Vision von einer geschlechtergerechten Kirche

EKD-Ratsvorsitzender und Synoden-Präses eröffnen Studienzentrum

07. April 2014

Gäste bei der Eröffnung

„ma(h)l anders“ wurde das neue Studienzentrum der EKD für Genderfragen in Kirche und Theologie offiziell eröffnet: mit einem Festessen und Tischreden. In Anlehnung an die Tischreden im Hause Luthers und als besonderer Beitrag zu den Frauenmahlen in der Lutherdekade (www.frauenmahl.de) waren rund 100 Gäste in die hannoversche Marktkirche gekommen.

Ziel der neuen EKD-Einrichtung ist es, „zur Gestaltung einer Kirche beizutragen, in der die Vielfalt menschlicher Begabungen auf allen Ebenen unabhängig von Geschlechtsrollen und Geschlechtsidentitäten zum Tragen kommt“. Es soll dazu beitragen, dass Genderperspektiven in das kirchliche Handeln integriert und für die Entwicklung der Organisation Kirche fruchtbar gemacht werden können.

Die Präses der EKD-Synode, Irmgard Schwaetzer, hob in ihrer Tischrede die Bedeutung der Synoden für den kirchlichen Wandel hervor. Es seien vor allem die Kirchenparlamente, die Fragen der Geschlechtergerechtigkeit in die Kirche eingebracht hätten, bis heute präsent hielten und vielfältige Veränderungen angestoßen hätten. „Ein noch unerfülltes Ziel bleibt indes die ausgewogene Repräsentanz beider Geschlechter in Leitungspositionen von Kirche und Diakonie“, führte sie aus. Dafür müssten nicht zuletzt auch die Strukturen der Leitungsämter verändert werden, damit sie für Frauen und Männer mit modernen Lebensentwürfen attraktiv sind.

Die Studienleiterinnen gingen in ihrer gemeinsam vorgetragenen Tischrede auf die künftigen Arbeitsschwerpunkte des Stud
ienzentrums ein. Claudia Janssen, Studienleiterin für wissenschaftliche und biblische Theologie, nannte die Bibel als einen Schwerpunkt. Wer fundierte Auskünfte über geschlechterbewusste Bibelauslegung, Predigten und Stellungnahmen zu aktuellen Themen aus biblischer Perspektive suche, solle sie beim Studienzentrum finden können, so die Theologie-Professorin. „Die Bibel ist unser Schatz – sie mit einer geschlechterbewussten Perspektive zu lesen, zeigt kostbare Seiten, die bisher unentdeckt blieben.“ Simone Mantei, Studienleiterin für praktische Theologie und Organisationsentwicklung,  kündigte für den Herbst den ersten Atlas zur Gleichstellung in der evangelischen Kirche an. Der Atlas, der einem Vorbild aus dem Bundesfamilienministerium folge, werde eine fundierte Grundlage bilden, um die Organisationskultur unserer Kirche geschlechterbewusst weiterzuentwickeln.

Weitere Tischreden hielten Lucie Veith vom Bundesverband intersexueller Menschen und Susanne Rode-Breymann, Präsidentin der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover.  Lucie Veith hob eindrücklich die Diskriminierung intersexueller Menschen hervor. „Die Vielfalt der Geschlechter ist Realität, doch in der Gemeinschaft kommen sie nicht vor“, gab sie den Festgästen zu bedenken. Susanne Rode-Breymann zeigte am Beispiel der Musikwissenschaft auf, dass Frauen immer starke Akteurinnen für Gesellschaft, Kirche und Kultur gewesen seien. Durch die männliche Perspektive der Geschichtsschreibung seien aber viele ihrer Möglichkeitsräume übersehen worden.“Aus dem Übersehenen lässt sich reformierende Kraft schöpfen“, ist sie sich sicher.

Das Studienzentrum löst das ehemalige Frauenstudien- und bildungszentrum der EKD ab, das vor 20 Jahren in Gelnhausen gegründet wurde. „Mittlerweile stellt uns die Vision von einer geschlechtergerechten Kirche vor neue Aufgaben und Herausforderungen“, sagte der Ratsvorsitzende, Nikolaus Schneider, in seiner Rede. Die historisch notwendige Frauenperspektive der feministischen Bewegung werde innerhalb und außerhalb der Kirche zunehmend von einer Gender-Perspektive abgelöst. Die biblische Vision einer geschlechtergerechten Einheit in Christus weiter mit konkretem Leben zu füllen, bleibe eine herausragende Aufgabe der Kirche, zu der das Studienzentrum wesentlich beitragen könne.
Quelle Foto:  Nico Herzog, Hannover, Fotojournalist)