"Den Glauben an Gott sucht man sich nicht aus"

Ein Tag im Leben der Schwestern der Communität Christusbruderschaft Selbitz

05. Februar 2011

Andacht in der Kapelle der Communität Christusbruderschaft Selbitz. (Foto: epd-bild / Michael McKee)

Fahles Morgenlicht schimmert durch die Glasfenster. Nur die Kerzen glimmen in der Kapelle der Communität Christusbruderschaft Selbitz. Schwester Birgit-Marie verneigt sich vor dem Altar, setzt sich auf die Kirchenbank und eröffnet das Morgengebet: "Herr, öffne meine Lippen, damit mein Mund dein Lob verkünde." Es ist kurz nach acht. In der Küche klappert das Geschirr, die Tische für rund hundert Gäste sind gedeckt, die Putzkolonne für die Zimmer steht parat.

Schwester Birgit-Marie leitet das Gästehaus der Communität mit jährlich rund 60 eigenen und ebenso vielen Fremdtagungen. Das sind rund 13.000 Übernachtungen pro Jahr. Ein Managerjob mit viel Verantwortung. Sieht so das typische Leben einer Schwester aus? "Natürlich ist es schwer, bei all der Arbeit noch Raum zu finden für das geistliche Leben", gibt die Schwester zu, "aber das muss ich eben üben." Hilfreich sei der Tagesablauf der Communität: Drei Mal am Tag wird gebetet. Außerdem zieht sich Schwester Birgit-Marie abends um halb acht zu einer persönlichen Zeit der Stille zurück.

Schwester Birgit-Marie ist eine von 120 Schwestern und sieben Brüdern der Communität Christusbruderschaft Selbitz. Sie leben nach alten Mönchsregeln, den sogenannten Evangelischen Räten: Armut, Keuschheit und Gehorsam. Der Großteil der Schwestern wohnt im Ordenshaus in Selbitz, die Brüder leben bei Halle. Konvente gibt es im Kloster Wülfinghausen bei Hannover, im Hof Birkensee in der Nähe von Nürnberg, im Kloster St. Marien in Verchen, in Bayreuth, München, Wittenberg und Magdeburg sowie im afrikanischen Zululand.

Priorin Veronika Böthig hat einen prall gefüllten Terminkalender. Sie leitet die Gemeinschaft und scheut sich nicht, über ihr Leben als Schwester zu sprechen. Vieles im Alltag einer Kommunität sei mit dem Leben in einer Familie vergleichbar - hier wie dort gebe es Freude und Ärger, Konflikte und schöne Erlebnisse, sagt sie. Der Unterschied sei die Hinwendung zu Gott. Der Mensch, so ist die Priorin überzeugt, ist auf Gott hin angelegt: "Ich bin hier reich geworden und habe zu einem erfüllten Leben gefunden."

Um Erneuerung ging es auch den Gründern der Communität. Pfarrer Walter Hümmer (1909-1972) und seine Frau Hanna (1910-1977) erlebten einen geistlichen Aufbruch und gründeten 1949 im oberfränkischen Schwarzenbach an der Saale eine kleine Gemeinschaft. Nach massiven Konflikten in der Gemeinde wies die Kirchenleitung dem Ehepaar eine andere Pfarrstelle zu. Selbitz wurde neue Heimat für die kleine Gemeinschaft, die nach und nach wuchs. Nach dem Mutterhaus entstanden ein Gästehaus und ein Alten- und Pflegeheim.

Die Gründerpersönlichkeiten prägten die Gemeinschaft: In der Stille auf das Wort Gottes hören und das Wahrgenommene im Alltag umsetzen - diese Anweisungen haben bis heute Gültigkeit. Das Kreuz mit Dornenkrone und Herz ist Zeichen der Communität.

Schwester Alice, die Besuchern im Ordenshaus eine kleine Ausstellung zur Geschichte der Kommunität zeigt, ist Anfang dreißig, also in etwa so alt wie das Ehepaar Hümmer, als es nach Selbitz kam. In einer Gemeinschaft zu leben, bedeute, ein Wagnis einzugehen, sagt sie. Dies spiegelten auch die unterschiedlichen Pole des Gründerpaars wider. Während Pfarrer Hümmer ein missionarisches Herz hatte und tief dem Glauben in der lutherischen Kirche verbunden gewesen sei, habe seine Frau eine mystisch-prophetische Begabung gehabt und zahlreiche Lieder geschrieben. "Sie haben ein Leben vorgelebt, an dem wir uns orientieren können", sagt Schwester Alice.

Es ist Abend geworden in Selbitz. Im Haupthaus haben sich die Schwestern im Gemeinschaftsraum zu einer geselligen Runde eingefunden. Novizin Schwester Christel, die seit einem Jahr in der Kommunität lebt, berichtet mit viel Humor und zur großen Erheiterung der Schwestern von ihrem Praktikum im Gästehaus. Über eine Mikrofonanlage können die pflegebedürftigen Schwestern im nahe gelegenen Alten- und Pflegeheim den Berichten folgen. Ein letztes Lied erklingt, dann ziehen sich die Schwestern in ihre Zimmer zurück, bis zum nächsten Morgengebet.

(epd)