Glücksgöttin, Kruzifix und Gebetsteppich

Im Hamburger Seemannsclub "Duckdalben" haben acht Weltreligionen ihren Platz

24. August 2009


Inmitten der Hektik von Kaianlagen, Zollstationen, Schiffen und Schwerlastverkehr gibt es im Hamburger Hafen eine Oase mit grünem Garten: der Internationale Seemannsclub "Duckdalben", seit 1986 eine der weltgrößten Einrichtungen seiner Art für Seeleute an Land. Die größte Besonderheit aber ist ein "Raum der Stille" im ersten Stock. Unter einem schrägen Dach mit vier bunten Mosaikfenstern und einer klaren Fensterleiste mit Blick auf die Köhlbrandbrücke sind alle großen Religionen der Welt zu Hause.

Gleich links neben der Eingangstür steht die Porzellanfigur einer taoistischen Glücksgöttin aus China auf einem schmalen Tisch. "Ein Mitbringsel eines Seemanns aus Fernost", erinnert sich "Duckdalben"-Chef und Diakon Jan Oltmanns. Daneben haben die indischen Sikhs ihren Platz, gefolgt von Hindus und Anhängern von Naturreligionen, mit Bildern von Indianern an der Wand.

Während viele andere "Räume der Stille" auf Flughäfen und Bahnhöfen im Namen der Toleranz oder der weltanschaulichen Neutralität auf religiöse Symbole ganz verzichtet haben, ist es im "Duckdalben" genau umgekehrt: Hier hat alles seinen Platz, einträchtig nebeneinander vereint. Nur schmale Blumenkübel trennen die Gebetsecken voneinander.

Die Nische der Buddhisten ist mit Bildern und einem goldroten Wandteppich geschmückt. Direkt daneben liegt auf einem schmalen Holztisch eine aufgeschlagene hebräische Bibel samt jüdischem Gebetsbuch und siebenarmigem Leuchter.

Bei den Christen liegt eine schwere Goldschnitt-Bibel auf einem kleinen Altar zwischen zwei Kerzenleuchtern, darüber hängt ein Kruzifix mit einem schwarzen Christus aus Ebenholz. Rechts daneben sieht man eine Ikonen-Wand, gemischt aus griechisch-, russisch- und rumänisch-orthodoxer Tradition.

Das Vaterunser hängt als Poster in 22 Sprachen an der Wand, darunter englisch, französisch, russisch - aber auch arabisch, ornamentengleich im Kreis geschrieben. Nur das Spanische fehlt, wie erst kürzlich jemand entdeckt hat - Oltmanns will es nachliefern, sucht noch einen passend geschriebenen Text. Vor der Gebetsnische der Muslime liegen zwei Teppiche schräg im Raum, einer ist eingerollt. Sie sind nach Osten, also gen Mekka ausgerichtet. Der Koran liegt zweisprachig in arabisch und englisch vor.

"Fremde sind Freunde, die sich noch nicht kennen", sagt Oltmanns. Und die Religion, zitiert er einen Seemann, sei "eine persönliche Entscheidung, die respektiert werden muss". Auch dieser Satz hängt unter Glas gerahmt im "Duckdalben". Gemeinsame Feiern oder Andachten finden in dem "Raum der Stille" nicht statt - der Ort wird fast ausschließlich von Seeleuten genutzt, die allein sein wollen, mit sich selbst, ihren Gedanken und ihrem Heiligsten.

Das Gästebuch des Raumes ist gefüllt mit Grüßen, Wünschen und Gebeten - "May Allah bless you", schrieb gerade jemand. Sehr häufig gelten die Einträge den Familien zu Hause. In der Mitte des Raumes steht ein großer, aus offenen Metallstangen gefertigter Globus, auf dem Teelichter entzündet werden können.

"Wir führen keine Statistiken darüber, wer sich hier aufhält", sagt Oltmanns. Das sei "total privat" - und das soll so bleiben: "Wer zu uns kommt, ist willkommen." Manche Theologen befürchteten zuweilen, dass angesichts der vielen Altäre so etwas wie Religionsvermischung stattfinden könne. Oltmanns sieht das anders: "Wir befürchten erst mal gar nichts, sondern begrüßen unsere Gäste." Für komplizierte Lehrstreitigkeiten sei ein Seemannsclub der falsche Ort.

"Grenzen können sich nur Landratten ausdenken", habe einmal ein Seemann gesagt. "Auf den Weltmeeren gibt es keine." Auch keine Grenzen der Religion - jeder Einzelne sei stets mit seiner Seele, seinem Glauben und seinem Gott unterwegs. Und zwar auf ständig dröhnenden, vibrierenden und lauten Schiffen. "Stille gibt es nie und nirgendwo an Bord", weiß Oltmanns. Nur die ständige Sehnsucht danach. Und in Hamburg gibt es für diese Sehnsucht der Seeleute einen Ort: den Raum der Stille im "Duckdalben". (epd)