Taufpaten, Pegida und die Existenz Gottes: Bei Anruf Antwort!

Das bundesweite Service-Telefon der evangelischen Kirche feiert ersten Geburtstag

2. Juni 2015

Team des Service-Telefons EKD
Foto: EKD/Stabsstelle Kommunikation

Die Stimme am anderen Ende gehört offensichtlich einem Kind im Grundschulalter. Es hat eine Frage, so wie die meisten Menschen, die diese Nummer anrufen: "Meine Mama konnte mir das nicht richtig beantworten – vielleicht können Sie mir ja weiterhelfen: Gibt es Gott eigentlich? Oder nicht?"

Nicht alle Fragen, die beim bundesweiten Service-Telefon der evangelischen Kirche einlaufen, sind derart herausfordernd. Manche Anruferin will einfach nur wissen, wo man einen Patenschein herbekommt oder ob es die Möglichkeit gibt, sich ökumenisch trauen zu lassen. So mancher Anrufer hat allerdings auch ein spezielles Anliegen – so wie der Herr, der nach den Bauplänen einer ganz bestimmten Kirche fragte. Es ging um den Kirchenbau, in dem er konfirmiert und auch getraut worden war, den wollte er unbedingt für seine Modelleisenbahn nachbauen. Auch ihm konnte geholfen werden.

Denn helfen, weiterhelfen – das ist das wichtigste Anliegen des Service-Telefons. Vor einem Jahr, am 2. Juni 2014 wurden die Leitungen unter der Rufnummer 0800 - 50 40 60 2 freigeschaltet. Seitdem kümmert sich ein Team von neun Mitarbeitenden unter der Leitung von Christian Weisker und Gesa Cordes mit viel Eifer und Sachverstand um die Anfragen der Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet. Die erste Idee zu einer solchen Einrichtung entstand freilich bereits Anfang des Jahrtausends, als zu einer Plakatkampagne der Evangelischen Kirche in Deutschland für eine begrenzte Zeit auch eine bundesweite Telefonnummer geschaltet wurde. 2010 gab es von Seiten der Kirchenkonferenz erstmals eine Initiative für eine dauerhafte Einrichtung dieser Art, zwei Jahre später wurde dann schließlich die erste Leitungsstelle ausgeschrieben.

5.300 Vorwahlen aus 20 Landeskirchen

Im Frühjahr 2013 begann Christian Weisker innerhalb der Stabsstelle Kommunikation im Kirchenamt der EKD mit den ersten Projektplanungen, im Herbst stieß seine Kollegin Gesa Cordes hinzu. Am Anfang stand das Sammeln von Informationen und Erfahrungen: Wie machen andere das? So unterschiedliche Anbieter wie die Deutsche Bahn, eine Drogeriemarktkette oder Banken – alle haben sie Service-Hotlines. In Besuchen und Gesprächen wurden die Strukturen und auch die Probleme und Fallstricke erfragt. Schließlich waren die Herausforderungen nicht gerade klein – auch für die technische Ausstattung. Die musste es beispielsweise ermöglichen, die jeweilige Herkunft der Anrufe aus den 20 EKD-Gliedkirchen nachzuvollziehen. Deshalb bestand einer der vielen Vorbereitungsschritte des Projekts darin, die rund 5.300 Vorwahlbezirke in Deutschland den jeweiligen Landeskirchen zuzuordnen.

Und überhaupt: Die Landeskirchen. Auch inhaltlich musste gewährleistet sein, dass deren jeweilige Interessen und Besonderheiten beachtet werden. So existierten ja bereits eine ganze Reihe ähnlicher, regional begrenzter Angebote. Diese galt es zu integrieren oder Kooperationsmodelle zu finden. Nun erreichen zum Beispiel Anrufer aus dem Gebiet der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern über die bundesweite Service-Nummer direkt die Zentrale des Service-Telefons im EKD-Kirchenamt in Hannover. Nicht aber, wenn sie aus dem Dekanat München anrufen. Dort gibt es nämlich bereits ein regionales Service-Telefon, zu dessen Mitarbeiterinnen man dann umgeleitet wird. Ist deren Büro, zum Beispiel in Randzeiten, nicht besetzt, gelangt man wiederum direkt nach Hannover.

Teamarbeit beim Service-Telefon der evangelischen Kirche (Foto: EKD/Stabsstelle Kommunikation)
Teamarbeit beim Service-Telefon der evangelischen Kirche (Foto: EKD/Stabsstelle Kommunikation)
Dort sitzt nun seit dem Frühsommer 2014 das Team des bundesweiten Service-Telefons. "Das sind alles Menschen mit kirchlicher Leidenschaft – und mit Dienstleistungserfahrung", freut sich Leiter Weisker. "Da ist zum Beispiel die Kollegin, die früher beim Service-Telefon der Polizei gearbeitet hat und im Kirchenvorstand aktiv ist. Oder die Kollegin, die Pfarramtssekretärinnenvertretung macht und vorher im Callcenter einer Fluggesellschaft gesessen hat. Alles hochmotivierte und kompetente Leute!"

Trotzdem können auch die nicht alles wissen, auch nicht nach etlichen Kursen und Schulungen. Und deshalb ist Weisker besonders stolz auf die im Service-Telefon aufgebaute – und ständig wachsende – interne Wissensdatenbank: "Hier findet sich alles über evangelische Kirche, einfach aufbereitet und intuitiv zu erfassen."

90 Prozent der Fragen werden mit dem ersten Anruf beantwortet

Und so kommt es, dass tatsächlich 90 Prozent aller Fragen innerhalb eines Anrufs beantwortet werden können. Ist dies einmal nicht der Fall, recherchiert das Team nach der gewünschten Information und ruft zurück – oder schreibt eine E-Mail. So kann auch Anruferinnen geholfen werden, die außergewöhnlichere Anliegen haben, wie Gesa Cordes berichtet: "Da war eine Dame am anderen Ende der Leitung, die hatte ein frisch renoviertes, leerstehendes Haus, das wollte sie gerne als Unterkunft für Flüchtlinge zur Verfügung stellen. Da konnten wir erfolgreich einen Kontakt zur Diakonie herstellen."

"Die Menschen zeigen sich bei uns oft von zwei Dingen positiv überrascht", so Cordes weiter. "Erstens sind sie ganz oft erstaunt, dass sofort jemand rangeht – und zwar ein Mensch und kein Computer mit einem Auswahlmenü oder einer Warteschleife. Und zweitens sind sie dann immer wieder ganz beeindruckt davon, dass wir uns auch garantiert zurückmelden, wenn mal ein Problem nicht sofort gelöst werden konnte."

Darum scheint es weit weniger überraschend, dass die Anzahl der Kontakte mit dem Servicetelefon stetig wächst und die Bekanntheit steigt. Der Service spricht sich rum, vor allem bei Kirchenmitgliedern. In Zukunft verstärkt auch Nicht-Kirchenmitglieder zu erreichen, das sehen Cordes und Weisker als eine der nächsten Herausforderungen. So gibt es auch von Anfang an eine Kooperation mit der Service-Nummer Kircheneintritt in Stuttgart, denn, so Weisker: "Erfreulicherweise laufen bei uns mehr Anfragen zum Kircheneintritt ein als zum Austritt."

Fundbüro und Immobilienmakler in einem

Und sonst? Welche Fragen kommen sonst noch? "Prinzipiell gibt es da alles, auch recht Skurriles manchmal", erläutert Weisker. "So zum Beispiel die Reiseleiterin, die in Israel vor dem Parlament eine verlorene Bibel in deutscher Sprache gefunden hat, die mit unzähligen deutschsprachigen Notizen und einem Namen versehen war. Tatsächlich haben wir die Besitzerin ausfindig machen können – und sogar ziemlich rasch.“

Aber natürlich kommen zunächst häufig Fragen nach Sachinformationen, vor allem zu den Kasualien: "Unser Wunsch-Taufpate ist nicht in der Kirche – geht das trotzdem?" Sehr oft wird auch weitervermittelt, an die Ortsgemeinde, die Fachstelle, die zuständige kirchliche Einrichtung: "Vieles sind im Prinzip Kontakt- und Adressanfragen, wo wir den Anrufern Recherchen oder Laufwege ersparen – dadurch, dass wir die Informationen bei uns gebündelt vorliegen haben und die Strukturen kennen", erläutert Weisker. Und dann gibt es die Fragen, wo die Grenzen zur Seelsorge fließend sind. Auch hier versteht sich das Service-Telefon als Vermittler: "Wir können keine seelsorgerlichen Fachgespräche führen – wir sind nicht die Telefonseelsorge. Wir können aber weiterhelfen und Kontakt herstellen, oft und immer wieder auch zur Gemeinde und zum Pfarrer oder der Pfarrerin vor Ort."

Familienbild, Kapitalertragssteuer und Pegida – Seismograph für aktuelle Themen

Etwas anderes sind die Fragen zu kirchlichen Haltungen. Das bundesweite Servicetelefon ist eine Einrichtung der EKD und vertritt und erläutert auch deren Positionen. Auch zu aktuellen Themen. "Wenn das Thema Familie und gleichgeschlechtliche Partnerschaften durch die Presse geht, dann haben wir immer wieder Anfragen, wie 'die evangelische Kirche' dazu steht", berichtet Christian Weisker beispielsweise. "Grundsätzlich müssen wir bei allen Antworten sehr sorgfältig sein, denn immer wieder kommt es vor, dass sich Anrufer anschließend auf uns beziehen, wenn sie zum Beispiel auf Facebook schreiben: 'Die EKD hat mir dazu mitgeteilt…' In diesem Fall verweisen wir zum Beispiel auf die Familien-Orientierungshilfe des Rates der EKD "Zwischen Autonomie und Angewiesenheit"."

Service-Telefon der evangelischen Kirche, Headset (Foto: EKD/Stabsstelle Kommunikation)
Service-Telefon der evangelischen Kirche, Headset (Foto: EKD/Stabsstelle Kommunikation)
Oft kommen auch auch Fragen nach den Veränderungen beim Einzug der Kirchensteuer auf Kapitalertragssteuer. "Darauf sind wir aber bestens vorbereitet und können meistens beruhigen, denn es ändert sich ja nur für sehr wenige Menschen etwas“, sagt Gesa Cordes: "Aber es ist gut für die Anrufenden, sachkundig informiert worden zu sein“.

Und wenn es tagespolitisch hoch hergeht, dann merken das die Kolleginnen am Service-Telefon auch, da funktioniert die Leitung ein bisschen wie ein Seismograph: "Als der EKD-Ratsvorsitzende sich kritisch zu 'Pegida' geäußert hat, hatten wir eine echt anstrengende Zeit", erzählt Gesa Cordes. "Da kam viel Widerspruch von Islamgegnern, auch viel Unschönes gegenüber Fremden und Flüchtlingen." In diesem Fall war man in Hannover übrigens besonders mit dem Beantworten von E-Mails beschäftigt. Das sei eine Erfahrung, die sich immer wieder bestätige, heißt es beim Service-Telefon: Wenn es um Tagesaktuelles gehe, kämen viel mehr E-Mails als Anrufe: "Das geht einfach schneller." Deshalb ist der nächste geplante Schritt auch, die Dienstleistung in Richtung elektronischer Kommunikation auszubauen, auch und vor allem in den Sozialen Netzwerken.

Aber das Service-Telefon sieht sich prinzipiell auch in einer Puffer-Funktion. Immer wieder kommen eben auch Beschwerden statt Fragen – wenn der Weihnachtsgottesdienst nicht im Internet zu finden ist oder die Beerdigung nicht den Vorstellungen entsprochen hat. "Dann hören wir zu, machen aber auch klar, dass wir keine übergeordnete Stelle sind, die da schlichten oder gar strafen kann. Auch hier regen wir dann an, nochmal den Kontakt zu den jeweiligen Verantwortlichen direkt zu suchen", so Weisker. "Oft ist das dann aber gar nicht mehr nötig", schmunzelt er, "wenn erst einmal dem Ärger Luft gemacht wurde."

Wie kürzt man "evangelisch" richtig ab?

Nicht immer rufen übrigens Einzelpersonen an. So gab es zum Beispiel kürzlich den Fall, dass die Mitarbeiterin einer Kommune stellvertretend zum Hörer griff. In dem Ort sollten neue Straßenschilder aufgestellt werden und man war sich einfach nicht schlüssig, wie man "evangelisch" richtig abkürzt: "evang.", "evgl." oder "ev."? Beim Service-Telefon riet man zu Letzterem – wie es übrigens auch im Duden steht.

In diesem wie in allen anderen Fällen: Man möchte hier Brückenbauer zwischen Kirche und den Anrufenden sein, "ein Kontaktpunkt zur Kirche, durchaus mit missionarischem Ansatz", wie Christian Weisker sein Ziel formuliert. So lautet ein Wunsch für die Zukunft des Projekts: "Eine Kirche – eine Nummer."

Und wie ist das nun – gibt es Gott eigentlich? Hat das Kind eine zufriedenstellende Antwort auf seine Frage bekommen? Weisker und Cordes müssen beide lachen: "Ja, auch da hat unsere Mitarbeiterin hervorragend reagiert. Sie hat zuerst herausbekommen, dass die Eltern die Frage eigentlich bereits bejaht hatten und die Kleine wohl eher eine Bestätigung brauchte. Und nach einer kurzen Bedenkzeit hat sie dann geantwortet: 'Ich glaube, dass deine Eltern recht haben …'"

Claudius Grigat (evangelisch.de)