Berliner Notunterkünfte platzen aus allen Nähten

Diakonie: Bürger sollen auf Obdachlose im Freien achten

04. Februar 2012

Obdachloser im Freien

Das Diakonische Werk geht von mehreren tausend Wohnungslosen in Berlin aus, darunter viele Menschen aus Osteuropa. "Wir retten derzeit halb Europa vor dem Erfrieren", sagte Stadtmissions-Sprecherin Wohlwend und betonte, dass niemand abgewiesen werde. "Für uns ist wichtig, dass die Menschen im Warmen sind, etwas zu Essen erhalten und gegebenenfalls medizinisch versorgt werden", sagt Wohlwend. Dass nicht jeder einen Schlafplatz bekomme, lasse sich im Moment nicht ändern. Dabei hat die Stadtmission bereits eine zweite Notübernachtung eröffnet. Um weitere Plätze schaffen zu können, werde mehr Geld benötigt.

Angesichts der Kältewelle forderte die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe die Kommunen auf, ihr Angebot an Unterkünften für Obdachlose zu überprüfen. "Wenn diese nicht ausreichen oder nicht gut erreichbar sind, muss dort schnell nachgebessert werden", sagte Sprecherin Werena Rosenke am Dienstag in Bielefeld dem epd.

Strenger Frost und eisige Nächte seien für obdachlose Menschen "extrem gefährlich", sagte der Leiter der diakonischen Notunterkunft Jakobushaus in Bremen, Axel Brase-Wenzell. Straßensozialarbeiter bemühten sich, die Menschen von der Straße in die Notunterkunft zu bringen: "Wir haben noch Platz. Niemand muss im Freien schlafen." Er rief die Bürger dazu auf, auf die Obdachlosen acht zu geben. "Wenn Sie jemanden sehen, der bei diesen Temperaturen neben seinem Schlafsack schläft, sprechen Sie ihn an oder rufen sie die Polizei."

Peter Szynka, verantwortlich für die diakonische Wohnungslosenhilfe in Niedersachsen, sagte, nur wenige Menschen müssten tatsächlich draußen übernachten. Allerdings wollten etliche Obdachlose partout nicht in einer Gemeinschaftsunterkunft schlafen. Sie suchten Schutz und Wärme in U-Bahn-Stationen und Bahnhöfen. Mit der Deutschen Bahn sei vereinbart, Obdachlose bei Minustemperaturen nicht mehr zu vertreiben.

In Mecklenburg-Vorpommern gibt es laut Diakonie genügend Unterkünfte für Obdachlose. Die Städte könnten alle Obdachlosen versorgen, sagte der Fachbereichsleiter Gefährdetenhilfe, Peter Grosch, dem epd in Schwerin. Zudem gebe es im Nordosten "keine Riesenwohnungslosenszene" wie etwa in Hamburg oder Berlin. In Schwerin hat die kalte Witterung nach Angaben der Stadtverwaltung zu keiner verstärkten Nachfrage nach Unterkünften für Wohnungslose geführt.

Die Obdachlosenhäuser in Sachsen-Anhalt sind auf eine stärkere Nachfrage vorbereitet, ein Ansturm wird jedoch nicht erwartet. Das Angebot von insgesamt 108 Übernachtungsbetten in den zwei Wohnungsloseneinrichtungen in Magdeburg könne kurzfristig auf 140 Plätze aufgestockt werden, sagte ein Sprecher der Landeshauptstadt dem epd. Noch seien jedoch keine erhöhten Aufnahmezahlen zu verzeichnen.

In den vergangenen 20 Jahren sind nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe in Deutschland mehr als 270 Menschen erfroren. Nach Schätzungen sind bundesweit mehr als 248.000 Menschen wohnungslos. Rund 22.000 von ihnen leben auf der Straße. (epd)