Kunstwerk aus Keks

Bilder auf Weihnachtsplätzchen haben eine lange Tradition

17. Dezember 2011

Lebkuchenfiguren

Lebkuchen, Spekulatius und Springerle - bis heute gehört vor allem im süddeutschen Raum das Bildgebäck zum Weihnachtsfest dazu. Der Brauch der Zierbrote ist uralt. Schon vor 2.500 Jahren wurden laut Kulturhistorikerin Elke Gerhold-Knittel Teige mit Bildern geprägt. Der ägyptische Herrscher Ramses II. soll Gebildbrote bei religiösen Handlungen verwendet haben. Neben Griechen und Römern kannten auch die Germanen mit Honig gesüßte Bilderbrote, schreibt die Stuttgarter Kulturhistorikerin in ihrem Buch "Modelschätze".

Im Mittelalter nahmen die christlichen Klöster die Traditionen des Bildgebäcks auf und verzierten mit Formen aus Holz Hostien und Lebkuchen. "Generell wurde alles in Holz geschnitzt und in Teig ausgemodelt, was den Menschen bewegte", sagt die Kuratorin der Abteilung Volkskunde im Württembergischen Landesmuseum, Dagmar Bayer. Im 16. Jahrhundert gab es fast nur religiöse Motive. Das Bildgebäck war eine Art Buchersatz in einer Zeit, als die meisten weder lesen noch schreiben konnten. Es war ein Genuss für Gaumen und Grips.

"Neben bunten Glasfenstern und Malereien in Kirchen illustrierten die Model, was in der Bibel stand", so Volkskundlerin Bayer. Szenen aus dem Leben Christi oder dem Alten Testament konnten zu allen denkbaren Anlässen an Freunde und Bekannte weitergegeben werden, ähnlich wie es später mit Andachts- oder Heiligenbildchen passierte. Die Herstellung der Model aus Holz entwickelte sich im Mittelalter zu einer hohen Handwerkskunst.

Im 19. Jahrhundert wurden aus den Modeln Lebkuchen, Marzipan und Springerle - ein Gebäck aus Anis-Eierschaumteig - geformt. Die Springerle, die wahrscheinlich so heißen, weil der Teig beim Backen aufspringt, sind im süddeutschen Raum bis heute sehr beliebt. Manchmal mischte man auch Tragant, eine Art Harz, in den Teig, damit er sich gut formen ließ und hart wurde. Angemalte Tragantmodel dienten als Christbaumschmuck und Spielzeug.

In der Biedermeierzeit wichen die christlichen Motive den weltlichen Bildern. Paten schenkten kleinen Mädchen eine modisch gekleidete Dame, "Zuckerdockele" genannt. Die Jungs erhielten eine ausgemodelte Reiterfigur, berichtet Springerleexpertin Gerhold-Knittel. Auch für frivole Szenen und derbe Sprüche gab es Verwendung.

In einigen frommen Haushalten des Schwabenlandes sollen die biblischen Szenen auf den Modeln bis heute sehr geschätzt sein. Laut Buchautorin Gerhold-Knittel gehört bei manchen Familien bis heute beim "Springerlebacken" das Vorlesen aus der Bibel während des Modelprägens selbstverständlich dazu.

Obwohl die Tradition der Bilderplätzchen uralt ist, sind laut Eberhard Rieber, Holzbildhauer aus Jestetten bei Waldshut, die nostalgischen Holzmodel heutzutage wieder sehr gefragt. "Ich habe noch nie so viele Model gemacht wie in den letzten Jahren", sagt Rieber, der seit 30 Jahren als Holzbildhauer arbeitet. Er ist einer der wenigen Künstler in Deutschland, die heute noch Gebäckmodel schnitzen.

Schon sein Vater begann als kleiner Junge nach 1945 mit dem Fertigen von Modeln, weil im Krieg viele Formen verbannt waren und die Konditoreien Ersatz suchten. Von ihm, einem Drechslermeister, hat er das traditionelle Handwerk gelernt. Leider sei das Model-Schnitzen heutzutage nicht mehr rentabel, so Rieber. "Es ist kaum was daran zu verdienen." Zwar benötige er für die kleinen Kunstwerke aus Birnen-, Elsbeeren- oder Maulbeerholz wenig Material, dafür aber umso mehr Zeit.

An seinem bisher aufwendigsten Model - der alten Turnhalle der Stadt Zürich - habe er drei Tage lang gearbeitet. Um filigrane Bilder und Muster zu schnitzen, brauche man eine ruhige Hand und räumliches Vorstellungsvermögen. "Das, was nachher am meisten hervorstehen soll, muss am tiefsten ins Holz geschnitten werden, erklärt der Künstler. Außerdem muss alles spiegelverkehrt geschnitzt werden - ebenfalls eine Herausforderung.

Ebenso wie vor Hunderten von Jahren schneidet Rieber bis heute ins Holz, was die Menschen bewegt. Dies kann das Bild eines Hochzeitspärchens, das Wappen einer Stadt oder der Stuttgarter Hauptbahnhof sein. Eine Stuttgart-21-Gegnerin habe den Bahnhof in Auftrag gegeben und das Model mehrere hundert Mal ausgebacken. "Alle Springerle gingen in den Widerstand" habe die Aktivistin dem Holzbildhauer Rieber stolz am Telefon verkündet. (epd)