Christen in Israel und Palästina sind Botschafter des Friedens

Auslandsbischof Koppe über die Rolle der ev. Kirche im Nahost-Konflikt

06. Juni 2002


Seit Monaten verfolgt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mit großer Sorge, aber auch mit zahlreichen Stellungnahmen den israelisch-palästinensischen Konflikt. Ranghohe Kirchenvertreter sind in das Heilige Land gereist und haben Gespräche mit beiden Konfliktparteien geführt. K. Rüdiger Durth sprach mit dem Auslandsbischof der EKD, Rolf Koppe, über den Nahost-Konflikt und über die Dekade des Ökumenischen Rates der Kirchen gegen die Gewalt.

idea: Immer lauter wird der Vorwurf erhoben, die Evangelische Kirche in Deutschland melde sich vor allem dann laut und vernehmlich zu Wort, wenn im israelisch-palästinensischen Konflikt kirchliche Einrichtungen leiden.

Koppe: Ja und nein. Nein, weil die EKD wie der Ökumenische Rat der Kirchen, der Lutherische Weltbund und der Vatikan das friedliche Zusammenleben der beiden Völker und der Religionen fördern möchten. Durch zahlreiche Initiativen und Stellungnahmen ist das seit Jahrzehnten begleitend geschehen. Ja, wenn die christliche Minderheit zwischen die Mühlsteine der kriegerischen Auseinandersetzungen gerät und Personen, Einrichtungen und Kirchengebäude betroffen sind. Da fragen wir schon nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel und warnen vor Tabuverletzungen.

Einseitige EKD?

idea: Steht die EKD einseitig auf Seiten der Palästinenser?

Koppe: Nein, vielmehr geht es den warnenden Stimmen darum, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen. Und das geschieht auch dadurch, dass die Brücken, die es zwischen Israelis und Palästinensern gibt, nicht eingerissen werden.

idea: Welche Möglichkeiten haben die palästinensischen Christen, sich für einen Frieden zwischen den verfeindeten Völkern einzusetzen?

Koppe: Zuerst einmal dadurch, dass sie gewaltfrei sind und sich für Gerechtigkeit auf beiden Seiten einsetzen. Dann haben sie zwar bescheidene, aber hör- und sichtbare Beziehungen zur weltweiten Christenheit. Ich möchte gern mit vielen anderen Stimmen zusammen in Erinnerung rufen, dass es Christen gibt in Israel und in Palästina und dass sie Repräsentanten der Botschaft vom Frieden und der Versöhnung sind.

Freier Zugang nach Jerusalem

idea: Sehen Sie überhaupt eine Möglichkeit für die Lösung des Konflikts, zumal beide Seiten Jerusalem für sich beanspruchen?

Koppe: Der Status von Jerusalem ist zum Beispiel im Oslo-Friedensprozess erst am Ende auf die Tagesordnung gesetzt worden und hat bisher zu keiner Lösung geführt. Im Gegenteil, wer sich daran versucht, muss schon die anderen Fragen einigermaßen befriedigend gelöst haben. Und er muss die Menschen einbeziehen, die in erstaunlich friedlicher Weise in den Vierteln der Stadt zusammenleben. Grundlegend wichtig ist, dass der internationale Zugang gewährleistet ist. Für alle Seiten ist das lebenswichtig, gerade auch für die christlichen Stätten.

idea: Selbst wenn es gelingt, Terror und Zerstörung im Heiligen Land unter Kontrolle zu bringen, werden die Wunden noch lange offen bleiben. Welche Möglichkeiten sehen Sie für die Kirchen, konkrete Hilfen anzubieten?

Koppe:  Sobald es auch für Gruppen möglich ist, wieder zu reisen, sollten alle Kirchen mithelfen, dass der Tourismus wieder in Gang kommt, die Studierenden zurückkehren, die Abrahamherberge in Beit Jala den interreligiösen Dialog aufnimmt und die Akademiearbeit in Bethlehem ihre Bildungsarbeit im weitesten Sinn betreibt. Schon jetzt muss es darum gehen, die Arbeit der Schulen auf der Westbank fortzuführen. Ich würde auch gern den Kontakt zur Hebräischen Universität fortsetzen und hoffen, dass Professoren und Studierende ihre Beziehungen zur palästinensischen Seite wieder aufbauen. Wünschen würde ich auch, dass unsere Kirchen die Freude wiedergewinnen, das Land kennen zu lernen, in dem Jesus geboren, gewirkt, gekreuzigt und auferstanden ist.

idea: Hat die Vision des Propheten Jesaja von den Schwertern, die zu Pflugscharen werden sollen, überhaupt noch eine Chance im Heiligen Land?

Koppe: Ich hüte mich, dem Willen Gottes und dem Wirken des Heiligen Geistes irgendeine Grenze zu ziehen. Das haben wir ja im eigenen Land wunderbarerweise erfahren.

Dekade gegen Gewalt

idea: Seit über einem Jahr läuft die Dekade gegen die Gewalt seitens des Ökumenischen Rates der Kirchen. Ist sie in Deutschland schon eingeschlafen, bevor sie richtig begonnen hat?

Koppe: Nein, ganz und gar nicht. Weil so vieles im Gang ist, in Deutschland und in vielen anderen Ländern, fehlt allerdings der Überblick und das erkennbare gemeinsame Bestreben auf der Weltebene. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die Dekade erst zu Beginn des Jahres 2001  vom Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen bei seinem Treffen in Berlin - übrigens vor dem Brandenburger Tor - ausgerufen worden ist.

idea: Auf welche Weise beteiligt sich nun die EKD?

Koppe: Die EKD hat kürzlich eine Projektstelle für drei Jahre eingerichtet, die die Aktivitäten bündeln soll. Ich bin da ganz optimistisch, weil die Thematik, nicht zuletzt nach der Tragödie von Erfurt, auf den Nägeln brennt. Ziel ist doch, Gegenkräfte zur Gewalt zu wecken und als die einzig sinnvolle Alternative vorzuleben. Auch im Blick auf einen neuen Kalten Krieg gegen den Terrorismus und die Militarisierung von Konflikten. Die Herausforderung ist, die verschiedenen Ebenen zu unterscheiden und einen neuen Geist der Gewaltlosigkeit für vernünftig zu halten, gemeinsam mit der Polizei und dem Militär.

idea: Wir danken für das Gespräch.


Quelle: idea Nr. 64 vom 06. Juni 2002