„Eine ältere Dame kommt jung daher“

Die Deutsche Evangelische Kirchengemeinde Lissabon feiert 250. Geburtstag

30. Mai 2011

Foto nach dem Festgottesdienst am 15. Mai 2011.

1755 bebt die Erde in Lissabon.
Alles lag in Schutt und Asche. Kaum einer kam heil davon.

Menschen in Gebet und Trauer. Auch die Kirchen stürzten ein.
Und bald stellt man eine Frage: Das soll Gottes Liebe sein?

So lauten die ersten Zeilen des Gemeindeliedes, das für das Jubiläum der Deutschen Evangelische Kirchengemeinde Lissabon (DEKL) komponiert worden ist. Darin wird Bezug genommen auf die schwierigen Anfänge in den Jahren nach dem großen Erdbeben von 1755, das die glänzende Handelsmetropole Lissabon gänzlich zerstörte.

1761 war die Stadt noch ganz kaputt.
Herzen wollten schwer verheilen inmitten von Angst und Schutt.

Doch eine Handvoll Hanseaten, Kaufleute aus deutschem Land,
waren stolze Protestanten - nahmen nun das Kreuz zur Hand:

Lasst uns beten! Lasst uns singen!
Lasst uns endlich wieder eine gute Predigt anhören!

Lasst uns glauben! Lasst uns zweifeln!
Lasst uns in einer Gemeinde fest zusammen gehören!

Am 31. Mai 1761 hielt der holländische Pfarrer Johannes Schiving die erste Predigt in seiner neuen Gemeinde. Sie war unter dem Eindruck des Erdbebens von hanseatischen Kaufleuten gegründet worden – und gilt somit als drittälteste deutschsprachige evangelische Auslandsgemeinde weltweit.

Ein solches Jubiläum ist außergewöhnlich und großartig. Es nimmt nicht wunder, dass der Gemeindekirchenrat der DEKL mit den Vorbereitungen für das Festjahr schon in 2008 begonnen hat.

Nach einem Neujahrsempfang mit politischer Zeitansage, einem Abend der Erinnerungen sowie einer Lesung mit dem deutschen Autor Titus Müller fand vom 13. bis 15. Mai 2011 das offizielle Festwochenende statt. Die Gemeinde freute sich über viele Gäste aus dem Ausland, aus den spanischen und portugiesischen „Nachbargemeinden“ sowie aus der Ökumene und der deutschen community in Lissabon. Besonders begrüßt wurden der Bischof für Ökumene und Auslandsarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Schindehütte, der Generalsekretär des Gustav-Adolf-Werks aus Leipzig, Enno Haaks, sowie der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Lissabon, Helmut Elfenkämper.

Das Wochenende begann am Freitag abend mit einem Stehempfang im Palácio Vila Flor, einem der wenigen Häuser unterhalb der Burg, die beim Erdbeben von 1755 stehen geblieben sind. Gemeindekirchenrätin Ira Rückert und ihr Mann, Vizebotschafter Frank Rückert, stellten dafür dankenswerterweise ihre Wohnung zur Verfügung. Nach einer kurzen Begrüßung sangen die Gäste auf deutsch und portugiesisch „Lobe den Herren“. Ein weiterer Höhepunkt des Abends war der Auftritt der jungen Fadosängerin Cuca Roseta, die gleichermaßen mit ihrer Anmut und ihrem Können zu begeistern wusste.

Am Samstag startete die Gemeinde mit ihren Gästen zu einer Schiffsrundfahrt auf dem Tejo unter dem Motto „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“. Damit erinnerte sie sich an die Ankunft hanseatischer Kaufleute in Lissabon vor vielen hundert Jahren, deren Nachfahren dann die Gemeinde gründen sollten. Unvergessen bleiben die Eindrücke, Lissabon bei herrlichem Sonnenschein an sich vorbei ziehen zu sehen.

Den Höhepunkt des Festes bildete dann der Festgottesdienst am Sonntag. Eine gut gestimmte Gemeinde feierte zwei Stunden in der wunderschön geschmückten Kirche, die Otto Bartning 1934 bauen ließ. Höhepunkte waren die Predigt von Bischof Schindehütte, die Auftritte des neuen Chores an der DEKL sowie die Premiere des neuen Jubiläumsliedes „Lasst uns beten! Lasst uns singen!“ Nach mehreren großen Abendmahlstischen ging eine begeisterte Gemeinde aus der Kirche, wo ein Sektempfang und anschließend ein Gartenfest vorbereitet waren.

Die DEKL präsentiert sich heute nach 250 Jahren Geschichte als lebendige Gemeinde, die sich ihrer Geschichte und ihrer Wurzeln bewusst ist – und sich zur gleichen Zeit Neuerungen nicht verschließt. Die alte Dame scheint so ansprechend zu sein und zu bleiben für gleichermaßen ältere und jüngere Gemeindeglieder.

Im Oktober werden die Feierlichkeiten mit einem weiteren außergewöhnlichen Wochenende abgeschlossen: in der Aula der Deutschen Schule Lissabon wird das Pastorenkabarett Schwarzer Humor auftreten. Als Ehrengast zugesagt hat Margot Käßmann, die am Sonntag den Gottesdienst mit der Gemeinde feiern wird. 

Den hoffnungsfrohen Ausblick in eine von Gott geleitete und getragene Zukunft wagen die letzten Strophen des Liedes zum Jubiläum:

Wir schreiben 2011 und wir sind noch immer hier.
Kirche und Haus stehen prächtig da. Im Kühlschrank wartet kühles Bier.

Das ist köstlich, doch wir wissen, es ist letztlich fader Schein.
Denn was unsre Seelen erdet: Das ist ER in Brot und Wein.