"Für Betroffene selbst ein Durchbruch"

EKD-Ratsvorsitzender im SWR2-Tagesgespräch

18. Juli 2002


SWR2-TAGESGESPRÄCH

Thema: BVG-Entscheidung zum Lebenspartnerschaftsgesetz

18.07.2002

Anke Hlauschka im Gespräch mit Manfred Kock

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Lebenspartnerschafts-Gesetz als Schritt hin zur Verbesserung der Situation Homosexueller gewürdigt. Im Südwestrundfunk  (SWR) sagte der EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock, das Urteil bedeute für die Betroffenen selbst einen Durchbruch. Auch die Gesellschaft insgesamt müsste froh sein, dass Diskriminierung von Homosexuellen wirklich nun eine Sache der Vergangenheit sei. Deutliche Kritik an dem Karlsruher Spruch sei aber aus Sicht der EKD an einem anderen Punkt angebracht. Kock erklärte, es sei zu bedauern, dass das Urteil die sachliche Differenz zwischen einer Ehe und einer Partnerschaft nicht ausreichend würdige.

Das neue rot-grüne Lebenspartnerschafts-Gesetz ist nicht verfassungswidrig, die sogenannte Homo-Ehe bedeutet keinen Angriff auf die vom Grundgesetz geschützte Ehe von Mann und Frau. Was sagt Ihnen dieser Spruch?

Zunächst sage ich mal, die Evangelische Kirche hat sich ja eingesetzt dafür, die rechtliche Stellung von solchen Lebenspartnerschaften zu verbessern. Und deshalb begrüße ich das, dass die Absicht, diese Verbesserung zu erzielen, auch durch die Entscheidung des Gerichtes bestätigt worden ist. Insofern kritisiere ich das nicht. Auf der anderen Seite aber ist doch zu bedauern, dass die Entscheidung die sachliche Differenz zwischen einer Ehe und einer Partnerschaft eigentlich nicht ausreichend würdigt. Und dass es da zu so völligen Angleichungen kommt. Es wird argumentiert, das nimmt der Ehe eigentlich nix - aber wissen Sie, wenn sogar eröffnet wird, dass möglicherweise die Gesetzgebung auch auf andere Partnerschaften ausgedehnt werden kann, auf heterosexuelle usw., dann zeigt sich, dass da doch der besondere Schutz der Ehe in einer bestimmten Weise kritisiert oder beeinträchtigt wird.

Da möchte ich noch mal nachfragen. Das Gericht sagt ja ganz deutlich, wer die Ehe gegenüber anderen Lebensformen privilegiert, könne nicht andere Lebensformen gegenüber der Ehe benachteiligen. Das Abstandsgebot, das ist doch weiterhin gewahrt oder nicht?

Na ja. Es wird in dem Urteil wohl nur deshalb gewahrt, weil ja Heterosexuelle auf den Weg verwiesen werden, dass für sie die Ehe offen ist, während das für die anderen nicht sei. Und deshalb kann es nicht miteinander verwechselt werden - so sagen die das. Aber das ist eben die Frage. Werden die positiven Entwicklungsmöglichkeiten der Ehe selbst dann künftig gewahrt, wenn jede Form von Partnerschaft alles in Anspruch nehmen kann?

Ist es nicht eher so, dass traditionelle Werte gestärkt werden, wenn zwei Menschen - in diesem Fall eben gleichen Geschlechts - sich offiziell zusammentun, eine eingetragene Partnerschaft eingehen?

Das habe ich am Anfang gesagt. Ich halte es schon für sehr wichtig, dass Verlässlichkeiten gestärkt werden, dass auch in solchen Partnerschaften Schwächere und Stärkere durch eine Vertragsform miteinander verbunden sind - nicht Unterjochung und Abhängigkeiten ausgenutzt werden usw. Dass auch so etwas wie eine Dauerhaftigkeit eingefordert werden kann durch eine solche Partnerschaft. Das ist der positive Anteil, den darf man glaube ich nicht verschweigen. Und so haben wir das ja auch immer betont. Wir haben nur eben gesagt, dass eben dadurch, dass es so eine Art ritualisierte Gleichheit gibt - und das wird ja nun auch durch das Gericht bestätigt - dass dadurch das Abstands-Gebot in Frage gestellt wird.

Aber so schlimm wie die Katholische Bischofs-Konferenz schätzen Sie das Urteil nicht ein, deren Vorsitzender Kardinal Lehmann von einer dramatischen Verschiebung des Wertebewusstseins spricht?

Das kann ich so nicht sehen. Weil ja auch diese Form der Ehe, die wir zivilrechtlich in unserer Verfassung haben, selbst nicht vom Himmel gefallen ist, sondern sie ist im Laufe der Geschichte entstanden. Sie ist, glaube ich, erst aus dem 19. Jahrhundert in dieser Form und es hat früher andere Formen gegeben, die Ehe zu würdigen. Die Ehe selbst wird, ob das gesetzlich gewahrt oder nicht gewahrt wird, auf jeden Fall ihren Stand behalten. Weil zu einer Familie, zu Kindern Verlässlichkeit und Dauerhaftigkeit und Treue gehören - trotz aller Zerbrechlichkeit, die die Ehe heute gefunden hat.

In einigen evangelischen Kirchen werden gleichgeschlechtliche Paare inzwischen auch gesegnet. Mit Ihrer Billigung, würden Sie das auch tun?

Wir haben in unserer Landeskirche die Segnung als eigene Amtshandlung nicht. Es gibt die Möglichkeit, wenn das in einem Presbyterium so verabredet wird, einer gottesdienstlichen Begleitung. Darunter ist zu verstehen, dass im Gemeinde-Gottesdienst auch eine Fürbitte gemacht wird. Wir schaffen es nicht, mit Hilfe dieser Sache das wirklich aus der Eheähnlichkeit herauszuholen. Daran sehen Sie schon, dass es im Grunde auch eine Mentalitäts-Frage der Menschen ist, wenn so etwas veranstaltet wird, eine gottesdienstliche Begleitung, dann ziehen da die Leute mit der Hochzeits-Kutsche vor, als ob sie Mann und Frau wären. Wir kriegen das aus der Mentalität der Menschen selbst nicht heraus. Es gibt das Bedürfnis nach diesen Ritualen. Und ich bin gespannt, wie sich das in unserer Kirche weiter entwickelt. Die meisten, die diese Partnerschaften eingehen, legen aber, glaube ich, keinen großen Wert darauf, dass sie das kirchlich begleiten lassen.

Könnte man das so formulieren, dass das traditionelle Bild von Ehe und Familie natürlich in der Evangelischen Kirche weiterhin unverbrüchlich gilt, aber Sie sich doch mit gewandelten Moralvorstellungen auseinandersetzen müssen?

Ja, das tun wir doch schon seit einer ganzen Generation. Unsere Kinder haben das nicht so praktiziert wie wir. Es gibt Ehe auf Probe, es gibt Ehe auf Zeit und all diese Dinge. Sie zeigen, dass sich da etwas sich verändert hat, das nicht nur eine gute Seite hat. Es hat eine größere Form der Freiheit. Ich glaube auch, dass die Art der sexuellen Einschätzungen sich zu einem positiven Teil verändert hat. Und auf der anderen Seite ist das gleiche, was sich positiv darstellt, auch wieder ein Verlust an Wertebewusstsein, wenn Sie die Art und Weise anschauen, wie Sexualität heute propagiert wird, wie sie kommerzialisiert wird. Da können Sie sehen, dass das, was positiv ist, auch gleichzeitig wieder furchtbar negative Erscheinungen hat.

Wenn der Verband der Lesben und Schwulen in der Union das Karlsruher Urteil jetzt als Startsignal für eine moderne Gesellschafts-Politik begreift, was verstehen Sie darunter?

Ich denke, dass da natürlich auch übertriebene Formulierungen sind. Als wäre diese Gesellschaft nur dadurch modern, dass sie jetzt solche Partnerschaften zulässt. Es ist für die Betroffenen selbst ein Durchbruch, das ist ihnen zu gönnen. Und darüber sollen sie auch froh sein. Und die Gesellschaft insgesamt auch. Diskriminierung von Homosexuellen ist wirklich eine Sache der Vergangenheit. Nur die Beliebigkeit, die dann wieder andere fordern und alle möglichen Partnerschaften sozusagen als genau so etwas Legitimes und Legales anzusehen wie die Ehe selbst - die halte ich für negativ, für nicht besonders zukunftsträchtig.