Versöhnung unterm Nagelkreuz

Die Dresdner Frauenkirche ist seit zehn Jahren Teil der Friedensbewegung

13. Februar 2015

Nagelkreuz, Dresden

"Kein Tag vergeht, an dem nicht das Nagelkreuz und seine Botschaft Eingang in eine Kirchenführung, ein Gespräch oder einen geistlichen Impuls gefunden hätte", sagt der Pfarrer der Dresdner Frauenkirche, Holger Treutmann. Das Nagelkreuz ist ein Symbol der Versöhnung, zusammengefügt aus drei Zimmermannsnägeln, die aus den Dachbalken der zerstörten mittelalterlichen Kathedrale von Coventry stammen. Die wurde am 14. November 1940 durch deutsche Bomben zerstört. Das eindrückliche Symbol verbindet heute Orte der Friedensarbeit und der Versöhnung in aller Welt. Am 13. Februar 2005, dem 60. Jahrestag der Zerstörung Dresdens, war es Oberkirchenrat Oliver Schuegraf, der heutige Vorsitzende der Nagelkreuzgemeinschaft, der das große Nagelkreuz in die Unterkirche der Frauenkirche trug. Mittlerweile, seit der Weihe der Frauenkirche im gleichen Jahr, hat das speziell angefertigte Kreuz seinen Platz im Hauptraum auf der zerstörungsgezeichneten Altarmensa gefunden.

Zehn Jahre Nagelkreuzgemeinschaft der Dresdner Frauenkirche

Mit dem Nagelkreuz hat das Gotteshaus einen Auftrag übernommen: am Frieden mitzuarbeiten und sich dafür einzusetzen, "mangelnde Freundschaft zwischen Rassen, Klassen, Religionen und Völkern" zu überwinden. So formulierte es damals der anglikanische Priester Canon Paul Oestreicher. "Viele Menschen kommen hier mit der Versöhnungsbotschaft in Berührung. Sie sehen das Nagelkreuz, hören von Coventry und beten die Versöhnungslitanei. So wirkt die Frauenkirche als wichtiger Mittler. Es ist deutlich spürbar, dass sie sich der Aufgabe und Gemeinschaft eng verbunden weiß", erklärt Schuegraf.

Am Sonntag, dem 15. Februar, feiert die Dresdner Frauenkirche nun ein Jubiläum: Ihre feierliche Aufnahme in die internationale Nagelkreuzgemeinschaft vor zehn Jahren. Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, wirkt an dem Festgottesdienst mit. Die Predigt hält mit Erzbischof Justin Welby das geistliche Oberhaupt der Church of England. Er steht sowohl den Anglikanern in England und Wales als auch den etwa 80 Millionen Glaubensbrüdern und -schwestern weltweit vor. Viele weitere Kirchenvertreter gestalten den Gottesdienst mit: der Bischof von Coventry, Christopher Cocksworth, der Dean von Coventry, John Witcombe und Frauenkirchenpfarrer Holger Treutmann. Das Versöhnungsgebet wird Oliver Schuegraf sprechen.

Die Frauenkirche ist eines von weltweit mehr als 160 Nagelkreuzzentren. Deutschlandweit gibt es knapp über 60, davon allein vier in Dresden. Sie eint das Bemühen, friedenstiftend und versöhnend zu wirken, den Dialog auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen zu fördern, Geschichte aufzuarbeiten und um Verständnis füreinander zu werben.

"Die Welt freundlicher, dem Christuskind ähnlicher machen"

Ihren geistigen Ursprung hat die Bewegung in einer von der BBC übertragenen Predigt des Domprobstes von Coventry, Richard Howard. Er hatte bereits wenige Wochen nach der verheerenden Zerstörung seiner Stadt durch deutsche Bomber 1940 dazu aufgerufen, nach Kriegsende gemeinsam mit den ehemaligen Feinden eine friedliche Welt aufzubauen. "Wir werden versuchen, die Welt freundlicher, einfacher, dem Christuskind ähnlicher zu machen." Hinter den Notaltar in der Ruine der Kathedrale von Coventry ließ er die Worte "Father forgive" ("Vater vergib") einmeißeln, die bis heute dort zu lesen sind. Der Gedanke einer ökumenischen Gemeinschaft zum Wirken für Versöhnung wurde dann von Bill Williams, Dompropst in Coventry von 1958 bis 1981, weiterentwickelt. Erste Nagelkreuze wurden nach Wolgograd (damals noch Stalingrad) und Kiel vergeben, 1965 kam das Mutterhaus der Diakonissenanstalt als erstes Dresdner Zentrum hinzu.

In der Dresdner Frauenkirche wird mittlerweile jeden Freitag das Versöhnungsgebet von Coventry im Rahmen der Mittagsandacht gesprochen. "Die Versöhnungsliturgie ist ein wöchentlicher Pulsgeber unserer Versöhnungsarbeit", erklärt Frauenkirchenpfarrer Holger Treutmann."Die sieben Bitten des Versöhnungsgebets aus Coventry sind zeitlos gültig und erweisen ihre Aktualität täglich neu. "

"Für die Arbeit, die die Frauenkirche Dresden im Dienste der Versöhnung tagtäglich leistet, ist die deutsche Nagelkreuzgemeinschaft überaus dankbar", sagt Schuegraf. Der Festgottesdienst in der Dresdner Frauenkirche zur zehnjährigen Mitgliedschaft in der internationalen Nagelkreuzgemeinschaft an diesem Sonntag steht entsprechend im Zeichen der Versöhnung und der Zusammenarbeit zwischen der Anglikanischen und der evangelischen Kirche.

Stiftung Frauenkirche Dresden/ekd.de