacot) des haitianischen Filmemachers Raoul Peck hat seine Deutschlandpremiere in der Programmsektion Panorama. Weltpremiere feiern die Dokumentarfilme "La sirène de Faso Fani" (Die Sirene von Faso Fani) aus Burkina Faso (Forum) und "Coming of Age" (Erwachsenwerden) aus Südafrika (Generation 14plus). Unabhängig davon, wie die Resonanz des Publikums ausfällt, wird das EZEF, eine Fachstelle von Brot für die Welt, diese Filme in den Verleih aufnehmen. Denn dessen Ziel ist es, differenzierte Informationen über das Leben in Entwicklungsländern für die Bildungsarbeit zugänglich zu machen. Oft sind die Bilder und Nachrichten aus diesen Regionen ähnlich einseitig und stereotyp wie die Werbebotschaften, die mit exotischen Bildern für Urlaubsziele in Afrika, Asien oder Lateinamerika werben: Der Norden ist reich, der Süden arm aber pittoresk. Andere, authentische Informationen aus den Ländern des Südens macht das EZEF durch den Verleih und Verkauf von Dokumentarfilmen, Spielfilmen und Trickfilmen buchstäblich sichtbar.

Einen weiteren wichtigen Pool für die Bildungs- und Gemeindearbeit bietet auch die in Berlin ansässige Matthias-Film gGmbH, die dieses Jahr auf der Berlinale ihr 65-jähriges Bestehen feiert. Hauptsächlich Dokumentationen zu religiösen und ethischen Themen sowie zu gesellschaftspolitischen Fragestellungen gehören zum Programm des Medienvertriebs unter dem Dach des GEP.

Kinozeit - nicht nur zur Berlinale

Kinozeit ist bei der evangelischen Kirche somit nicht nur zur Berlinale. Mehr noch, bei der Jury der Evangelischen Filmarbeit, die regelmäßig den "Film des Monats“ auszeichnet, ist gewissermaßen das ganze Jahr Festival. Die unabhängige Jury, besetzt mit Vertretern unterschiedlicher evangelischer Werke, Verbände und Einrichtungen, prämiert in der Fülle des aktuellen Kinoprogramms Filme, die durch ihre hervorragende Qualität zur Diskussion anregen, Impulse liefern für verantwortliches Handeln und zur Orientierung an biblischen Botschaften. Mit der Begründung ihrer Wahl, die in der Zeitschrift epd Film und im Internet erscheint, will sie Maßstäbe setzen für eine anspruchsvolle Bewertung des Filmangebots. Und ins Kino locken: zu den Geschichten, die den Blick verändern, auf das eigene Leben und die Welt.