Aufgaben evangelischer Friedensethik formuliert

Evangelische Kirche fordert einen Vorrang für zivile Mandate

3. Februar 2014

Gepanzertes Militärfahrzeug in Afghanistan

"Nichts ist gut in Afghanistan", sagte die damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, Anfang 2010. Es folgte eine teils hitzige Debatte über die Fragen: War der Bundeswehr-Einsatz am Hindukusch gerechtfertigt, waren die Mittel vertretbar? Vier Jahre später legt die Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD nun eine differenzierte Stellungnahme zum Afghanistan-Einsatz vor. Auch wenn den Käßmann-Satz in der EKD-Spitze niemand so wiederholt - die Kirche sieht eine Menge Defizite.

Von einem Frieden in Afghanistan könne nicht die Rede sein, schreibt der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider im Vorwort zur am Montag in Berlin vorgelegten Schrift "Selig sind die Friedfertigen". Ein knappes Jahr vor dem Abzug der internationalen Truppen benennt die Stellungnahme als aktuelle Probleme die prekäre Sicherheitslage in weiten Teilen des Landes, fehlende rechtsstaatliche und friedensfördernde Strukturen sowie verbreitete Armut. Nach Einschätzung der evangelischen Kirche hätten sich diese Probleme verringern lassen, wenn es von Anfang an einen umfassenderen Einsatzplan gegeben hätte.

Ein Versäumnis sehen die Experten darin, dass lange Zeit ein friedens- und sicherheitspolitisches Gesamtkonzept unter dem Primat des Zivilen gefehlt habe. Zu einem solchen Konzept gehörten auch Ausstiegsszenarien. Dieser Kritik schloss sich auch der EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms an. Es habe ein klares politisches Gesamtkonzept unter dem Primat des Zivilen gefehlt, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Eine der Forderungen der Schrift verlangt daher eine Verknüpfung der Bundestagsmandate für Auslandseinsätze mit zivilen Zielen. Das Parlament müsse "stärker in die Friedenspflicht" eingebunden werden, sagte der EKD-Ratsvorsitzende Schneider. Wenn von vornherein auch finanzielle Möglichkeiten für das zivile Engagement bedacht würden, könnte das auch den Nichtregierungsorganisationen die Arbeit erleichtern. Mit Blick auf die Diskussion um militärische Einsätze in Afrika verlangte Schneider, bereits jetzt im Blick zu haben, wie sich Rechtswesen, Sicherheitsstruktur, Bildung und Infrastruktur aufbauen ließen.

Den Anstoß für die jetzt veröffentlichte EKD-Stellungnahme lieferte der Besuch einer Delegation unter Leitung von Schneider im Februar 2011 in Afghanistan. "Es gibt Hoffnung in Afghanistan– aber es ist Hoffnung auf dünnem Eis", bilanzierte der Ratsvorsitzende damals. Die zuständige Kammer unter Vorsitz des ehemaligen Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Hans-Jürgen Papier wurde beauftragt, den Afghanistan-Einsatz anhand des Leitbildes des gerechten Friedens der EKD-Friedensdenkschrift von 2007 zu erörtern.

In ihrer Bewertung gibt die Kammer zu bedenken, dass von Beginn an eine problematische Überschneidung zwischen der Stabilisierungsmission der ISAF und der auf dem Selbstverteidigungsrecht basierenden militärischen Operation (OEF) bestanden habe. Ob unvorhergesehene und ungewollte Gewaltmaßnahmen während des Einsatzes mit der Interventionsentscheidung legitimiert sind, wird in der EKD-Kammer unterschiedlich beurteilt. Kontrovers werden in der Stellungnahme gezielte Tötungen von Aufständischen und Terrorismusverdächtigen bewertet.

Zur Perspektive für Afghanistan nach dem Abzug der Truppen empfiehlt die evangelische Stellungnahme unter anderem die Wiedergutmachung von Schäden, den Abbau von Waffenpotenzialen, die Entwaffnung von Milizen, den Schutz afghanischer Bundeswehr-Mitarbeiter durch Aufnahme in Deutschland sowie zivilgesellschaftliche Allianzen für den Frieden. Zudem verlangen die Experten eine Diskussion und völkerrechtlich verbindliche Regelung zum Einsatz von bewaffneten Drohnen.(epd)