Biblische Osterhasen-Verwechslung

Über Jahrhunderte standen Hasen und Kaninchen in der Bibel für den asiatischen Klippschliefer

08. April 2012

Biblischer Hase war eigentlich ein Klippschliefer (Foto: epd / Walter G. Allgöwer)

Es war Kirchenvater Hieronymus, der den Hasen einst in wichtige Bibelstellen brachte. Als er im vierten Jahrhundert das Alte Testament ins Lateinische übersetzte, setzte er etwa im Kapitel 30, 26 der Sprüche "lepus" oder "lepusculus" ein, Hase oder Häschen: Sie zählten zu den Kleinsten auf Erden, seien ein schwaches Volk, heißt es dort über sie. Und doch bauten sie ihr Haus in den Felsen, was symbolisch bedeutet, sie bauen auf Christus.

Und auch in Psalm 104, Vers 18 werde in älteren Übersetzungen vom Hasen gesprochen, der in Felsklüften Zuflucht findet wie bei Gott, erklärt Volkmar Wirth, früherer Direktor des Naturkundemuseums Karlsruhe. In späteren Übersetzungen war von "Kaninchen" die Rede.

Aber eigentlich waren hier ganz andere Tiere gemeint, sagt der Biologe Wirth, der heute im Ruhestand in Murr bei Ludwigsburg lebt. Die hebräischen Texte sprachen vom "shaphan", vom Klippschliefer. Es handelt sich um einen Interpretationsfehler, der sich über Jahrhunderte fortschrieb. Erst in neuen Bibelübertragungen ist mit "Klippdachs" übersetzt worden.

Die Verwechslung oder Umbenennung ist verständlich. Die Kinder-Naturkundezeitschrift geolino etwa erklärt: "Wer einen Klippschliefer das erste Mal sieht, denkt eher an ein pummeliges Kaninchen." Die Tiere sind kaninchengroß, graubraun und kommen in felsigen Regionen vor, jedoch nur in Afrika und Westasien.

Ein Europäer konnte also mit dem Namen kein Bild verbinden. So lag die Umbenennung aus Sicht der europäischen Übersetzer wohl auch nahe, sagt Wirth. Der Sinn der entsprechenden Bibelstelle habe den europäischen Lesern deutlich gemacht werden sollen, indem man ein Tier nennt, das sie kennen.

Kirchenvater Ambrosius deutete die Hasen im vierten Jahrhundert als Auferstehungssymbol. Immer wieder hat sich dann die bildende Kunst des Hasen angenommen, der auch mal mit kürzeren Ohren als Kaninchen dargestellt werden konnte. Im 16. und 17. Jahrhundert taucht er als Paradiessymbol in Bildern von Peter Paul Rubens und Hans Baldung Grien auf. Hier schwingt möglicherweise auch noch die Bedeutung als heidnisches Fruchtbarkeitssymbol mit.

Manchmal ist der Hase in der Kunst Mariensymbol, etwa am Altar der Nürtinger Stadtkirche. Vom italienischen Renaissancemaler Tizian gibt es sogar eine "Madonna mit dem Kaninchen". Auf dem Bild hält Maria mit einer Hand ein weißes Kaninchen, mit der anderen wendet sie sich dem Christuskind zu.

Bekannt sind - jedoch nicht nur aus dem Bereich der christlichen Kunst - Motive mit drei Hasen im Kreis. Dazu zählt das Dreihasenfenster am Paderborner Dom. Manchmal stehen die drei Hasen für die Dreieinigkeit, jedoch nicht zwangsläufig. Auf den Abbildungen kommen die drei Hasen mit jeweils zusammen drei Ohren aus, ohne dass einem eins zu fehlen scheint. Das Dreieck, das ihre Ohren bilden, sei auch mythisches Symbol für die Ewigkeit, sagt Volkmar Wirth.

Volkmar und Renate Wirth haben zusammengetragen, was es über Hasen von ihrer Biologie bis zum Kunstwerk und zum Schokoladen-Schmunzelhasen zu sagen gibt. Auch der Osterhase rückt dabei in den Blick. Lange vor dem Hasen spielte an Ostern das Ei die wichtige Rolle. Als dann besonders ab dem 18. Jahrhundert im "pädagogischen Zeitalter" die - vor allem städtische - Familienkultur entstand, schlug die Stunde des Osterhasen als Überbringer versteckter Eiergeschenke. "Das Landkind wusste, woher die Eier kamen", schmunzelt Wirth.

"Wie es tatsächlich zum eierlegenden Osterhasen kam, wird wohl nie ganz ergründet werden", meint er. Er zitiert den Pfarrer und Dichter Eduard Mörike, der 1847 schrieb: "Sophisten und die Pfaffen stritten sich mit viel Geschrei: Was hat Gott zuerst erschaffen, wohl die Henne, wohl das Ei? - Wäre das so schwer zu lösen? Erstlich ward ein Ei erdacht, doch weil noch kein Huhn gewesen, Schatz, so hat s der Has gebracht". (epd)