Israel: Brücken des Friedens sind zerstört worden

Interview des EKD-Auslandsbischofs mit dem DLR

05. April 2002


Kann die Evangelische Kirche Brücken zwischen Israelis und Palästinensern bauen?

Elke Durak, DeutschlandRadio, am 5. April 2002 im Gespräch mit Rolf Koppe, Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)

Durak: Scharon schließt politische Verhandlungen mit den Palästinensern derzeit aus. Er sagt, die Operation Schutzwall werde weitergehen, bis Israel die Beseitigung des Terrors und seiner Urheber erreicht habe, ungeachtet der Rede von Präsident Bush und seiner neuen Nahostpolitik. Ist also der 'point of no return' zwischen ihm, anderen israelischen Politikern und den Palästinensern doch schon erreicht? Zu denjenigen, die sich seit vielen Jahren um ein gutes Verhältnis zu beiden Völkern bemühen, gehören die Kirchen in Deutschland, und für die evangelische Kirche kümmert sich darum Bischof Rolf Koppe. Er ist Auslandsbischof der EKD und nun am Telefon. Herr Koppe, zunächst einmal, bevor wir auf die neue Nahostmission des amerikanischen Präsidenten kommen, ein Wort zu den Gefechten in und um die Geburtskirche in Bethlehem. Wir haben eben gehört, es gibt weitere Auseinandersetzungen. Herr Koppe, zu wem halten Sie Kontakt dorthin, was haben Sie erfahren von den Vorgängen und Kämpfen?

Koppe: Wir halten Kontakt zu unseren Partnern in der lutherischen kleinen Kirche, die in Bethlehem und Bedjala stationiert sind. Und wir haben leider keine neuesten Nachrichten, was jetzt die Situation in Bethlehem betrifft. Gestern Nachmittag wurde Pastor Mitrij Raheb gezwungen, die lutherische Kirche und die Büros aufzumachen für eine Durchsuchung durch das Militär. Das war am späten Nachmittag; wir wissen nicht, was mit ihm und mit seiner Familie geschehen ist. Aber das ist ja nur ein Beispiel für dieses brutale Vorgehen mit Hausdurchsuchungen, auch mit Zerstörung von Kindergärten. Die Nebenfolgen werden offensichtlich überhaupt nicht beachtet. Das sind ja Brücken des Friedens und der Versöhnung, die jetzt stark zerstört worden sind. Also, Vertrauen darauf, dass Gespräche überhaupt noch möglich sind, dass man weiterkommt mit den interreligiösen Gesprächen zwischen Muslimen, Juden und Christen - das, finde ich, ist die Schwierigkeit der israelischen Regierung, dass sie da überhaupt keine Rücksicht drauf genommen hat, und auch nicht auf die Schonung der heiligen Stätten. Ich glaube, dass das wirklich ein Punkt ist, wo man sagen muss: Hier ist ein Tabubruch geschehen, und das können und wollen wir nicht hinnehmen.

Durak: Ein unverzeihlicher Tabubruch, oder werden Sie weitere Kontakte suchen?

Koppe: Na ja, schauen Sie doch mal die Bilder an, die wir täglich bekommen aus Bethlehem. Das ist doch eine Unverhältnismäßigkeit der Mittel, gerade in solch einer Kirche, die natürlich auch missbraucht worden ist durch die Palästinenser, dass da Menschen drin sind mit Waffen - aber auch Frauen und Kinder. Das sind Dinge, die müssen anders behandelt werden. Da muss man sehen, dass hier andere Gesetze gelten und nicht eine Brutalität, wie wir sie wirklich gesehen haben.

Durak: Hätte man die Palästinenser nicht davon abhalten müssen, in die Kirche zu gehen und sich dort vor allen Dingen zu verschanzen?

Koppe: Aber in einer bestimmten Situation ist die Kirche sicherer als die Straße. Das muss man ganz deutlich sehen. Und jetzt muss man hoffen, dass eine De-Eskalierung vor sich geht, damit also ein friedlicher Rückzug möglich ist und kein Blutbad entsteht. Das wäre das Schlimmste, was wir uns überhaupt vorstellen können.

Durak: Herr Bischof, ich habe trotzdem damit ein Problem. Es ist ja so etwas wie eine Art Kirchenasyl, was die Palästinenser dort gesucht haben. Hätten sie die Kirche ohne Waffen aufgesucht: Ja! Nun sind sie mit Waffen hinein, und die entsprechende Antwort kam von draußen.

Koppe: Also, Waffen gehören nicht in die Kirche, und wenn welche drin sind, dann müssen sie raus. Das ist völlig klar, an der Stelle gibt es überhaupt keine Kompromisse. Aber man muss einfach sehen, was für eine Situation entstanden ist. Und ob das rechtlich in Ordnung ist mit Asyl oder nicht: Es ist ein Zeichen der Ohnmacht, dass man in solch einer Situation Kirchen aufsucht.

Durak: Herr Bischof, Sie haben den Dialog zwischen Christen, Moslems und Juden angesprochen, den auch die EKD dort pflegt und betreut. Ist dieser Dialog in den letzten Wochen zum Erliegen gekommen?

Koppe: Ja, vollständig - schon seit Oktober letzten Jahres. Ich habe einen Besuch gemacht beim israelischen Religionsminister. Der hat überhaupt keine Antenne dafür gehabt, was wir da tun in dem Bereich zwischen Jerusalem und Bethlehem. Es ist aber auch praktisch unmöglich geworden, weil die Möglichkeiten überhaupt nicht mehr da sind, sich zu treffen. Die Abrahamsherberge in Bedjala steht leer. Wir unterstützen einen weiteren Ausbau, wir haben Hoffnung, dass das wieder in Gang kommt. Aber es ist einfach jetzt eine Situation erreicht, wo nichts mehr geht.

Durak: Vielleicht geht ja doch etwas, Herr Koppe. Wir haben ja seit gestern Nachmittag unserer Zeit eine neue amerikanische Nahostpolitik. So hoffen wir es jedenfalls, wenn wir auf die Worte der Rede von Präsident Bush hören und hören, dass Außenminister Powell in den nächsten Tagen dorthin reisen wird. Haben Sie auch Hoffnung?

Koppe: Also, da haben wir große Hoffnung. Wir haben das auch immer gefordert, dass die Politik sich nicht wegduckt, sondern hier aktiv wird, vor allen Dingen auch von den Amerikanern. Dass gestern die EU-Delegation nicht zu Arafat durfte, ist ein Fehler. Das sind alles Punkte, wo wir sagen, das muss gemeinsam gemacht werden - die EU mit den Amerikanern zusammen. Es geht offensichtlich nicht, dass die beiden Parteien Seite an Seite leben ohne eine neue Initiative von außen. Und deshalb begrüßen wir das sehr, was gestern beschlossen wurde.

Durak: Inwiefern können Sie das unterstützen?

Koppe: Nun, wir können das dadurch unterstützen, dass wir die Politiker wirklich ermutigen, wieder anzufangen und das nicht alles der militärischen Logik zu überlassen. Es muss eine politische Dimension zurückgewonnen werden, andernfalls gibt es ja doch nur die militärische Konfrontation, und damit ist keinem geholfen.

Durak: Auslandsbischof Rolf Koppe von der EKD in Hannover.
Herzlichen Dank, Herr Koppe, für das Gespräch.



Quelle: DeutschlandRadio 05. April 2002