Abschied von einem Zeugen des Jahrhunderts

Evangelischer Trauergottesdienst und Staatsakt für den verstorbenen Bundespräsidenten a. D. Richard von Weizsäcker

11. Februar 2015

Trauerfeier für Richard von Weizsäcker im Berliner Dom

Berlin (epd). "Herausragender Präsident", "großer Deutscher", "Glücksfall für unser Land" - keiner der Redner beim Staatsakt zu Ehren des Ende Januar gestorbenen Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker ließ am Mittwoch einen Zweifel an dessen herausragendem Wirken. Im Berliner Dom nahm die Familie gemeinsam mit Vertretern aus Staat, Gesellschaft und Kirche Abschied von dem früheren Staatsoberhaupt. Nicht nur im Zeichen von Trauer und Anerkennung, auch unter dem Eindruck des schwierigen Ringens um Frieden in der Ukraine machten nahezu alle Redner deutlich, wie sehr die Politik einen Vertreter des Weizsäcker-Formats vermissen wird. Eindringlich appellierten sie, sein Wirken für Frieden und Versöhnen lebendig zu halten.

"Es liegt jetzt an uns", sagte die frühere Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer. Man müsse die Antwort auf eine essenzielle Zukunftsfrage Europas finden. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erinnerte an Weizsäckers Überzeugung, dass nicht Armeen und Zwang, sondern das Wort den Lauf der Dinge prägen könne. Ein Freund des Gespräches sei ein Freund des Friedens, zitierte der Außenminister, der vor allem in der Ukraine auf Diplomatie statt Waffengewalt setzt, den ehemaligen Bundespräsidenten.

Zeitlebens engagiert in der evangelischen Kirche

Richard von Weizsäcker war am 31. Januar im Alter von 94 Jahren gestorben. Von 1984 bis 1994 war er der sechste Bundespräsident der Bundesrepublik. Davor amtierte der CDU-Politiker als Berlins Regierender Bürgermeister. Zeitlebens engagierte er sich zudem in der evangelischen Kirche, war Präsident des evangelischen Kirchentags, gehörte 14 Jahre zum Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und war Ehrenvorsitzender der Evangelischen Akademie zu Berlin.

Ihm zu Ehren gab es am Mittwoch in Berlins größter Kirche einen evangelischen Trauergottesdienst und den ersten Staatsakt seit 2008. Der Gottesdienst wurde gestaltet vom Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm und Bischof Markus Dröge, Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, sowie der Dompredigerin Petra Zimmermann. Die Predigt hielt Altbischof Martin Kruse. Die Familie in der ersten Reihe, darunter die Witwe Marianne von Weizsäcker, sowie viele Vertreter von Regierung und Opposition, gesellschaftlichen Gruppen und religiösen Gemeinschaften gaben dem Politiker das letzte Geleit. Gäste aus dem Ausland waren unter anderen die ehemalige niederländische Königin Beatrix und Polens Ex-Präsident Lech Walesa. Rund 1.400 Gäste waren zu der Trauerfeier geladen.

Der Sarg, aufgebahrt vor dem Altar, war von der schwarz-rot-goldenen Fahne mit Bundesadler bedeckt. Die Bevölkerung fand trotz großräumiger Absperrungen Schauplätze an der Route des Trauerzugs zum Waldfriedhof Dahlem, auf dem Richard von Weizsäcker nun seine letzte Ruhestätte hat. Menschentrauben säumten den Weg am Rande der Museumsinsel. Traurige Gesichter und die andächtige Haltung vieler zeugten davon, dass es nicht nur zufällig vorbeigekommene Touristen waren. Viele wollen Abschied nehmen von dem Politiker, dessen Wirken in eine bewegte Zeit deutscher Geschichte fiel.

Für sie blieb die Welt eine Sekunde stehen, als sie vom Tod Richard von Weizsäckers hörte, sagte die evangelische Theologin Vollmer in ihrer bewegenden Ansprache im Dom. Es sei so, als sei auch ein Teil der alten Bundesrepublik, des alten Europas gestorben, sagte sie.

"Ein im Glauben verwurzelter Christenmensch"

Bundespräsident Joachim Gauck bezeichnete den Verstorbenen als "Zeugen des Jahrhunderts". Er erinnerte vor allem an Weizsäckers berühmteste Rede am 8. Mai 1985, als er den Jahrestag des Kriegsendes als "Tag der Befreiung bezeichnete. Er habe damit dem Lavieren ein Ende gesetzt. Richard von Weizsäcker habe mit dieser Rede und seiner Haltung den "Mut zur Wahrhaftigkeit" gefördert. "Sein Wort von der Befreiung hat selbst befreiend gewirkt für unser Land", sagte Steinmeier. Vollmer verglich die internationale Wirkung der Rede mit dem Kniefall Willy Brandts in Warschau.

So komme denn auch aus allen Himmelsrichtungen ein dankbares Echo auf sein Wirken, sagte der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Kruse, in seiner Ansprache im Trauergottesdienst. Der Berliner Altbischof würdigte Weizsäcker als einen "im Glauben verwurzelten Christenmenschen". Seine an die Familie gerichteten Worte des Trostes drückten den Wunsch vieler im Raum aus: "Der Segen, den Gott durch ein Menschenleben stiftet, wird nicht ins Grab gelegt; er wirkt auf spürbare, aber auch auf verborgene Weise weiter."

Corinna Buschow (epd)/ekd.de