Nicht nur hin und weg

Am Frankfurter Flughafen laden religiöse Orte zum Innehalten ein

5. Januar 2015

Ulrike Johanns ist evangelische Flughafenpfarrerin

Frankfurt a.M. (epd). "Fluggäste nach Bangkok werden zum Schalter gebeten", tönt es aus Lautsprechern. Reisende mit Koffern sammeln sich vor der Gepäckabgabe und verlieren sich in einem Gewirr von Läden und Cafés. Zu Ferienzeiten herrscht Hochbetrieb am Frankfurter Flughafen. Doch ein Stockwerk über der Gepäckabgabe im Terminal 1 herrscht Stille. Die ökumenische Kapelle dort ist spärlich geschmückt: Ein Metallkreuz auf Glasplatten, ein von dem Glaskünstler Johannes Schreiter in das Fenster gebannter Blitz, eine Holzfigur der gekrönten Maria mit dem Kind, davor Blumen und brennende Teelichter - ein Ort der Ruhe.

Täglich finden mehr als hundert Besucher den Weg aus dem Flughafengewimmel in den Gebetsraum, berichtet die evangelische Flughafenpfarrerin Ulrike Johanns, und zwar in den unterschiedlichsten Gefühlslagen. Einmal traf Johanns ein heftig schluchzendes Ehepaar an. Es war jedoch keine Katastrophe - die Tränenüberströmten hatten eben ihren 17-jährigen Sohn für ein Jahr in die USA verabschiedet. Größere Nöte haben Reisende dem Fürbittenbuch anvertraut, das neben der Marienfigur aufgeschlagen ist.

"Ich hoffe sehr, ich sehe Dich bald", steht da. "Es tut so weh, nicht bei Dir zu sein. Ich hoffe, Dein Vater kommt zur Vernunft. Ich liebe Dich, Deine Mama". "Die Flughafenkapelle ist ein Ort, an dem Menschen ihr Unterwegssein mit ihrer Glaubensgeschichte verbinden und Luft holen", sagt Pfarrerin Johanns. Und die Kapelle wird gesucht: "Jeden Tag fragen Fluggäste nach einem Gebetsraum", gibt der Mitarbeiter am Informationsschalter Auskunft. Am häufigsten Muslime, bei den Christen vor allem US-Amerikaner.

Für Christen, Juden und Muslime gibt es in den beiden Terminals und im Transitbereich zehn Andachtsräume, Ende Januar 2015 wird ein weiterer ökumenischer Gebetsraum im Transit eröffnet. Blickpunkt des nur wenige Meter breiten und langen jüdischen Gebetsraums im Terminal 1 ist der aus bunten Keramikteilen zusammengesetzte, siebenarmige Leuchter. Die weißen Wände sind mit dem Davidstern bezeichnet, die hinterleuchtete Stirnseite ziert ein Reisegebet auf Hebräisch und Deutsch.

Der benachbarte christlich-orthodoxe Andachtsraum ist voller Schmuck: Teppich und Wände sind rot und gelb, Ikonen entlang der ganzen Längsseite, die Wand hinter dem Altar lebensgroß bemalt mit Maria, Christus und einem Engel. Für die Muslime hält ein Fraport-Mitarbeiter das Freitagsgebet. Die Religionen existieren am Flughafen nicht nur nebeneinander her. Nach den Terroranschlägen am 9. September 2001 in den USA trafen sich im folgenden Dezember Christen, Juden und Muslime zu einer gemeinsamen Feier für den Frieden. Die "Abrahamische Feier" war im Jahrzehnt darauf eine Institution am Flughafen.

Die je zwei evangelischen und katholischen Geistlichen bieten täglich Andachten und Gottesdienste an, zu denen ein knappes Dutzend Menschen kommt. Sie halten auch Trauerfeiern, taufen auf Wunsch, nehmen Beichtgespräche an und erteilen Reisesegen. Es gebe Gespräche, an deren Ende der Besucher sagt: "Das habe ich so noch niemandem erzählt", sagt der evangelische Pfarrvikar Benjamin Krieg. Das Warten im Schwebezustand des Unterwegsseins und die Tatsache, den Pfarrer wahrscheinlich nie wieder zu sehen, helfe Menschen, sich zu öffnen.

Die Kapelle ist auch ein Sammelpunkt für Flughafenbeschäftigte. Jeden Monat hält ein Mitarbeiter eine Andacht, und jeden Monat gibt es ein Konzert. "Die Kapelle ist für viele Kollegen ein wichtiger Ort, wo man zur Ruhe kommen und auftanken kann", sagt die Lufthansa-Mitarbeiterin im Notfallmanagement, Anja Schneider. "Sie wissen, dass es hier auch Gesprächspartner gibt, denen man ein persönliches Anliegen erzählen kann." Manche Flughafen-Mitarbeiter suchen hier in der Kapelle das Gespräch mit den Seelsorgern vor wichtigen Entscheidungen.