„Künstlerischer Schatz der Reformation“

Eröffnung des Themenjahres 2012 der Lutherdekade

26. Oktober 2011

Noten und Violinenhals

Für Martin Luther war die Welt voller Klang. Der Reformator (1483-1546), der selbst so gerne sang und Laute spielte, hatte auch auf die Musik in der Kirche maßgeblichen Einfluss. Mit der Reformation begann die eindrucksvolle Geschichte evangelischer Kirchenmusik. Im Blick auf das Reformationsjubiläum 2017 begeht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) daher das Themenjahr „Reformation und Musik“: Am Reformationstag, dem 31. Oktober, wird es im thüringischen Eisenach eröffnet.

Ein geschichtsträchtiger Ort: Luther verbrachte, getarnt als Junker Jörg, fast ein Jahr auf der Eisenacher Wartburg und übertrug das Neue Testament ins Deutsche. Johann Sebastian Bach (1685-1750), der Luthers Theologie in Musik übersetzte, wurde in Eisenach geboren.

In der um 1180 erbauten Kirche St. Georgen, in der Luther als Kind sang und Bach getauft wurde, soll nun das Themenjahr starten. Zahlreiche Veranstaltungen – Gottesdienste, Konzerte und Symposien –- sollen sich dann regelrecht „wie ein Band“ durch das kommende Jahr ziehen. Unter dem Motto „366plus1 – Kirche klingt" will die evangelische Kirche vom 1. Januar an jedem Tag des Schaltjahres und in der Osternacht den „künstlerischen Schatz der Reformation“ zum Klingen bringen: mit Motetten, Liedern, Orgel- und Konzertmusik, kleinen und größeren Ensembles, Jazzformationen und Gospelbands.

Dabei spielt die Musik immer wieder woanders: Das Konzert-Band zieht von Süden nach Norden und zurück nach Mitteldeutschland bis ins Erzgebirge. Eine „neue öffentliche Wertschätzung“ der Musik in der Kirche erhofft sich Klaus-Martin Bresgott vom Kulturbüro der EKD von den Konzerten. Für die Hörer sei eine sinnliche Erfahrung möglich. Und für die rund 1.900 hauptamtlichen evangelischen Kirchenmusiker solle Austausch, Motivation und Vernetzung verbessert werden.

Dazu dienen Symposien in ganz Deutschland: Als erstes steht die Wittenberger Tagung „Der Protestantismus und die Musik“ auf dem Programm (20. bis 22. Januar), bei der es um den Stellenwert der Musik in der Frömmigkeit und um Wirkungen protestantischer Musikkultur geht. Es folgen Tagungen zu Bach als Lutheraner, zum Choral, zu Gottesbildern in der Popmusik und zum Musizieren in der Gemeinde.

Auch die neue Musik soll 2012 nicht zu kurz kommen. So wird der für Pfingsten geplante Start der Nordkirche – der Zusammenschluss der Landeskirchen von Nordelbien, Mecklenburg und Pommern – von einem Musik-Projekt begleitet. Zum Chorfest „Dreiklang“ im August in Greifswald komponiert der Saxophonist Uwe Steinmetz in kirchlichem Auftrag ein Werk, das auch technisch ambitioniert ist. Drei Chöre mit je eigenen Kompositionen werden dabei – wie Sternsinger aus mehreren Richtungen kommend – zu einem Chor und einer einzigen Komposition verschmelzen.

Vom Kirchenmusikjahr könne ein „Kraftimpuls“ in die Gesellschaft ausgehen, sagt Bresgott. Besonders hebt er dabei das Singen hervor – auch das eine reformatorische Errungenschaft: Als einfacher Christ selbst in der Kirche singen zu dürfen, die eigene Stimme erheben zu können, das war eine Neuerung Luthers. Zuvor durfte die Gemeinde höchstens mal ein „Halleluja“ singen. Luther aber war davon überzeugt, dass die Musik der Theologie auf Augenhöhe gegenübersteht. Und dass Lieder den Menschen prägen.

Auf dieser theologischen Grundlage hat sich über 500 Jahre die evangelische Kirchenmusik entwickelt: Sie wird nicht nur von Kantoren, sondern von unzähligen Ehrenamtlichen getragen. Dazu gehören rund 7.000 Posaunenchöre und eine Viertel Million Sängerinnen und Sängern in nahezu 10.000 Chören. Der wohl prominenteste dieser Chöre stammt aus Sachsen und feiert 2012 zugleich ein eigenes Jubiläum: der Leipziger Thomanerchor. Ihn gibt es seit 800 Jahren. Und einer ihrer langjährigen Kantoren war Bach.

Die international renommierten Thomaner sind ein Beispiel dafür, dass die Musik der Kirche auch Menschen erreicht, denen die Institution fremd geworden ist. Und auch das Themenjahr „Reformation und Musik" ist offen für Kirchenferne, ein Großteil der Musizierenden stammt nicht aus der Kirche. Bresgott greift zu einem Bild: „Die Kirchentür ist eine Membran“, sagt er. Eine Membran überträgt den Schall. So solle es im Musikjahr 2012 sein. (epd)