Und führte ihn in Versuchung

Film "Nemez“ im ZDF-Fernsehgottesdienst

30. Januar 2015

Filmszene Nemez zum ZDF-Gottesdienst aus Marl

Dima liebt Nadja und Nadja liebt Dima. Aber sie finden nur schwer zusammen, denn Dima ist Russlanddeutscher, mittellos und vorbestraft. Nadja, Kunststudentin aus gutem Hause, kann darüber hinwegsehen. Ihre Eltern nicht. Auf einer Party kommt es zum Streit. Nadjas Vater, erfolgreicher Brauereibesitzer, wirft Dima raus und verbietet ihm jeden Kontakt mit seiner Tochter. Soweit – so bestürzend aktuell.

Für den evangelischen Fernsehgottesdienst am kommenden Sonntag aus der Evangelische Stadtkirchengemeinde Marl hat das Team um Superintendentin Kathrin Göckenjan und Pfarrer Thomas Damm  den Film "Nemez“ jedoch noch aus einem anderen Grund gewählt. Neben dem Liebesdrama mit gesellschaftspolitischen Untertönen erzählt dieser Film eine Coming-of-Age-Geschichte, in der ein junger Mann versucht, seine kriminelle Vergangenheit hinter sich zu lassen. Und die Schlüsselszene dieser Suche ist eine biblische Geschichte, die Regisseur und Autor Stanislav Güntner – in den  Jugendknast - verlegt. Hier spielen Dima und Kemal, ein Mitinsasse, auf Bitte des Gefängnispfarrers die Geschichte von der Versuchung Jesu nach. In den Hauptrollen Kemal als geistreicher, provozierender Teufel und Dima als höflicher Jesus, der mühsam versucht, den Verführungskünsten des Teufels zu widerstehen.

Neues Format im Fernsehgottesdienst

Auch außerhalb  der Gefängnismauern muss Dima einen solchen Kampf bestehen. Da stellt ihm der Teufel in Gestalt von Georgij nach. Georgij ist Kunstdieb und will Dima zu weiteren Diebstählen verführen – mit guten Argumenten oder Drohungen.

Das alles ist viel Stoff für einen Filmgottesdienst. Ein Gottesdienstformat, das in Marl mit Pfarrer Damm als Filmbeauftragten des Kulturrats der Evangelischen Kirche von Westfalen zwar schon lange Tradition hat, aber am 1. Februar erstmals als ZDF-Fernsehgottesdienst gestaltet wird. Denn auch für die ZDF-Redaktion ist dieses Konzept ein Experiment. Werden die Zuschauer während der Filmausschnitte gebannt dranbleiben? Oder irritieren die verschieden Szenen von Dimas Suche nach sich selbst? Darüber kann im Vorfeld nur spekuliert werden.

Das Team des ZDF-Gottesdienstes ist sich sicher: Für einen Fernsehgottesdienst haben die Filmeinspielungen besonderes Potenzial: Sie zeigen rasante Dialoge, wie sie Laien nicht darstellen könnten, ohne künstlich oder hölzern zu wirken. Und sie offenbaren Lebenswirklichkeit – schonungslos und kritisch. So entlarvt etwa Georgij, der Hehler, die wahren Motive seiner Kunden, die mit dem Kauf von Kunstwerken "ihrem schmutzigen Geld ein schönes Gesicht geben wollen“.

Derbe Flüche und Gewalt neben Kanzel und Altar?

Szenen wie diese befreiten das Vorbereitungsteam von der delikaten Aufgabe, vor einigen hunderttausend Menschen über eigene Versuchungen zu sprechen. Stattdessen konnte es sich ausführlich der Frage widmen, wie Film und Liturgie angemessen miteinander verwoben werden können: Eignet sich die Szene, die mit derben Flüchen der Protagonisten endet – oder sollte sie besser vorher abbrechen? Wieviel Gewalt kann sonntagmorgens neben Kanzel und Altar gezeigt werden? Und muss die Lesung wörtlich aus der Bibel in der Kirche vorgetragen werden oder kann sie als Filmszene vorkommen?

Stanislav Güntner, der Regisseur von "Nemez“, wird übrigens auch zum Gottesdienst kommen. Als er von diesem Projekt erfuhr, war er sehr überrascht, denn Filmgottesdienste kannte er noch nicht. Wohl aber ZDF-Gottesdienste. Die schaue er sich gelegentlich mit seiner Großmutter an, erzählte er der Senderbeauftragte für ZDF-Gottesdienste im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik. Als sie ihn fragte, ob er das Vorhaben unterstützen kann, sagte er prompt zu: "Klar, so kann ich mich dafür revanchieren, dass wir eine Szene in einer evangelischen Kirche in Berlin drehen durften“. Superintendentin Kathrin Göckenjan hat diese eindrückliche Szene in ihre Predigt eingebaut. Weil sie zeigt, wodurch Dima am Ende zu sich selbst findet.

Elke Rudloff
(Foto: © filmschaft maas&füllmich/Nominal-Film)