„Damit die Vision kein Traum bleibt“

Die Planungen zum Bet- und Lehrhaus am Berliner Petriplatz gehen in die nächste Phase

13. November 2012

Modelbau des gepanten Zentrums

Lessing und Moses Mendelssohn hätten sich vermutlich gefreut. Die Gespräche der beiden Aufklärer über die Verständigung zwischen Christen und Juden fanden in Berlin statt, in Mendelssohns Wohnung in der Spandauer Straße oder in Lessings Bleibe auf dem Hof der Nikolaikirche. Das war im 18. Jahrhundert. Nun soll nur wenige hundert Meter entfernt ein Gebäude entstehen, das Juden, Christen und Muslime unter einem Dach vereint - die drei abrahamitischen Religionen, deren gegenseitige Achtung Lessings Nathan in der berühmten Ringparabel anmahnt.

Das zumindest ist die Vision der Initiatoren des "Bet- und Lehrhauses Petriplatz Berlin": An der historischen Keimzelle Berlins, wo im 13. Jahrhundert die Petrisiedlung mit der Petrikirche existierte, wollen sie ein modernes Sakralgebäude errichten, mit jeweils eigenen Räumen für christliche, jüdische und muslimische Gottesdienste und einem gemeinsamen Bereich für Gespräch und Lehre.

Angeschoben von der evangelischen Kirchengemeinde St. Petri-St. Marien, auf deren Gebiet die verödete Stadtfläche liegt, ist das Projekt mit muslimischen und jüdischen Partnern und der Stadtverwaltung entwickelt worden. Die Idee begeistert viele. Doch jetzt beginnen die Mühen der Ebene.

Anfang September wurde der Sieger des Architektenwettbewerbs für den ungewöhnlichen Bau bestimmt: das deutsch-italienische Büro Kuehn Malvezzi. Dass der Tag der Entscheidung zugleich der Geburtstag von Lessings Freund Moses Mendelssohn war, wertete das jüdische Jurymitglied, Rabbiner Tovia Ben Chorin, als Ermutigung: "Es bestärkt mich in meinem Glauben an den Dialog." Und mahnte zugleich: "Damit unsere Vision kein Traum bleibt, muss sie klar genug ausgearbeitet werden".

Da ist zunächst die Frage der Finanzierung. Die genauen Kosten werden erst nach der detaillierten Entwurfsplanung des Büros Kuehn Malvezzi feststehen, die für Anfang des kommenden Jahres erwartet wird. Um das Geld für den Bau aufzubringen, suchen die beteiligten Religionsgemeinschaften - die Jüdische Gemeinde zu Berlin und das Abraham-Geiger-Kolleg, der islamische Partner "Forum für Interkulturellen Dialog e.V." und die evangelische Kirchengemeinde St. Petri-St. Marien - im In- und Ausland nach Sponsoren.

Pfarrer Roland Stolte, Vorstandsmitglied des Bet- und Lehrhaus Petriplatz Berlin e.V., ist optimistisch. Erfreulicherweise sei die Aufmerksamkeit für das weltweit einzigartige Projekt schon jetzt recht groß: "Der Kreis der Interessierten wächst stetig", sagt er. "Uns erreichen Zuschriften aus aller Welt. Die internationale Presse fragt an. Auch japanische Zeitungen haben berichtet."

Dazu hat auch die mittlerweile verlängerte Ausstellung der eingereichten Entwürfe in der Parochialkirche beigetragen. Eine weiterreichende Wirkung erhoffen sich die Initiatoren von einer mehrsprachigen Dokumentation des Wettbewerbs, die im kommenden Jahr im Architekturverlag DOM publishers erscheinen soll.

Doch für den Dialog der Religionen braucht man nicht nur Geld. Die Initiative will den Austausch zwischen Juden, Christen und Muslimen vertiefen. Ein vorläufiger Jahresplan mit den jeweiligen religiösen Festen und Vorschlägen für gemeinsame Aktionen dient als Orientierung. So fand am 11. September zum dritten Mal das interreligiöse Gebet zum Gedenken an den Terroranschlag in New York auf dem Petriplatz statt, diesmal im Beisein des erst kürzlich überfallenen Berliner Rabbiners Daniel Alter.

Die Ansprache hielt der Islamwissenschaftler Kadir Sanci, den der islamische Partner als Imam für die Moschee im Sakralbau am Petriplatz verpflichtet hat. Ercan Karakoyun, Vorsitzender des sunnitisch geprägten Forums für Interkulturellen Dialog, ist überzeugt: "Daran, dass diese Moschee von Muslimen aus ganz Berlin gut besucht wird, haben wir keinen Zweifel."

Nicht ganz so optimistisch sind die Initiatoren bei dem Versuch, die Katholiken Berlins am Projekt zu beteiligen. Auf eine Anfrage aus dem vergangenen Jahr beim Erzbischöflichen Ordinariat bezüglich einer Mitarbeit gebe es noch keine Antwort, sagt Pfarrer Stolte. Er kann sich auch Kooperationen mit benachbarten katholischen Gemeinden vorstellen. "Den einladenden Gestus halten wir jedenfalls aufrecht", betont er. - Eine Maxime, ganz im Sinne Lessings und Mendelssohns. (epd)