Grußwort bei der Generalsynode der VELKD

Präses der EKD-Synode Dr. Jürgen Schmude

22. Oktober 2002


Zu Ihrer Tagung bringe ich Ihnen die Grüße und guten Wünsche der Synode und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Mitten im diesjährigen „Synodenherbst“ trifft sich in zwei Wochen die EKD-Synode in Timmendorfer Strand. Schwerpunkt ihrer Beratungen in wird das in Frageform gekleidete Thema sein: „Was ist der Mensch?“.  Das Thema erscheint grundsätzlich, allgemein und schwer fassbar. Und doch ist die Befassung mit ihm eine für unsere Kirche notwendige Aufgabe. Wir versuchen einen Beitrag zur Bestimmung des Menschenbildes zu leisten und damit für ethische und rechtliche Grundentscheidungen über den Schutz der Menschenwürde und des Lebens Orientierung zu geben.

Synodentagungen in politisch bewegter Zeit bringen es mit sich, dass aktuelle Themen ohne Vorplanung im Synodengeschehen Gewicht bekommen, manchmal wie ein Schwerpunktthema. Bei der vorjährigen Tagung der EKD-Synode in Amberg ging es um den gerade beschlossenen deutschen Einsatz im Afghanistankonflikt. Es kann sein, dass uns die Diskussion über ein bewaffnetes Eingreifen im Irak ein weiteres Mal nahe legen wird, das Friedensthema aufzugreifen.

Nicht auf der Tagesordnung vorgesehen und doch behandelt werden wird die auch bei Ihnen zur Sprache kommende Strukturdebatte. Beides, kein Tagesordnungspunkt und doch erörtert, hat seinen Grund.

Die EKD hält sich in dieser Debatte bewusst zurück. Die Gliedkirchen, der EKD und der konfessionellen Bünde, sind es, die zu überlegen haben, wie die Gemeinschaft der Kirchen und ihre gemeinschaftlichen Einrichtungen dem kirchlichen Auftrag dienen sollen. Das sind sehr praktische und zugleich sehr wichtige Fragen.

Angesprochen werden dürfte die Strukturreform bei uns aber doch. Sie ist ein Thema, das alle bewegt. Man wird den Sachstand betrachten und die Argumente sichten. Und es wird sicher den Wunsch geben, dass die Diskussion nicht zum Erliegen kommt, sondern zu Ergebnissen geführt wird, die Klarheit schaffen. Beiträge dazu sind willkommen. Die von der Kirchenleitung der Vereinigten Kirche vorgelegten „Prüfsteine für die Strukturdebatte“ werden aufmerksam gewürdigt werden und später gewiss auch das im Bericht der Kirchenleitung angekündigte Konzept.

Um Zentralismus und Machtzusammenballung, wie manche meinen, geht es nicht. Dorthin führt kein Weg angesichts des Gewichts der Landeskirchen, auch der kleinen unter ihnen. Und das ist richtig so. Aber kirchliches Leben und Handeln so zu organisieren, dass es der Verkündigung des Evangeliums tatsächlich bestmöglich dient und dass es die öffentliche Wirksamkeit des Protestantismus stärkt, darauf sollte nicht verzichtet werden.

Um den gemeinsamen Dienst in der Verkündigung bemühen sich die Kirchen auch in der internationalen Ökumene. In den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) sind in soweit große Hoffnungen gesetzt worden, für deren Erfüllung vieles sprach. Das ist seit einigen Jahren anders geworden. Der Abschlussbericht der Sonderkommission zur orthodoxen Mitarbeit im ÖRK lässt das anerkennenswerte Bemühen erkennen, die gemeinsame Arbeit im Rahmen des Möglichen zu erhalten. Dieser Rahmen freilich ist dramatisch verengt worden. Die Absage jedenfalls an den Begriff der ökumenischen Gottesdienste zwingt zu der Befürchtung, dass damit nicht nur ein wertvolles Element weltweiter Verkündigung aufgegeben wird. Vielmehr sieht es so aus, dass aus der hier maßgebenden orthodoxen Perspektive die reformatorischen Kirchen als Kirchen in Frage gestellt werden.

Man mag einwenden, dass die nach dem Abschlussbericht verkürzte Praxis im gottesdienstlichen Handeln und auch in der Entscheidungsfindung des ÖRK schon vorher geherrscht habe. Das Kompromisspapier erlaube es wenigsten, damit nun geordnet umzugehen. Aber das macht die offensichtliche geistliche und organisatorische Schwächung des ÖRK nicht besser. Der Rat der EKD hat darüber seine Enttäuschung ausgedrückt und zugleich seine Unterstützung für die Sichtweise und seinen Respekt für den konkreten Schritt von Landesbischöfin Käßmann.

Die ganze Entwicklung zeigt, wie kirchliche Gemeinschaft und Gemeinsamkeit der Kirchen im Reden und Handeln immer wieder bedroht sind, ja wie sie sich sogar verschlechtern können. Wir in Deutschland und in Europa haben da mit der Leuenberger Konkordie eine wertvolle Grundlage des Verständnisses und des Handelns erreicht, die wir sorgsam pflegen und auf die wir uns verstärkt stützen sollten.

Der evangelische Pluralismus, begünstigt durch die Gliederung nach Regionen und Bekenntnissen und durch das Gewicht der Gemeinden, ist ein Reichtum unserer  Kirche. Auf dieser Grundlage die hilfreiche Botschaft Gottes authentisch und einmütig auszurichten, ist unsere ständige Aufgabe.  Sie, liebe Schwestern und Brüder, bemühen sich darum, in dieser Synodentagung , wir werden es als EKD-Synode in zwei Wochen tun. Ich wünsche Ihnen Gottes Segen für ein gutes Gelingen.