Sommer, Sonne, Einsamkeit

Auch im Urlaub wenden sich Menschen an die Telefonseelsorge

07. September 2014

Frau am Strand

Urlaubszeit, Zeit der Erholung: Laut Mitarbeitern der Telefonseelsorge gilt das nicht für jedermann. Um mit einem anonymen Helfer zu sprechen, wählen viele Menschen nicht nur an trüben, nasskalten Wintertagen eine der rund um die Uhr erreichbaren Rufnummern. Seit zwei Jahren steige auch die Zahl derer deutlich, die zu Ferienzeiten anrufen, weil sie Einsamkeit, Isolation und Niedergeschlagenheit allein nicht mehr aushalten könnten, sagt Isabel Overmans, Stellvertretende Leiterin der Telefonseelsorge Freiburg.

Niedergeschlagenheit, Ängste und Einsamkeit sind zusammen bei mehr als jedem Vierten der Grund, eine der kostenlosen Telefonnummern 0800/1110111 oder 0800/1110222 zu wählen. Getragen von den beiden christlichen Kirchen in Deutschland, werden unter dem Motto "Sorgen kann man teilen" jährlich mehr als zwei Millionen Gespräche geführt.

In den Sommermonaten lauert die Einsamkeit etwa dann, wenn Angehörige, Freunde und Nachbarn im Urlaub sind. Und auch viele Psychotherapeuten und beratende Psychologen sind dann nicht da - weshalb die Telefonseelsorge einspringen muss: "Mein Therapeut hat mir gesagt, ich soll bei Ihnen anrufen, wenn er in Urlaub ist und ich dringend Hilfe brauche", bekommen die Ehrenamtlichen häufig zu hören.

Auch außerhalb der Urlaubszeit bräuchten Menschen in Konfliktsituationen oft schnelle Hilfe, erzählt Martina Rudolph-Zeller von der Telefonseelsorge in Stuttgart. Therapeuten hätten aber teilweise Wartezeiten von mehreren Monaten. Da werde das Angebot eines schnellen, beratenden Telefongesprächs gerne genutzt.

Generell nehme der Anteil der Menschen mit psychischen Störungen zu, sagt Isabel Overmans. Die Pfarrerin findet es erschreckend, wie viele Menschen an Einsamkeit leiden. Doch auch wenn die Mitarbeiter der Telefonseelsorge qualifiziert und gut ausgebildet seien, könnten und wollten sie Therapeuten nicht ersetzen. "Es ist Seelsorge und kann kein Ersatz für eine Therapie sein. Das machen wir den Anrufenden immer wieder klar", sagt Overmans. "Seelsorge hört zu, ordnet und strukturiert, begleitet, stützt, verweist weiter, bringt eine Perspektivänderung ins Gespräch oder eine Horizonterweiterung durch den christlichen Glauben."

"Bei der Telefonseelsorge rufen Tag und Nacht Menschen in Krisen und Notzeiten an, um mit jemandem zu reden, Neuorientierung zu bekommen", sagt der Leiter der Freiburger Telefonseelsorge, Helmut Ellensohn. Entsprechend groß sei der Bedarf an neuen Mitarbeitern, die sich nach einer einjährigen Ausbildung ehrenamtlich für den Dienst am Telefon zur Verfügung stellen.

Und die Nachfrage steigt, wie die Seelsorger beobachten. Trotz bundesweiter Ruf-Weiterleitung kommen viele Menschen nicht durch und müssen mehrmals anrufen. "Viele sagen, wir probieren es schon seit Stunden", berichtet Martina Rudolph-Zeller.

Was die Anrufer erwarten dürfen, beschreibt Overmans in einem Bild: "In der Seelsorge setzen wir uns eine Weile zu einem Menschen auf die Bank und schauen in seine Richtung, wir weisen auf Dinge hin, die wir vielleicht auch noch sehen, wir veranlassen ihn, vielleicht auch mal in eine andere Richtung zu schauen. Wir haben auch ein wenig Reiseproviant dabei und sind bereit zu teilen, wenn der andere etwas davon mag. Danach gehen wir wieder eigene Wege." (epd)

www.telefonseelsorge.de