Gelebte Nachhaltigkeit - Wo müssen wir alle selbst in unserem Alltag beitragen und welchen Beitrag leisten die Kirchen?

Präses Manfred Kock im Gespräch auf WDR 5

27. August 2002


Moderator:
Guten Morgen, Herr Kock!
 

Kock:
Einen schönen guten Morgen!
 

Moderator:
Glauben Sie daran, dass Ihr Appell erhört wird?
 

Kock:
Ich hoffe darauf. Ich glaube, dass so viele Menschen inzwischen der Überzeugung sind, dass wir verantwortlich umgehen mit unserer Schöpfung, dass man darüber nicht hinweg gehen kann. Jedenfalls ist unser Drängen nicht völlig vergeblich. Bei der Konferenz in Genf, bei der ökomenischen Konferenz, haben die Vertreter der jungen Kirche mit großer Kritik auf uns westliche Kirchen und unsere westliche Welt reagiert, die eben global wirtschaftet, oft ohne Rücksicht auf das, was künftig wird und ohne Rücksicht darauf, dass wir einen so wahnsinnigen Abstand in der Welt haben, dass sich ein Teil der Menschen völlig überflüssig vorkommt.
 

Moderator:
Wenn Sie an die Industrienationen appellieren, heißt das Umweltschutz ist eine nationale Aufgabe, kann ich mein Gewissen ausruhen mit dem Hinweis: Der Staat wird es schon richten?
 

Kock:
Nein, nein. Also, ich glaube, das geht nicht nur über den Staat, sondern es geht über das Bewusstsein aller Menschen, aber ein Zusammenhang besteht ja doch, denn unsere Politiker denken im Grunde immer von vier Jahren zu vier Jahren, nämlich wenn sie gewählt werden müssen und da Umweltverantwortlichkeit eben auch eigene Verzichtleistungen erfordert, ist das manchmal nicht so ganz leicht zu vermitteln. Darum muss sich das Bewusstsein jedes einzelnen Menschen ändern, damit er ein Empfinden dafür kriegt, dass wir nicht nur für uns und für unsere eigenen vier Wände sind, sondern im Grunde für die globale ganze Welt.
 

Moderator:
Ich kann natürlich die Schuld auf die Politiker schieben, die Sie gerade angesprochen haben und sagen: Ich kann ja persönlich überhaupt nichts tun. Wie wollen denn die Kirchen eine solche Einstellung verhindern, wie können denn die Kirchen auf die Individuen einwirken, sich selbst Gedanken zu machen über nachhaltige Entwicklung?
 

Kock:
Es geht nur durch Beispiele, es geht nur durch den Appell an eigene Verhaltensweise, an die Frage wie wir umgehen mit unseren Autos: Müssen wir eigentlich immer schnittigere, immer teurere, immer größere Wagen fahren mit immer mehr Benzinverbrauch? Wir müssen umgehen mit der Frage, wie wir den öffentlichen Nahverkehr stützen. Das ist immer eine Relation von politischer Einstellung auf der einen Seite und dem Verhalten der Menschen auf der anderen Seite. Wir haben in vielen Kirchengemeinden exemplarische Versuche, wir haben Dächer mit entsprechendem umweltverträglichen Bedeckungen und so weiter. Wir erzeugen selber Energie und warmes Wasser. Das kann man nur exemplarisch machen, aber diese Beispiele verändern dann doch auf die Dauer das Verhalten. Das erleben wir in den Gruppen, die sich dafür engagieren.
 

Moderator:
Also, die Kirche Hand in Hand mit Green Peace oder BOND?
 

Kock:
Ja, Hand in Hand, das heißt also, wir bringen die Verantwortung für unsere Schöpfung ein und solche Gruppierungen, die Sie gerade genannt haben, sind ja teilweise auch von Christenmenschen geprägt und sie versuchen sich da zu engagieren. Wir, die Kirchengemeinde selbst ist ja keine Umweltorganisation. Sie kann dann immer nur diese Impulse selbst überall in der Gesellschaft fördern und unterstützen. Und durch die Tatsache, dass wir eben schöpfungsverantwortlich sind und uns mit denen solidarisieren, die entsprechende Aktivitäten an den Tag legen.
 

Moderator:
Haben die Kirchen das in den letzten Jahren zur Genüge getan? Haben Sie Ihre Chance genutzt, auf die Bedeutung nachhaltiger Entwicklung aufmerksam zu machen? Ich denke, dass in vielen Ländern, auch hierzulande wahrscheinlich auf Kirchenvertreter mehr gehört wird, als auf ja schon besagte Green Peace- oder WWF-Vertreter.
 

Kock:
Ja, das weiß ich nicht. Wir sind auch abhängig davon, dass manchmal was spektakuläres gemacht wird, was eben durch Green Peace oder so was leichter geschehen kann, als durch eine sehr komplex zusammengesetzte Gemeinde und insofern freuen wir uns, dass die das machen. Natürlich, wir haben alle nicht genug getan. 1992 in Rio sind Beschlüsse befasst worden und im Grunde sind ja die Zielvorstellungen, die da formuliert wurden, immer wieder unterlaufen worden, auch dadurch, das wir es haben gehen lassen. Also, wir sind als Kirchen immer hinter den Notwendigkeiten her, aber auf der anderen Seite wüsste ich auch kaum jemand, keine andere Institution, die immer wieder auf diese Verantwortung hinweist und die Politiker unterstützt. Wir haben die Impulse in unserer Regierung für die Erhöhung der Entwicklungshilfe oder mindestens nicht der Streichung sehr stark gefördert. Ein bisschen Erfolg haben wir gehabt, aber es ist im Grunde ja noch zu wenig.
 

Moderator:
Der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche, Präses Manfred Kok zum UN-Gipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg. Ich danke Ihnen!

Quelle: WDR 5 www.wdr5.de/