EKD-Ratsdelegation besucht China (Berichte)

Gespräche über das Verhältnis von Kirche und Staat

11. Oktober 2004


EKD-Ratsvorsitzender Huber zieht positive Bilanz nach China-Reise

Bischof: 21. Jahrhundert wird von Chinesen mitgeprägt werden

Schanghai (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, hat eine positive Bilanz seines zweiwöchigen Besuchs in der Volksrepublik China gezogen. Die Kontakte zur protestantischen Kirche in dem «ungewöhnlichen Land» seien «intensiviert und vertieft» worden, erklärte Huber zum Abschluss seiner Reise am Samstag vor Journalisten in Schanghai. Er sei überzeugt, dass «die Welt des 21. Jahrhunderts in erheblichem Maße von den Chinesen mit geprägt werden wird», sagte Huber.

«Ich bin beeindruckt von der Zuversicht, mit der die chinesischen Christen die Zukunft zu gestalten versuchen», beschrieb der Berliner Bischof seine Begegnungen mit chinesischen Kirchenvertretern und Gläubigen in mehreren Städten und Provinzen des Landes. Dabei war er vor allem mit Vertretern der «Patriotischen Protestantischen Drei-Selbst-Bewegung» zusammengetroffen, die als einzige evangelische Gemeinschaft von der Regierung anerkannt wird.

Diese Bewegung erlebt derzeit den weltweit größten Mitgliederzuwachs aller protestantischen Kirchen. Außerdem führte die von Bischof Huber angeführte Delegation Gespräche mit den staatlichen Religionsbehörden und Funktionären der «Einheitsfront»-Abteilung der Kommunistischen Partei, die für die Religionspolitik zuständig ist.

Nach der Kulturrevolution der sechziger und siebziger Jahre, in der alle Kirchen geschlossen, Bibeln zerstört und Geistliche inhaftiert wurden, waren erst 1979 erste Gebetsräume wieder eröffnet worden. Heute wird die Zahl der anerkannten evangelischen Christen auf 16 bis 18 Millionen Menschen geschätzt.

Die Zahl der in ganz China entstandenen Kirchen und Gebetstreffpunkte soll bei rund 50.000 liegen. Dabei herrscht starker Mangel an ausgebildeten Pfarrern: In den 18 theologischen Seminaren und fünf Bibelinstituten des chinesischen Christenrates sind in den vergangenen zwanzig Jahren nach Angaben aus Kirchenkreisen bislang erst 5.000 Geistliche ausgebildet worden.

Huber verglich das Ende der Kulturrevolution in China mit dem Fall der Mauer in Deutschland. In beiden Gesellschaften habe dies zu großen Umwälzungen geführt, sagte er. Die EKD und der chinesische Christenrat wollen ihre Kontakte weiter vertiefen, so Huber. Man hoffe, dass chinesische Studenten künftig wieder zum Theologiestudium nach Deutschland kommen und deutsche Theologen zum Praktikum nach China gehen können. Außerdem wolle man bei der Sozialarbeit zusammenarbeiten und den theologischen Dialog verstärken.

Obwohl die Religionsfreiheit heute deutlich größer sei als in den vergangenen Jahrzehnten, herrsche in China «eine in hohem Maße reglementierte Freiheit». Dies verlange von jenen Gläubigen, die Mitglied der Patriotischen-Drei-Selbst-Bewegung sind, «ein hohes Maß an Anpassung», sagte Bischof Huber.

Jene chinesischen Protestanten, die sich nicht unter die Aufsicht durch die staatlichen Religionsbehörden begeben wollen, müssten unter großer Unsicherheit leben. Wie viele dieser nicht registrierten Hauskirchen derzeit in China existieren, ist völlig unklar. Die Zahl könnte Schätzungen zufolge noch einmal ebenso groß sein wie die der «Drei-Selbst-Gemeinden».

Huber verurteilte das von der Regierung verhängte Verbot, Kinder unter 18 Jahren zu taufen, als «gravierenden Tatbestand» und Verstoß gegen die Religionsfreiheit. Außerdem bemängelte er, dass Bibeln nicht frei in Buchhandlungen zu kaufen sind, obwohl kein Mangel herrscht: In den letzten Jahren sind über dreißig Millionen Bibeln in China gedruckt worden. Die Behörden schreiben aber vor, dass Bibeln nur in registrierten Kirchenzentren abgegeben werden dürfen.

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd) vom 17. Oktober


EKD und Chinesischer Christenrat vertiefen Beziehungen

Schanghai (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und der protestantische Christenrat in der Volksrepublik China wollen ihre Zusammenarbeit ausweiten. Dies wurde bei einem Treffen am Freitag in Schanghai vereinbart. Der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber, der zurzeit China besucht, sprach von einem neuen Kapitel in den Beziehungen zwischen beiden Kirchen. Beschlossen wurden Kooperationen bei der theologischen Ausbildung, bei Sozialprojekten und beim theologischen Dialog.

An dem Treffen in Schanghai nahmen unter anderen die Präsidentin des Chinesischen Christenrats, Cao Shengjie, und der Vorsitzende der Patriotischen Drei-Selbst-Bewegung, Ji Jianhong, teil. Der Christenrat und die Bewegung sind die beiden einzigen offiziell zugelassenen protestantischen Organisationen in der kommunistisch regierten Volksrepublik. Sie repräsentieren etwa 18 Millionen evangelische Christen. Weitere 15 Millionen werden in nicht registrierten Hauskirchen vermutet.

Der Christenrat hat eine neue Abteilung für Sozialarbeit gegründet, mit dem der Evangelische Entwicklungsdienst mit Sitz in Bonn künftig direkt zusammenarbeiten wird, wie Huber erläuterte. Außerdem ist geplant, dass nach rund zwei Jahrzehnten erstmals wieder chinesische Theologiestudenten nach Deutschland kommen können. Die EKD-Delegation unter Leitung Hubers hält sich noch bis Sonntag in China auf.

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd) vom 15. Oktober


Protestanten rügen China

EKD-Vorsitzender Huber pocht in Peking auf Religionsfreiheit

Die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) hat mehr Freiheiten für Christen in China gefordert. Trotz der Fortschritte seit der Kulturrevolution werde Religionsfreiheit in China vom Staat nur in "reglementierter Form" gewährt, sagte der EKD-Rats- vorsitzende Wolfgang Huber in Peking.

Peking, 14. Oktober maa). Bischof Huber, der auf Einladung des offiziellen Chinesischen Christenrates zu einem zweiwöchigen Besuch in der Volksrepublik ist, verlangte, dass die Religionsfreiheit als fundamentales Menschenrecht Gegenstand des bilateralen Rechtsstaatsdialogs zwischen Deutschland und China werden müsse. "Man muss aufpassen, dass der Rechtsstaatsdialog nicht auf Fragen verengt wird, die mit der Verbesserung der Handelsbeziehungen und der Sicherung von Eigentumsrechten zu tun haben", meinte Huber.

Die evangelische Kirche ist die am schnellsten wachsende Religionsgemeinschaft in China. Schätzungen zufolge gibt es in der Volksrepublik rund 35 Millionen Protestanten, jedes Jahr werden zwei Millionen Chinesen konfirmiert. Chinas Regierung verlangt von allen Kirchen und religiösen Gemeinden eine staatliche Registrierung, was viele Gläubige aus Angst vor Repressalien jedoch ablehnen. Etwa die Hälfte aller Protestanten, so wird geschätzt, üben ihren Glauben deshalb heimlich in privaten Hauskirchen aus. Die Hauskirchen werden von den Behörden nicht anerkannt, in manchen Fällen werden die Christen verfolgt.

Im vergangenen Jahr startete die KP-Führung eine Kampagne gegen Kultbewegungen, bei der auch Priester christlicher Splittergruppen verhaftet wurden. "Es gibt noch immer eine Grenze zwischen registrierten und nicht registrierten Gemeinden, insbesondere bei den Protestanten", sagte Huber. "Wir Christen lassen eine solche Trennung nicht zu." Chinas offizielle Kirche müsse sich für alle Gläubigen auch in den Hauskirchen öffnen, sagte der Bischof.

Kritik an Todesstrafe

Huber, der neben Hongkong und Peking die Provinzen Guizhou und Jiangsu besucht, kritisierte auch die generelle Menschenrechtslage in China wie etwa den häufigen Einsatz der Todesstrafe. "Wir haben auf die Dringlichkeit des Menschenrechtsthemas hingewiesen", sagte Huber. Mitglieder der EKD-Delegation betonten, dass chinesische Besucher dieses Jahr in Berlin bewusst auf Einzelfälle von Verfolgungen angesprochen worden seien.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 15. Oktober


Zwischen Parteidoktrin und Glaubensfreiheit

Die evangelische Kirche in China sucht ihren eigenen Weg

Von Jutta Lietsch (epd)

Nanjing (epd). In einem alten Bauwerk, umgeben von einem großen Garten, liegt das geistige Zentrum der staatlich anerkannten protestantischen Kirche Chinas: das theologische Seminar in Nanjing. Den Empfangsraum ziert neben religiösen Bildern eine Kalligraphie die der frühere Staats- und Parteichef Jiang Zemin gezeichnet hat: «Das Land lieben, die Religion lieben, vereint im Fortschritt».

Derzeit bereiten sich in Nanjing 180 Studenten auf ihre Arbeit als Seelsorger vor. Es ist das größte der 19 protestantischen Theologieseminare. Zwar ist von den 1,3 Milliarden Chinesen nur eine kleine Minderheit evangelisch: Nicht mehr als 18 Millionen Mitglieder hat die «Patriotische Drei-Selbst-Bewegung» nach offiziellen Angaben. Doch sie wächst rasant um jährlich rund 500.000 Gläubige.

«Wir brauchen dringend mehr ausgebildete Geistliche», sagt Pfarrer An Xinyi vom Christenrat der Provinz Jiangsu, deren Hauptstadt Nanjing ist. Deshalb soll ein neues Bildungszentrum für mindestens tausend Studenten am Stadtrand entstehen. Gelehrt wird eine «protestantische Theologie mit eigenen chinesischen Merkmalen», so eine Dozentin.

Für die Geistlichen, die in den offiziell registrierten Kirchen aktiv sind, ist der Spielraum eng. «Für uns ist es wichtig, eine einige und harmonische Kirche zu haben,» sagt der Präsident des Seminars, Bischof K.H. Ting, der bald seinen 90. Geburtstag feiert.

Der betagte Theologe überraschte eine Delegation der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Mittwoch mit der Nachricht, dass die protestantische Kirche in der Volksrepublik erstmals seit Jahrzehnten wieder Bischöfe weihen will: «Wir haben beschlossen, dass die Kirche Chinas mehr wie eine richtige Kirche werden soll.» Ting war bereits vor der Gründung der kommunistisch regierten Volksrepublik China 1949 zum Bischof der anglikanischen Kirche geweiht worden. Er ist heute der einzige noch lebende protestantische Bischof in China.

Auch Seminar-Dozentin Zhang Jing, die kürzlich von einem Studienaufenthalt in Louisiana (USA) zurückgekehrt ist, lehnt eine Spaltung in unterschiedliche Konfessionen ab. Europäische Prediger hätten seit dem 19. Jahrhundert unterschiedliche Bibelübersetzungen gebracht, und oft auch Soldaten im Schlepptau: «Jetzt lassen wir das nicht mehr zu. Jetzt bestimmen wir unseren eigenen Weg», sagt Zhang.

Bischof Ting hat vor Jahren eine «theologische Wiederaufbaubewegung» initiiert. Damit, so erklärt er jetzt, sollten «fundamentalistische» christliche Bewegungen bekämpft werden, die besonders auf dem Land Fuß fassten. Viele gelangten aus Südkorea und den USA heimlich nach China, andere entstanden in der Untergrundkirche.

Wie sich die protestantische Kirche in China weiter entwickelt, hängt jedoch vor allem von der Kommunistischen Partei ab, die religiöse Aktivitäten nach wie vor mit Argwohn betrachtet und zu kontrollieren versucht. So dürfen Bibeln heute zwar in China gedruckt - aber nicht in normalen Buchläden verkauft werden, sondern nur in Kirchen.

Es sind die Religionsbehörden und die «Einheitsfrontabteilung» der Kommunistischen Partei, die bei Einstellungen das letzte Wort haben und über Kirchenbauten entscheiden. Ihre Vertreter saßen auch bei einem Gespräch der EKD-Delegation unter Leitung von Bischof Wolfgang Huber mit Theologen des Seminars von Nanjing über das «Verhältnis von Kirche und Staat» mit am Tisch.

Auf die Frage, warum die atheistische KP, deren Mitglieder keiner Kirche angehören dürfen, über die religiöse Freiheit der Chinesen bestimmen wolle, reagiert ein Mitarbeiter der «Einheitsfront» gereizt: Die KP sei die Repräsentantin des Landes und von der gesamten Bevölkerung gewollt: «Wir wollen nicht, dass irgendwelche Ausländer kommen und uns erklären, wie wir mit der Religion umzugehen haben.»

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd) vom 14. Oktober 2004


Evangelische Kirche in China will wieder Bischöfe weihen

Nanjing (epd). Die protestantische Kirche in China will zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder Bischöfe weihen. Dies teilte der Präsident des Theologischen Seminars in Nanjing, Bischof K.H. Ting, am Mittwoch einer Delegation der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit, die derzeit China besucht. Der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber begrüßte die Entscheidung als Schritt zur Eigenständigkeit der kirchlichen Strukturen. Dies werde den Zusammenhalt zwischen den chinesischen Gemeinden stärken, sagte er.

Die Ankündigung der Bischofsweihe wurde in Kirchenkreisen als sensationell bewertet. Ting, der bald seinen 90. Geburtstag feiert, war bereits vor der Gründung der kommunistisch regierten Volksrepublik China im Jahr 1949 zum Bischof der anglikanischen Kirche geweiht worden. Er ist heute der einzige noch lebende protestantische Bischof in China.

«Wir haben beschlossen, dass die Kirche Chinas mehr wie eine richtige Kirche werden soll», begründete Ting den Entschluss. Man wolle die «apostolische Nachfolgeregelung» wiederbeleben. Die Bestimmung der Bischöfe solle durch Handauflegen durch Geistliche geschehen, die bereits selbst Bischöfe sind, sagte er.

«Da es außer mir niemand mehr gibt, wollen wir einige Bischöfe aus dem Ausland zum Handauflegen einladen», sagte er. Wann die ersten Bischöfe geweiht und nach welchem Modus sie gewählt würden, stehe noch nicht fest. Frauen seien mit Sicherheit darunter.

Chinas Protestanten dürfen sich seit den 50er Jahren nur einer einzigen Gemeinschaft anschließen: Der «Patriotischen Protestantischen Drei-Selbst-Bewegung», die vom Staat streng kontrolliert wird. Sie versteht sich als selbstständige Organisation, die von ausländischen Kirchen unabhängig ist und nach innen jede Aufspaltung nach Denominationen ablehnt.

Zusammen mit dem 1980 gegründeten Chinesischen Christenrat gilt die Drei-Selbst-Bewegung als einzig zugelassene Vertretung der protestantischen Christen in China. Die Zahl ihrer Mitglieder wird auf 16 bis 18 Millionen geschätzt. Daneben gibt es mindestens noch einmal so viele evangelische Christen in nicht registrierten Hauskirchen, schätzen Experten. Bischof Ting stand bis 1996 an der Spitze des Christenrates und der Drei-Selbst-Bewegung.

Der EKD-Ratsvorsitzende Huber hatte am Mittwochnachmittag in Nanjing einen Kranz an der Gedenkstätte für das Massaker von 1937 niedergelegt. Damals hatten japanische Truppen bis zu 300.000 chinesische Soldaten und Stadtbewohner innerhalb weniger Tage ermordet. «Dies ist einer der Orte auf der Welt, der in besonderer Weise an das Grauen erinnert», sagte Bischof Huber. Diese Gedenkstätten müssten zum Ausgangspunkt für die Versöhnung zwischen den Menschen werden.

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd) vom 14. Oktober 2004


EKD-Delegation informierte sich über evangelische Christen in Peking

Peking (epd). Eine Delegation des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat sich am Samstag in Peking über die Situation evangelischer Christen in der chinesischen Hauptstadt informiert. Die Delegation wird vom EKD-Ratsvorsitzenden, dem Berliner Bischof Wolfgang Huber, geleitet. «Rund 40.000 Gläubige besuchen die evangelischen Gottesdienste in der Hauptstadt», berichtete die Generalsekretärin des Pekinger Christenrates, Li Yonghong.

Weil der Platz in den neun protestantischen Kirchen Pekings bei weitem nicht ausreiche, nutzten die Gemeinden über 700 offiziell registrierte Versammlungshäuser, so Li Yonghong. Diese seien meist in Bürogebäuden, Werkhallen und anderen Einrichtungen untergebracht. Viele von ihnen hielten jeden Sonntag zwei bis vier Gottesdienste ab. In Peking amtieren nach Angaben der Generalsekretärin rund fünfzig evangelische Geistliche.

Zusätzlich zu den bereits bestehenden Kirchen und Versammlungshäusern sei kürzlich eine neue Kapelle des Theologischen Seminars in Peking fertig gestellt worden, berichtete der Leiter des Yanjing-Seminars, Reverend Qi Tieying: «Dies ist das erste komplett neue Kirchengebäude, dass in Peking seit den fünfziger Jahren errichtet wurde. Ihre Orgel stammt aus Deutschland.»

Die Kapelle hat 500 Sitzplätze und wurde durch eine Spende von einer halben Million US-Dollar eines ehemaligen Absolventen des Yanjing-Seminars ermöglicht, sagte Qi. Sie sei die Kopie einer inzwischen abgerissenen Kirche im Herzen Pekings, in der Anfang des vergangenen Jahrhunderts der Gründer der chinesischen Republik, Sun Yatsen, gebetet habe, erklärte Qi.

Darüber hinaus entstehen den Angaben zufolge derzeit für umgerechnet vier bis fünf Millionen Euro zwei große protestantische Kirchen im Norden und Osten Pekings mit je rund 1.000 Sitzplätzen. Sie würden voraussichtlich im kommenden Jahr fertig werden, erklärte Qi. Eine dieser neuen Kirchen wird möglicherweise auch ausländischen Gemeinden in Peking offen stehen hieß es.

Der Christenrat und die «Patriotische Protestantische 3-Selbst-Bewegung» werden als einzige Organisationen evangelischer Christen offiziell von der Regierung anerkannt. Chinas christliche Gemeinden müssen, so die Vorschrift, finanziell, personell und in ihrer theologischen Praxis selbstständig sein («3-Selbst») und dürfen nicht mit ausländischen Kirchenorganisationen verbunden sein.

Daneben gibt es zahlreiche Hauskirchen und Gläubige, die sich nicht anmelden wollen, da sie die Kontrolle der Behörden ablehnen. Zuständig für die Registrierung von neuen Gemeinden sind die Religionsämter, die sich «von uns beraten lassen», so die Vorsitzende des Pekinger Christenrates, Li.

Insgesamt leben heute mehr als 16 Millionen offiziell registrierte protestantische Christen in China. Die Zahl der unregistrierten Gemeinschaften ist weitaus höher, schätzen Fachleute.

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd) vom 10. Oktober 2004


EKD-Ratsvorsitzender Huber setzt sich für Gemeinden in China ein

Peking (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat sich in China dafür eingesetzt, das Gemeindeleben der deutschsprachigen Protestanten zu erleichtern. Bei einem Treffen mit dem stellvertretenden Minister der staatlichen Religionsbehörde, Wang Zuo'an, trug Bischof Huber am Freitag in Peking den Wunsch vor, dass die in China lebenden deutschen evangelischen Christen Gemeindepfarrer aus Deutschland anstellen können. Das ist nach chinesischen Vorschriften bislang nicht möglich.

Huber sagte nach dem Treffen, seine chinesischen Gesprächspartner in der Religionsbehörde hätten aber erklärt, «dass sie den Wunsch der evangelischen Christen aus Deutschland verstehen und sich darum bemühen, eine Lösung zu finden». In Peking leben derzeit über 3.000 deutsche Geschäftsleute, Akademiker, Diplomaten und Journalisten.

Die deutschsprachige evangelische Gemeinde, die zuerst zwischen 1916 und 1949 in der chinesischen Hauptstadt existiert hatte, wurde 1995 wiederbelebt. Ihr gehören derzeit 25 Familien und 41 Einzelmitglieder an. Sie wird betreut von dem aus Marbach stammenden Pfarrer Gerold Heinke, der als Lehrer in der deutschen Botschaftsschule angestellt ist und dort auch Religionsunterricht anbietet. Derzeit betreut er neun Konfirmanden.

Eine zweite deutschsprachige evangelische Gemeinde wurde in Schanghai aufgebaut, die in ökumenischer Gemeinschaft mit deutschsprachigen Katholiken in der Hafenstadt steht. Ihr gehören 30 Familien an. Die chinesische Regierung erlaubt es ausländischen Gemeinden bislang noch nicht, offiziell und regulär Pfarrer aus ihren Heimatländern einzustellen. Es ist ausländischen Gemeinden auch nicht erlaubt, Gottesdienste zusammen mit chinesischen Christen abzuhalten.

Weiteres Thema der Gespräche der EKD-Delegation war unter anderem die Religionsfreiheit in China. Bischof Huber regte an, die Religionsfreiheit künftig «im Zusammenhang mit dem Rechtsstaatsdialog zu sehen», der seit fünf Jahren regelmäßig zwischen deutschen und chinesischen Juristen und Politikern stattfindet.

Obwohl die Zahl der protestantischen Christen stark zunahm, bleibt die Regierung laut Vizeminister Wang bei ihrer Haltung, dass Mitglieder der Kommunistischen Partei keiner Kirche angehören dürfen. Das sei nicht möglich, da es sich um «zwei unterschiedliche Glauben» handele, sagte er. Die EKD-Delegation unter Leitung von Bischof Huber hält sich noch bis 17. Oktober in China auf.

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd) vom 08. Oktober 2004


Glauben mit beschränkter Freiheit

EKD-Delegation informiert sich über die Situation der Christen in China

Von Jutta Lietsch

Peking (epd). Überfüllte Kirchen, Massentaufen, Hausgottesdienste: In kaum einem anderen Land haben protestantische Gemeinden derzeit so viel Zulauf wie in China. Mehr als eine halbe Million neue Mitglieder jährlich verzeichnet die evangelische Kirche nach offiziellen Angaben. Doch ihre Situation ist oft kompliziert - und die Freiheit der Gemeinden ist beschränkt.

Um die Beziehungen zu den Partnerkirchen in China zu vertiefen und ihre Situation besser kennen zu lernen, besucht bis zum 17. Oktober eine Delegation des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) unter Leitung des Ratsvorsitzenden, Bischof Wolfgang Huber, das Land. Die acht Mitglieder reisen auf Einladung des Chinesischen Christenrates und der staatlichen Religionsbehörde. Nach einem Aufenthalt in Hongkong traf die Gruppe in Peking ein. Weitere Stationen sind Guiyang, Nanjing und Schanghai.

Zu den Schwerpunktthemen der Gespräche gehört das Verhältnis von Staat und Kirche im kommunistisch regierten China, so die EKD-Delegation. Dabei soll auch über Menschenrechte gesprochen werden. Obwohl die chinesische Verfassung fünf Glaubensrichtungen - Protestanten, Katholiken, Buddhisten, Muslime und Taoisten - Religionsfreiheit zusichert, müssen sich alle Gläubigen staatlich zugelassenen Organisationen unterordnen.

Chinas Protestanten dürfen sich nur einer einzigen Gemeinschaft anschließen: der in den 50er Jahren gegründeten «Patriotischen Drei-Selbst-Bewegung», die vom Staat kontrolliert wird. Der komplizierte Name spiegelt die schwierige Geschichte der Religionen wider: Nach ihrem Sieg 1949 hatten die Kommunisten unter Mao Tse-tung ausländische Missionare inhaftiert oder des Landes verwiesen.

Die chinesischen Christen wurden gezwungen, alle internationalen Beziehungen zu Kirchen abzubrechen. Die in der «Drei-Selbst-Bewegung» organisierten Protestanten sollten finanziell, personell und in ihren religiösen Ansichten «selbstständig» sein - und nicht gegen die Staatsdoktrin der KP verstoßen.

Wer sich weigerte, musste mit scharfen Strafen rechnen. Trotzdem gingen viele chinesischen Protestanten in den Untergrund und bildeten eigene «Hauskirchen». In den 60er und 70er Jahren, während der Kulturrevolution, wurden auch die staatlich anerkannten Kirchen geschlossen, zahlreiche Pfarrer und Gläubige in Arbeitslager geworfen und die staatliche Religionsbehörde abgeschafft.

Ende der 70er Jahre durften die ersten Kirchen - viele waren zerstört oder in Fabriken und Lagerhallen umgewandelt worden - wieder öffnen. Seit 1980 ist der protestantische Christenrat für den Aufbau von Gotteshäusern, für die theologische Ausbildung und die Beziehungen zu ausländischen Kirchenorganisationen verantwortlich.

Offizielles Ziel bleibt, einen Protestantismus «mit chinesischen Merkmalen» zu entwickeln, erklärte kürzlich der stellvertretende Vorsitzende der «Drei-Selbst-Bewegung», Deng Fucun. Nach offiziellen Angaben wuchs die protestantische Kirche in China inzwischen auf mehr als 16 Millionen Mitglieder an. Die Zahl der Anhänger der nicht registrierten «Hauskirchen» ist aber, so glauben Experten, weitaus größer. Dies führt immer wieder zu Konflikten mit dem Staat: Viele Protestanten sitzen im Gefängnis.

Die offizielle katholische Kirche gehört zur «Chinesischen Patriotischen Katholikenvereinigung», die den Vatikan nicht anerkennt. Es existiert auch eine Vatikan-treue «Untergrundkirche», deren Mitglieder von willkürlichen Verhaftungen bedroht sind. Experten schätzen die Zahl der Katholiken auf insgesamt rund zehn Millionen Menschen.

Heimlich oder offen kamen seit den 80er Jahren Tausende Missionare aus den USA, Europa oder aus Südkorea und den Philippinen nach China, die meist charismatischen und Pfingstgemeinden angehören. Dies ist der Pekinger Regierung ein Dorn im Auge. Um zu verhindern, dass Wanderprediger unkontrolliert im Lande missionieren, dürfen Geistliche nur in Kirchengebäuden oder an genehmigten Orten predigen.

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd) vom 08. Oktober 2004