Warten auf Weihnachten

Geschichte der Adventskalender

30. November 2014

Junge Frau vor Schaufenster mit nostalgischen Adventskalendern

Gespannt auf Weihnachten waren die Kinder schon vor 150 Jahren - aber an Süßigkeiten im Adventskalender war damals nicht zu denken. Schließlich waren die Wochen vor Weihnachten traditionelle Fastenzeit. Stattdessen gab es einfache Zählhilfen, etwa 24 Kreidestriche an der Tür, die nach und nach abgewischt wurden. Oder man stellte Adventskerzen mit markierten Tageseinteilungen auf: Jeden Abend brannte die Kerze ein Stück weiter ab, bis am Heiligen Abend dann die Lichter am Weihnachtsbaum erstrahlten.

In katholischen Familien und in Klosterschulen stellte man im Dezember leere Krippen auf. Wenn die Kinder tagsüber brav waren, durften sie abends einen Strohhalm hineinlegen. Am Heiligen Abend ruhte das Christkind dann sanft auf den guten Taten der Jungen und Mädchen. In der diakonischen Anstalt "Rauhes Haus" in Hamburg erhellte um die Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals ein Adventskranz mit damals 24 Lichtern den Betsaal.

Es war Selma Lang, eine schwäbische Mutter, die um 1885 zum ersten Mal Süßes ins Spiel brachte: Sie nähte "Wibele", kleine Gebäckstücke, auf einen Karton. Jeden Tag durfte Sohn Gerhard eines essen. Die Idee hat ihm offenbar gefallen, denn der Pfarrersohn aus Maulbronn brachte 1908 einen gedruckten Adventskalender heraus: eine Art Ausschneidebogen mit 24 Feldern. Bis Weihnachten konnten die Kinder jeden Tag ein Motiv ausschneiden, das Gedicht darunter lesen und ein Bild aufkleben.

Ganz neu war die Idee freilich nicht. Zuvor hatte bereits der Kinderbuchillustrator Richard Ernst Kepler eine Märchenwelt in 24 Miniaturbildern als "Weihnachtskalender" gezeichnet. Und 1902 hatte ein evangelischer Verlag in Hamburg eine "Warteuhr für Kinder" herausgebracht.

Langs Kalender wurde auf Anhieb ein Verkaufshit. Er druckte ihn in acht verschiedenen Fassungen, sogar für blinde Kinder gab es eine Ausgabe. Und er holte schließlich auch die Schokolade in den Adventskalender: Mitte der 20er Jahre brachte er mit der Kölner Firma Stollwerck den Kalender "Die Christrose" heraus, der mit kleinen Schokoladentafeln gefüllt war.

Bereits ab 1920 boten auch andere Firmen Adventskalender in verschiedensten Ausführungen an: Ein Haus zum Aufstellen, eine Adventsuhr mit beweglichem Zeiger, einen Bastelbogen zum Ausschneiden und Zusammenkleben. Meist aber bestand der Kalender aus einem Deckblatt, dessen gestanzte Türchen nach und nach transparente Bilder freigaben.

Zu Zeiten der NS-Diktatur bemächtigte sich die Ideologie der Nationalsozialisten des Adventskalenders. 1942 bis 1944 erschienen im Zentralverlag der NSDAP drei Adventskalender mit unverkennbar ideologischer Färbung: Es ging darin um Wintersonnenwende statt um Heilige Nacht. Die Kalender-Hefte enthielten Bilder und Gedichte, Mal-, Spiel- und Bastelideen. Darunter: Anleitungen für "Feldpostbriefe an den Onkel", Backrezepte mit Kunsthonig und ohne Fett, Spielanleitungen zu Schlachten in "Schneebunkern" und Malanregungen zum Thema "Panzer- und Seeschlachten".

Schon kurz nach Kriegsende wurden in Deutschland wieder Adventskalender produziert: 1945 erschien in Leipzig eine Weihnachtsuhr mit Bildern von Trümmerfrauen und Kriegsheimkehrern. Nur auf den ersten Blick schienen sich die Motive in Ost und West fortan zu ähneln: Winterbilder, Szenen in verschneiten Städten, Weihnachtsmänner und Märchen. Ab 1960 tauchte in der DDR vor allem in den Adventskalendern des Berliner Planet-Verlages das aus Russland importierte Väterchen Frost auf. Der christliche Bezug zum Weihnachtsfest fehlte hier völlig: kein heiliger Nikolaus, keine Engel, keine Kirche und vor allem keine Heilige Familie.

Heute gibt es Adventskalender in schier unendlichen Varianten: Fortsetzungsgeschichten, lebendige Adventskalender, bei denen man sich jeden Abend an einem anderen Ort in der Stadt trifft, Internetkalender.

Schon seit Jahren versuchen die Kirchen, dem Adventskalender zu seinem ursprünglichen Sinn zurück zu verhelfen, der innerlichen Vorbereitung auf das Christfest. Der Adventskalender der Evangelischen Kirche in Deutschland in Kooperation mit evangelisch.de besteht aus 24 E-Mails, die ab dem 1. Dezember anstelle von "Türchen" geöffnet werden können. Die evangelischen und katholischen Kirchen in Baden-Württemberg versenden in der ökumenischen Aktion "Advent online" meditative Texte, ebenfalls per Mail. Und schon seit 20 Jahren gestaltet der ökumenische Verein "Andere Zeiten" mit Sitz in Hamburg den Kalender "Der andere Advent", der seine Leser vom 29. November bis 6. Januar mit Bildern und Texten begleitet. (epd)